SZ-Adventskalender:Ein Job und ein Fahrrad, das wäre schön

Lesezeit: 2 min

Rafi R. spricht vier Sprachen, hat eine kaufmännische Ausbildung und wohnt jetzt mit seiner Frau und den Kindern in einer Gemeinschaftsunterkunft. Er hofft auf eine zweite Chance. (Foto: Robert Haas)

Rafi R. floh als Minderjähriger aus Afghanistan, schaffte in München seine Ausbildung, kehrte zurück. Dann kamen die Taliban. Jetzt ist er mit Frau und Kindern wieder hier - und fängt von vorne an.

Von Thomas Anlauf, München

Er hatte es schon einmal geschafft: die gefährliche Flucht aus dem Krieg in das ferne unbekannte Land. Rafi R. war schwer krank, er konnte kaum laufen und die Hände nur mühsam bewegen, trotzdem ging er fort aus Afghanistan, allein. Vor elf Jahren kam er in Deutschland an, damals war er noch minderjährig. Sein Körper war gezeichnet von den Folgen einer zwei Wochen langen Entführung, die er als kleines Kind erfahren hatte.

Nun war er endlich in München, Ärzte kümmerten sich um den geschundenen jungen Körper, jahrelang musste Rafi R. immer wieder operiert werden. Wenn er nicht in die Schule ging und lernte, war der junge Rafi im Krankenhaus und litt Schmerzen. "Es war eine richtig harte Zeit", sagt er heute. Doch er absolvierte die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, arbeitete trotz der Schmerzen in einer Supermarktfiliale im Münchner Vorort Gauting. Rafi R. hatte zu diesem Zeitpunkt längst einen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Doch dann, 2015, beschloss er, wieder nach Afghanistan zu gehen.

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"Mein Vater und meine Mutter waren dort allein, meine Eltern brauchten mich doch", erzählt Rafi R. Alle seine Geschwister hatten mittlerweile das vom jahrzehntelangen Krieg geschundene Land verlassen und waren wie er nach Deutschland geflohen. Aber Rafi R. beschloss, alles was er sich schon alleine aufgebaut hatte, aufzugeben und zurückzugehen nach Masar-i-Scharif, wo er aufgewachsen war. Er fand eine gute Anstellung bei der Bundeswehr, die dort stationiert war.

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Von Thomas Anlauf

"Es war eine gute Zeit damals, ich habe im Team gearbeitet und war die Brücke zwischen Deutschen und Afghanen", sagt er. Trotzdem wurde er 2019 nicht mehr gebraucht. Rafi R. machte sich selbständig, begann neben seinem Job eine IT-Ausbildung und studierte auch noch Politik. Er wollte als Dozent an der Universität arbeiten. Das neue Leben ließ sich zunächst gut an in seiner alten Heimat. Er lernte schließlich seine heutige Frau kennen, die zwei Buben aus ihrer Ehe sind nun drei und fünf Jahre alt. Als jedoch die Taliban in diesem Sommer Afghanistan regelrecht überrollten, sah er keine andere Möglichkeit, als mit seiner Familie wieder zu fliehen, in letztem Moment, bevor das Taliban-Regime Kabul einnahm. Sechs Jahre nach seiner Rückkehr landete er nun wieder in München.

Diese Odyssee hat für den 25-Jährigen hoffentlich bald ein Ende. Die Familie hat zwar Visa, bislang müssen die vier aber in einer streng bewachten Gemeinschaftsunterkunft leben. Jedes Stockwerk ist von außen abgesperrt, die Kinder kommen kaum aus dem Haus, draußen ist ein tristes Gewerbegebiet. Rafi R. sitzt auf einem Bett in einem der zwei karg eingerichteten Zimmer. In der Ecke stehen graue Wäschespinde, es gibt nur eine Gemeinschaftsküche. Er möchte natürlich so schnell wie möglich raus und seiner Familie eine eigene kleine Wohnung bieten.

Er braucht dringend ein Fahrrad mit Anhänger, um für die Familie einzukaufen. Seit dem Sommer sucht er bereits nach einem Ausbildungsplatz in der IT-Branche oder einen Beruf, in dem er in einem Team arbeiten kann. Kenntnisse hat er genug: Er spricht nicht nur Deutsch und Englisch, sondern auch Usbekisch und Persisch. "Deutschland hat so viele Möglichkeiten", sagt Rafi R. "Ich möchte meine Fähigkeiten nutzen und helfen, wo ich kann."

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