Luxus-Hotel:Abschied von der Tenne

Lesezeit: 3 min

Das Hotel "Zur Tenne" in Kitzbühel. (Foto: Imago)

Wintertreffpunkt und Kitzbüheler Außenstelle: Innegrit Volkhardt, die Chefin des Bayerischen Hofs, verkauft dessen österreichisches Schwesterhotel.

Von Philipp Crone

Und was passiert jetzt mit den Schuppen? 31 Jahre lang, bis 2017, gab es wahrscheinlich keine berühmteren Karpfenschuppen als die beim Neujahrsempfang von Franz Beckenbauer im Hotel "Zur Tenne" von Kitzbühel. Der Kaiser lud zum Karpfen, die Nebendarsteller aus den Klatschmagazinen kamen genauso wie die Wintersaisonbewohner aus den Chefetagen der großen deutschen Unternehmen. Kurz rüber vom Chalet oder runter vom Hotelzimmer, rein in die Tenne, wo es für Fischfreunde Karpfen und für Fischfremdelnde Schnitzel gab. Aber alle bekamen am Ende eine selbst gepflückte Karpfenschuppe, gereinigt und in Silberpapier verpackt, die dann in den Geldbeutel wanderte, um dort, so die Sage, darauf aufzupassen, dass in selbigem auch das kommende Jahr ausreichend Geld zugegen ist.

Innegrit Volkhardt, 56, Chefin im Hotel Bayerischer Hof und "Zur Tenne", hat an diesem Donnerstag vermeldet, dass das Hotel "Zur Tenne" verkauft werden soll. Und in diesen Zeiten und in dieser Branche kommt man nicht umhin, solche Entwicklungen mit wirkungslosen Karpfenschuppen in Verbindung zu bringen. Dabei hat das Hotel in Kitzbühel alle in München am Promenadeplatz über Jahrzehnte funktionierenden Spielregeln der Luxus-Hotelbranche eingehalten. Was ist passiert? Und was passiert mit den Karpfen?

Innegrit Volkhardt, 56, übernahm den Bayerischen Hof und die Tenne 1995 von ihrem Vater Falk Volkhardt, in fünfter Generation. Sie ist geschäftsführende Eigentümerin. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Es ist uns nicht leicht gefallen, das Hotel zum Verkauf zu stellen", sagt Volkhardt. Es gehörte mehr als 50 Jahre zur Familie, zur Volkhardt-Familie. Volkhardts Vater Falk erwarb es 1969. Er etablierte nicht nur das ehemals königliche Hotel am Promenadeplatz nach dem Krieg als Treffpunkt für sämtliche Münchner und bald auch weltweit bekannte Größen, er investierte auch in eine Außenstelle. Die Tenne, ein kleines Hotel in einem kleinen Ort mit fast ausschließlich Bewohnern mit keinem kleinen Geldbeutel. Die Erfolgsprinzipien funktionierten auch dort wunderbar: Bau immer wieder um und aus und neu. Und lade Gäste ein, werde und bleibe Treffpunkt. Als Innegrit Volkhardt die Häuser 1994 übernahm, ließ sie Stararchitekten Erneuerungen planen, Restaurant, Banketträume, Wellnessbereich. Zuletzt wurde in der Tenne ein Wintergarten eingeweiht.

Gleichzeitig traf man sich in der Tenne, wobei selbst für ein anerkanntes Super-VIP-erfahrenes Haus wie den Bayerischen Hof, bei denen von Michael Jackson bis zur Queen schon alle abgestiegen sind, ist ein Gastgeber à la Beckenbauer hilfreich. Und dann kam den Betreibern noch eine gerade in München sehr ausgeprägte Eigenschaft entgegen: Man möchte schon immer mal wieder was Neues erleben, aber gerne verbunden mit dem Anker des Gewohnten.

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Und nachdem Kitzbühel längst Winter-Dependance vieler SUV-Münchner geworden war, den Karpfen unter den Autos, lief das Haus als Außenstelle. Die Terminkalender waren voll für die Ehrengäste aus den Boulevardmagazinen, zwischen Ski-Rennen und Stanglwirt-Party war immer Zeit, in der Tenne vorbeizuschauen, wer denn da gerade noch so war oder welche Party hier gerade lief. Wie auch im Bayerischen Hof war die Tenne eine Art Bunte live: Statt aufschlagen und Promis anschauen musste man stattdessen eben die Tür aufmachen und reinschauen.

Das Stammhaus am Promenadeplatz brummte bis zur Pandemie wie eh und je. Was dann geschah, hat Volkhardt mehrfach berichtet. Die Auslastung des Hotels sank auf 10 Prozent, an Ostern dieses Jahr waren genau sieben Gäste da, sagte sie im Spiegel. Volkhardt, eine eloquente und raffinierte Gastgeberin, die es geschafft hat, jederzeit inhaltlich spannend zu erzählen, ohne irgendjemandem zu nahe zu treten, trat der Politik für ihre Verhältnisse richtig auf die Füße. Verlangte Erklärungen, sprach von einer Ohrfeige für die Branche.

Nun kam vor einiger Zeit die Hoteliersfamilie Dohle auf Volkhardt zu, die in Kitzbühel suchte. Volkhardt beriet sich, mit ihrer Mutter, ihrer Schwester, und am Ende entschied man sich zu einem "Akt der Vernunft", wie Volkhardt am Donnerstagmittag am Telefon sagt. "Die Entscheidung hat keinerlei wirtschaftliche Gründe gehabt", sagt sie. Aber man habe sich schon überlegt, dass die Herausforderungen der Zukunft in der Branche nicht weniger werden würden und sie nun alle Energie auf das Haus in München legen wolle. Sie hat sich am Mittag gerade mit den neuen Eigentümern getroffen und ist jetzt vor allem "traurig", 30 Jahre lang war sie im Winter jedes Wochenende hier, jetzt sind es noch drei Monate, am 1. Dezember übernimmt die Familie Dohle. Und die Karpfen mit ihren Schuppen? "Die gibt es dann im Januar im Bayerischen Hof!"

© SZ vom 10.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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