Verkehr in München:"Es muss nicht immer eine Fußgängerzone sein"

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Umweltingenieur Tobias Steurer, 31, arbeitet im Mobilitätsreferat der Stadt München. Dort ist er zuständig für Verkehrsplanung in der City sowie die Projekte Altstadt-Radlring und autofreie Altstadt. (Foto: Robert Haas)

Weniger Autos, mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer: Tobias Steurer vom Mobilitätsreferat arbeitet daran, wie die Altstadt in Zukunft attraktiver werden kann.

Interview von Catherine Hoffmann

SZ: Herr Steurer, ist die Münchner Fußgängerzone noch auf der Höhe der Zeit?

Tobias Steurer: München muss sich mit seiner Fußgängerzone auch nach 50 Jahren nicht verstecken. Sie ist eine der größten in Europa und entwickelt sich weiter. Wir haben den Auftrag, über die Fußgängerzone hinauszudenken in eine autoreduzierte Altstadt.

Wie wird der Stadtkern attraktiver?

Die Ansprüche sind im Vergleich zu dem beschränkten Raum riesig: bessere Aufenthaltsqualität, konsumfreie Zonen, Denkmalschutz, Klimaanpassung, mehr Raum für Fußgänger, aber gerade morgens gibt es dort auch einen enormen Lieferverkehr. Das alles muss man gegeneinander abwägen, Abschnitt für Abschnitt. Das Ergebnis wird im Einzelfall anders aussehen als in der Vergangenheit. Aber es muss nicht immer eine Fußgängerzone sein.

Was meinen Sie damit?

Wir müssen größer denken: Die Fußgängerzone verbindet Räume und greift historische Strukturen auf. Sie hat viele angrenzende Passagen wie die "Fünf Höfe", die Theatinerpassage oder die Hofstatt. Sie sollen die Menschen auch in die versteckten Lagen führen, damit sich der Strom der Passanten nicht auf wenige Trassen konzentriert.

Nicht alle Verbindungen sind geglückt: Das Kaufingertor führt auf einen wenig reizvollen Hinterhof. Wie lange bleibt der Georg-Kronawitter-Platz noch Parkplatz?

Wir wollen diesen Ort aufwerten und eine Fußgängerzone schaffen - mit mehr Grün als heute. So entsteht eine Verknüpfung von der Kaufingerstraße zur Hofstatt und Sendlinger Straße. Dafür sind zuvor noch mehrere Stadtratsbeschlüsse nötig.

Die Sendlinger Straße wurde ja schon zur Fußgängerzone umgewidmet. Sehen Sie noch andere Möglichkeiten?

Gerade wird der Frauenplatz neu gestaltet und in die Löwengrube ausgeweitet. Darüber hinaus gibt es viele Wünsche aus Politik und Bürgerschaft: Max-Joseph-Platz, Maximilianstraße, Tal, Herzog-Wilhelm-Straße, Pranner-, Westenrieder- und Hildegardstraße. Ob das alles Fußgängerzonen werden, wissen wir noch nicht. Wir reden heute ja weniger über Fußgängerzonen und mehr über das Thema Aufwertung, was dann auch mit einer Verkehrsreduktion und Neugestaltung des Straßenraums Hand in Hand geht.

Meinen Sie einen "Shared Space", den sich Fuß-, Rad- und Autoverkehr gleichberechtigt teilen?

Im Grunde ja. Aber das Verkehrsrecht setzt uns Grenzen. In Deutschland gibt es keinen Shared Space oder wie in Italien temporäre Fußgängerzonen. Wir können in Deutschland leider nicht so einfach neue Ideen ausprobieren, die wir in anderen Ländern sehen.

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Was ist Ihre Alternative?

Das sind verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche. Der Unterschied zum "Shared Space" ist, dass der Autoverkehr bei diesem Instrument immer noch Vorrang vor den Fußgängern hat. Das prominenteste Beispiel dafür sind die Straßen um den Pasinger Marienplatz.

Was spricht dagegen, dass sich alle Verkehrsteilnehmer den Raum teilen und aufeinander Rücksicht nehmen?

Das funktioniert nur, wenn Fußgänger einen guten Überblick über den Verkehr haben. Wo Stellplätze, etwa für den Lieferverkehr, notwendig sind, wie im Tal, ist die Sichtbarkeit gefährdet. Dann wird es schwierig.

Was hemmt noch den Ausbau?

In der Altstadt ist die Baustelle für die zweite Stammstrecke eine große Einschränkung. Das bedeutet, wir können im Tal oder der Maximilianstraße jetzt nicht so eingreifen, weil es noch Baustellenverkehr gibt.

Wie sieht es jenseits der City aus?

Wünsche, den Verkehr zu beruhigen, gibt es auch in den angrenzenden Vierteln, seien es das Gärtnerplatzviertel, Haidhausen oder das Lehel. Geplant ist auch eine Begrenzung des Kfz-Verkehrs auf dem Altstadtring. Zur Zeit hat dort der Autoverkehr ein sehr großes Gewicht, zugleich gibt es dort großes Potenzial für andere Nutzungen, seien es der Isartorplatz oder die Sonnenstraße.

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