Gern:Gartenfreunde fühlen sich "im Stich gelassen"

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Marion Zierer, Sandra Frey und Richard Schildberger (von links) sollen das Gelände bis zum Jahresende geräumt haben. (Foto: Florian Peljak)

Im Concordia-Park wurde den Kleingärtnern und der Wirtin ein seit 1924 bestehender Pachtvertrag gekündigt. Der Freistaat will dort bauen, doch der Widerstand reicht bis ins Rathaus - obwohl es um bezahlbare Wohnungen geht.

Von Ellen Draxel

Eine Stichstraße führt von der lauten Landshuter Allee direkt in die Ruhe-Oase. Keine hundert Meter sind es, dann steht man im Taxispark vor dem Gerner Wirtshaus "Wally", einer Gaststätte mit 120 Plätzen innen und 580 im Freien unter majestätischen Kastanien- und Ahornbäumen. Dazwischen liegt eine Kleingartenanlage, 38 Parzellen, angelegt bereits im Jahr 1924. Ob es die grüne Idylle und das Lokal im Januar noch geben wird, wissen im Moment allerdings weder die Kleingärtner noch Wirtin Marion Zierer. Ihnen wurde gekündigt, bis Ende des Jahres müssen die Gärten nach derzeitigem Stand geräumt und die Gaststätte zurückgebaut sein. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", sagen Zierer und die Vorstände der im Juli neu gegründeten Gartenfreunde Gern, Sandra Frey und Richard Schildberger.

Adressat der Kritik ist der Männergesangverein Concordia (MGV), der das Gelände von der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung respektive dem Freistaat Bayern als Eigentümer gepachtet und es an die Kleingärtner weitervermietet hat. Die Krux an der Sache: Der MGV hat sich im Juni aufgelöst - und in der Satzung steht, dass für diesen Fall das gesamte Areal innerhalb von sechs Monaten zu räumen ist. "Deshalb sind die Gartler jetzt supernervös", weiß Sandra Frey. Und auch die Wirtin bangt, schließlich geht es bei ihr um Existenzen. "Ich habe zehn Angestellte, alle mit Familie, die verlassen sich auf mich." Der Männergesangverein, so der Vorwurf der Kleingärtner, habe sich bewusst aufgelöst, um sich aller Verpflichtungen zu entledigen.

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Anwalt Werner Wachter, der den MGV rechtlich vertritt, betont hingegen, zu der Vereinsauflösung habe es keine Alternative gegeben. "Sie war zwingend, weil sich kein Vorstand mehr gefunden hat." Viele Mitglieder des Männergesangvereins seien über 80, "die können das nicht mehr". Wachter sieht die Verantwortung aber auch beim Freistaat. Denn der habe den MGV "ausgeblutet" - mit immer höheren Pachtforderungen. Waren es Ende 1979 noch 613,55 Euro jährlich, habe die Mindestpacht zuletzt 20 000 Euro betragen - das entspricht einer Steigerung um mehr als 3000 Prozent. Eine Berechnung, welche die Schlösser- und Seenverwaltung so nicht bestätigt. Man gebe "keine Einzelheiten zur konkreten Pachthöhe" heraus, sagt Sprecherin Ines Holzmüller und verweist lediglich auf Anpassungen und die bei Pachtgaststätten der Schlösserverwaltung "übliche Vorgehensweise".

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Dass dem Freistaat das Gelände jedenfalls viel wert ist, zeigt sich an seinen Nutzungsabsichten. Denn für das Land ist die Fläche möglicher Baugrund. "Wenn durch die Kündigung des Pachtvertrags die auf dem Grundstück etablierten Nutzungen wegfallen, besteht grundsätzlich Interesse des Freistaats, mit seinen staatlichen Wohnungsbaugesellschaften, zumindest auf einer Teilfläche des Grundstücks, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", heißt es auf SZ-Anfrage aus dem Bauministerium. Konkrete Planungen gebe es jedoch noch nicht, zunächst müsse man mit der Stadt reden. "Bis zum Abschluss der baurechtlichen Abklärungen besteht aber grundsätzlich die Bereitschaft, das Grundstück interimsweise zu nutzen", ergänzt eine Sprecherin des Finanzministeriums.

Petition hat bereits 1700 Unterstützer

Jürgen Roese, Chef der Schloss- und Gartenverwaltung Nymphenburg, hat Sandra Frey zugesichert, sich deshalb "zeitnah" bei ihr zu melden. Und die Politik? Die Grünen und die SPD im Stadtrat machen sich für einen dauerhaften Erhalt des Grünzugs und der Kleingartenanlage im schon jetzt dicht bebauten München stark: In einem Antrag fordern sie die Stadtverwaltung auf, "alle Grünflächen im Bereich des Taxisparks zu sichern". Außerdem wird Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gebeten, an den Freistaat Bayern heranzutreten mit der Bitte, kurzfristig neue Verträge mit den Gartenfreunden Gern abzuschließen und nötige Rückbauten auf den Grundstücken auszusetzen beziehungsweise zeitlich nach hinten zu verschieben.

Ähnlich argumentiert man im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, dessen Chefin Anna Hanusch zugleich die Grünen im Stadtrat vertritt. Die Lokalpolitiker wollen einen runden Tisch mit allen Beteiligten einberufen, um schnell zu einer Lösung zu kommen. "Jetzt pressiert's, deshalb fangen wir gar nicht erst mit Briefeschreiben an", erklärte Gudrun Piesczek (CSU) in der jüngsten Sitzung des Stadtteilgremiums. Es gebe auch außer der vertraglichen Bindung "überhaupt keinen Grund, die Kleingärten aufzulösen, denn es passiert ja danach erstmal nichts".

Im Flächennutzungsplan ist das Grundstück an der Landshuter Allee 165 als Grünfläche und Kleingartenanlage ausgewiesen, Baurecht ist aktuell keines gegeben. Um dort Wohnhäuser errichten zu können, müssten daher die planungsrechtlichen Grundlagen geändert und für eventuelle Baupläne eine Genehmigung durch die Lokalbaukommission eingeholt werden. Das aber macht nur Sinn, sofern die Kommune eine Bebauung auch befürwortet, denn ihr obliegt die Planungshoheit.

Für die Wally-Wirtin und die Kleingarten-Pächter jedenfalls, stellt Marion Zierer klar, ist "aufgeben keine Option". Zierer, Frey und Schildberger haben am 16. Oktober eine Petition an den Freistaat unter dem Motto "Rettet mit uns den Concordia Park - Kampf um die grüne Oase in Gern" gestartet. Mehr als 1700 Unterstützer, davon allein mehr als 1300 Münchner, haben bereits unterschrieben. "Dass die Kleingärtner und Zierer gerne bleiben würden, "langfristig, nicht bloß für zwei Jahre", haben sie den Freistaat und die Schlösser- und Seenverwaltung ebenfalls bereits wissen lassen.

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