Kunstprojekt:Tanz mit der Sprühdose

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Kinder und Jugendliche lernen beim ISART-Projekttag, wie man mit Spraydosen Bilder malt. (Foto: Leonhard Simon)

Jedes Jahr gestalten Graffiti-Künstler die Pfeiler unter der Brudermühlbrücke. Am Samstag konnten sich auch Kinder und Jugendliche beim Sprayen ausprobieren.

Von Miriam Treitinger

Ein beißender Geruch liegt in der Luft, der Wind kitzelt auf der Haut. Man hört das Rauschen der Isar, das Knirschen der Steine unter den Sohlen, das Zischen von Sprühflaschen und die Musik vom DJ-Pult. Aber das Wichtigste ist, was man hier unter der Brudermühlbrücke sehen kann: die bunt bemalten Betonpfeiler. Gerade besprühen und bemalen Kinder und Jugendliche einen von ihnen, zwei Graffiti-Künstler einen anderen - alles ganz legal, denn es ist ISART-Workshoptag.

Die Färberei, eine Einrichtung des Kreisjugendrings, organisiert die ISART, ein Graffiti-Projekt, das es schon seit 1996 gibt. Jedes Jahr werden die Brückenpfeiler von Graffiti-Künstlern neu bemalt. Am Samstag hatten Interessierte ab acht Jahren die Möglichkeit mitzumachen. Eine Seite des Workshop-Pfeilers wird immer wieder übermalt - hier können die Teilnehmer sich ausprobieren, ein Gefühl für die Dosen, Rollen und Pinsel entwickeln. Auf der anderen Seite malen diejenigen ihr Motiv, die wollen, dass es ein ganzes Jahr lang bewundert werden kann. Der Andrang auf den Workshop sei so groß gewesen, dass man etwa der Hälfte aller Angemeldeten absagen musste, heißt es von den Organisatoren.

Das Geräusch der Kugel in der Dose verrät die Qualität der Farbe

Ihre Mutter habe von dem Projekt im Internet erfahren, erzählt eine 14-jährige Teilnehmerin. Sie sprüht heute zum ersten Mal - aber es macht ihr so viel Spaß, dass sie nächstes Jahr wieder kommen möchte. Sie versucht sich gerade an der Figur Totoro aus ihrem gleichnamigen japanischen Anime-Lieblingsfilm. Schon seit drei oder vier Stunden arbeite sie an dem Bild, sagt sie. Den ersten Versuch habe sie gleich mal übermalen müssen, "da ist nämlich die Farbe verlaufen". Der Grund: die falschen Aufsätze auf den Sprühdosen.

"Je nach Druck und Art des Aufsatzes wird der Strich unterschiedlich breit", erklärt Adrian Till von Outercircle, einem Verein zur Förderung von Kunst im öffentlichen Raum, der dieses Jahr zum ersten Mal an dem Projekt beteiligt ist. Anhand des Geräuschs, das die Kugel in der Dose macht, wenn man sie schüttelt, erkenne man außerdem, ob die Farbe gut vermischt ist.

"Besonders schön wird es dann, wenn das Sprühen zu einer Art Tanz wird", sagt Till. Auch unterscheide er nicht wirklich zwischen Graffiti und anderen Kunstformen. "Es gibt bestimmte Zugänge zur Kunst. Entweder findet man einen für sich oder eben nicht." Auch zwischen großen Projekten wie diesem hier an der Brudermühlbrücke und kleinen Sprühereien, die man zum Beispiel an U-Bahnhöfen finden kann, würde er nicht unbedingt unterscheiden. "Kunst ist dann gut, wenn Leute das umsetzten, was sie sich wünschen."

Gemeinsam kreativ sein oder einfach abhängen: Das soll für Jugendliche wohl von 2025 an im Jugendzentrum in Sendling-Westpark möglich sein (Symbolfoto). (Foto: Leonhard Simon)

Zwei der diesjährigen Bilder sind bereits fertig: Eines mutet abstrakt bis surrealistisch an. Auf dem anderen prangen, neben Händen, um die sich Blumen schlingen, neun Namen. Darunter das Datum 22.07.2016. In Kooperation mit der Initiative München erinnern! wurde der Pfeiler den Opfern des Anschlags am Olympia-Einkaufszentrum gewidmet. In den Medien sei der Anschlag nicht ausdrücklich genug als rechtsterroristisch bezeichnet worden, sagt Kuratorin Laura Simon. Daher wolle man die eigene Plattform nutzen, um darauf aufmerksam zu machen und der Opfer zu gedenken.

An die fertiggestellten Wände sollen noch QR-Codes angebracht werden, die einem Informationen zu dem jeweiligen Werk, den Künstlern und dem Titel geben. Bis Ende Oktober wird hier noch weiter gesprüht. Die Bilder, die gerade entstehen, kann man in der Freiluftgalerie bewundern, bis sie im Sommer nächsten Jahres wieder mit anderen Motiven übermalt werden - ein endloser Zyklus.

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