Am Ende fließen dann doch ein paar Tränen - solche des Glücks natürlich, denn Loice O. (Schutzname) darf in Deutschland bleiben. Das hat sich die 41-jährige Frau aus Uganda am Montag vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) erstritten. Obwohl: Eigentlich hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eingelenkt, verwehrt Loice O. nun nicht mehr die Anerkennung als Flüchtling. Und deshalb musste der 9. Senat des VGH nach fast zweistündiger Verhandlung auch kein Urteil sprechen.
Loice O. ist 2011 nach Deutschland gekommen und hat Asyl beantragt: Sie ist lesbisch, und das kann in ihrem afrikanischen Heimatland lebensgefährlich werden. Immer wieder werden Homosexuelle willkürlich festgenommen, immer wieder fordern Politiker und religiöse Führer die Todesstrafe. Loice O.s Kiosk, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestritt, ging in Flammen auf, Steckbriefe mit ihrem Foto hingen in der Nachbarschaft an den Wänden.
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Das alles reichte in Deutschland aber noch lange nicht zur Anerkennung als Verfolgte - ihr Asylantrag wurde abgelehnt, die Klage dagegen vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Nun aber, in der Berufung vor dem VGH, hat sich das Blatt gewendet. Das freut nicht nur die Klägerin und ihren Rechtsanwalt - sondern auch die Freundinnen von der Lesben-Beratung Letra, die zahlreich zur Verhandlung gekommen sind und vorher an der Ludwigsstraße demonstriert hatten.
An die 100 lesbische Frauen in unterschiedlichen Stadien des Asylverfahrens begleitet Letra - das Verfahren von Loice O. sollte zum Präzedenzfall auch für andere Prozesse werden. Das Engagement der Klägerin bei Letra bringt ihr schon mal einen Pluspunkt: Daran, dass sie tatsächlich lesbisch ist, hat das Gericht keinen Zweifel. Bei der Bedrohung in ihrem Heimatland liegt die Sache allerdings schwieriger.
Es sei eine Befreiung, sagt Loice O., offen mit ihrer Freundin auftreten zu können
Denn es reicht nicht, dass das ugandische Strafgesetzbuch tatsächlich Strafen für homosexuelle Handlungen androht. Es reicht nicht, dass Übergriffe auf Homosexuelle durch journalistische Arbeit und durch NGOs belegt sind. Es müsste bestätigt sein, dass die Paragrafen des Gesetzes auch vollzogen werden, also dass Homosexuelle verurteilt werden. Und dass Loice O. persönlich Gefahr droht, wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren müsste.
Sie erzählt, welche Befreiung es für sie ist, in Deutschland offen mit ihrer Freundin auftreten zu können, "ohne dass ich verprügelt oder verbrannt werde". Dass sie bei Letra so etwas wie eine Familie gefunden hat. Dass sie nicht mehr bereit sei, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen: "Man kann sich vielleicht zwei Wochen verstellen oder einen Monat. Aber nicht ein ganzes Leben lang."
An diesem Punkt der Verhandlung zieht der Vertreter des Bamf die Reißleine - weil er sieht, wohin ein Urteil führen würde? Er erklärt, dass der Bescheid über den Asylantrag aufgehoben und abgeändert wird - Loice O. wird als Flüchtling anerkannt, woraufhin ihr Anwalt die Klage für erledigt erklärt. Das zweite Ziel hat Letra damit allerdings nicht erreicht: Ein Urteil zu bekommen, in dem steht, dass homosexuelle Männer und Frauen in Uganda verfolgt werden, auf das sich andere hätten berufen können. In diesem Moment trübt das die Freude aber nicht. Ob sie denn heute feiern wird, wird Loice O. gefragt. "I think so", antwortet sie.