Fürstenried:Ein Funkmasten, eine Straße und jede Menge Ärger

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Der 5G-Mobilfunkmast ist hoch umstritten. (Foto: imago images/Christian Spicker)

Am Silvrettaweg wollen Anwohner den Bau eines 5G-Mobilfunkmastes verhindern. Ihr Protest erinnert teilweise an den Widerstand, der sich schon vor rund 20 Jahren gegen die neue Technologie geregt hat.

Von Gözde Celik und Merle Körber, Fürstenried

Der Konflikt erinnert an einen über Jahre währenden Streit rund um die Jahrtausendwende: Am Silvrettaweg im Münchner Südwesten soll ein neuer 5G-Mobilfunkmast entstehen. Die Anwohner wollen den Bau des 35 Meter hohen Mastes vor ihren Balkonen und Gärten um jeden Preis verhindern, die Mobilfunkanbieter sehen hingegen keinen anderen möglichen Standort für das Projekt. Die Technologie, um die es geht, ist noch recht neu. Die Positionen sind indes dieselben wie schon vor knapp 20 Jahren.

Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat das Bauvorhaben der Deutschen Funkturm GmbH bereits genehmigt. Dieser Infrastrukturdienstleister kümmert sich von der Suche nach einem geeigneten Standort über die Planung bis hin zum Bau und der Bewirtschaftung um solche Masten. Für Anwohnerin Iris Wollner ist die Standortentscheidung unbegreiflich. "Es gibt zahlreiche andere Plätze für den Bau des Masts", findet sie. Der Silvrettaweg in Fürstenried mit seinen vielen Anwohnern, spielenden Kindern und Joggingstrecken sei völlig ungeeignet für das Vorhaben. Wieso das Bauprojekt ausgerechnet dort entstehen soll, ist für sie ein Rätsel.

Unerwünscht: Am Silvrettaweg lehnen Anwohner den Bau strikt ab. (Foto: Privat)

Auch 2002 hatten Anwohner und Mobilfunkbetreiber bereits über Standorte neuer Antennen gestritten. Damals ging es etwa um den Bau einer UMTS-Antenne auf dem Dach eines Hotels an der Fasangartenstraße. UMTS steht dabei für Universal Mobile Telecommunications System, die inzwischen schon wieder überholte dritte Generation des Mobilfunkstandards (3G). MobilCom brauche doch nur ein paar Meter weiter in Richtung Osten zu gehen, da sei ein freies Feld, schlug damals eine Anwohnerin vor.

Auch Iris Wollner weiß einen Ort, der ihrer Meinung nach besser für den 5G-Mast geeignet ist: auf der anderen Seite der Autobahn beim Schloss Fürstenried. Die Stadt hat diesen Vorschlag jedoch aus Gründen des Denkmalschutzes abgelehnt. Die historische Sichtachse zwischen dem Schloss und der Frauenkirche solle nicht gestört werden. Ein weiteres Ziel, das die Landeshauptstadt mit der Wahl dieses Standortes verfolgt, ist, Funklöcher an der Autobahn München-Starnberg zu schließen. Besonders für Navigationsgeräte in Autos sei ein lückenloses Netz an dieser Stelle wichtig. Für Iris Wollner ist völlig klar: "Menschenschutz sollte vor Denkmalschutz gehen." Der Einspruch der Erzdiözese München zähle wohl einfach mehr als der der Anwohner, vermutet sie. Von der Politik fühlt sich Iris Wollner alleingelassen. Zu Gesprächen mit ihr und ihren Nachbarn sei kaum jemand bereit, die Antwortbriefe mit allgemeinen Stellungnahmen empfindet sie als Abspeisung.

Vor einigen Jahren hatte der Umgang mit Anwohnern noch anders ausgesehen. 2005 versucht der damalige Referent für Mobilfunk und Umwelt beim Netzbetreiber O₂ und später bei der Telekom ein ums andere Mal, in mitunter aufgeheizten Diskussionsrunden den Anwohnern ihre Angst zu nehmen. Er müht sich, aufzuklären und zu beruhigen. So erklärte er auch 2005 bei einer Gesprächsrunde vor rund 450 Zuschauern, wie die Grenzwerte für Strahlung in Deutschland zustande kommen und dass ein Sicherheitsfaktor Variablen wie Alter und Gesundheitszustand ausgleiche.

Auch heute sind sich das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) einig, dass der Mobilfunk keine Gesundheitsrisiken birgt. Beruhigt ist Iris Wollner dennoch nicht: "Meiner Meinung nach ist die 5G-Strahlung noch nicht zur Genüge erforscht." Nicht zuletzt befürchtet die Fürstenriederin eine Wertminderung der um den Mast befindlichen Häuser. Ein solcher Mast sei, davon abgesehen, ästhetisch eine Zumutung.

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Ähnliche Ängste hatten eine Freimanner Anwohnerin auch im März 2002 geplagt. Die dreifache Mutter versuchte aus ihrer Wohnung auszuziehen, nachdem vor dem Kinderzimmer eine Mobilfunkantenne installiert wurde. "Wir haben uns bei einem Makler erkundigt, der nimmt unsere Wohnung wegen der Antenne gar nicht erst ins Programm auf", sagte sie damals.

Cornelius Mager, Chef der Lokalbaukommission, macht im Jahr 2020 hingegen auf eine ganz andere Perspektive aufmerksam. Man müsse einen Mast in der Nachbarschaft nicht als wertmindernd betrachten. Ein gutes Handy-Netz sei vielmehr ein wertvoller Standortfaktor, findet er. "Die Menschen in der Stadt leben von Hightech-Berufen", sagt Mager. Besonders in Zeiten von Corona, mit der Arbeit von zu Hause und dem Schulunterricht im eigenen Wohnzimmer, sei schnelle und sichere Datenübertragung so gefragt wie selten zuvor. Mager findet, der Mobilfunkausbau in München sei dringend nötig. Auch ein Beschluss des Referats für Arbeit und Wirtschaft vom Juli zeigt: Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt nutzt die Stadt deutlich weniger Flächen und Gebäude für Mobilsendeanlagen. Während in anderen Städten bis zu zehn Prozent der öffentlichen Liegenschaften so verwendet werden, liegt die Quote in München bei zwei bis drei Prozent.

Dass jedoch bei diesem Ausbau die Argumente der Anwohner nicht stärker berücksichtigt werden, schockiert viele Mobilfunkgegner - heute wie schon vor zwei Jahrzehnten. Besorgt um ihre Kinder hat die Mutter aus Freimann 2002 zu drastischen Mitteln gegriffen: Die Außenseiten ihrer Gardinen beklebt sie mit Aluminium-Backfolie, zieht sie zu und nimmt sogar das Dämmerlicht in Kauf, um Strahlen fernzuhalten. Ganz so rigoros geht Iris Wollner gegen das aktuelle Bauvorhaben am Silvrettaweg nicht vor. Dafür hat sie ihre Nachbarn mobilisiert und eine Unterschriftenliste mit rund 150 Namen gesammelt. Stoppen können wird sie das Vorhaben vermutlich dennoch nicht.

Wieso es jetzt mit der Einführung von 5G erneut zu Protesten kommt, erklärt Cornelius Mager mit mangelnden Gesprächen zwischen Anwohnern und Stadt: "Das Beispiel Silvrettaweg zeigt, dass es der Kommunikation bedarf." Auch das Referat für Arbeit und Wirtschaft räumt Versäumnisse ein. Relevante Informationen seien für die Bürger nur schwer zugänglich und sachgemäß einzuordnen. Im Beschluss vom Juli heißt es: "Hier ist die Landeshauptstadt München gefordert, für die Stadtbevölkerung einen direkten Kommunikationskanal aufzubauen." Die Stadt will künftig im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit "München digital" technische, gesundheits- und umweltbezogene Informationen bündeln, um weiteren Protesten vorzubeugen.

Für Iris Wollner jedoch ist ein einfacherer Zugang zu Informationen über die neue Technologie nicht ihr größtes Anliegen. Sie wünscht sich, dass Anwohner bei solchen Bauvorhaben tatsächlich gehört werden. Ihre Hoffnungen, dass sich tatsächlich etwas ändert, sind aber gering: "Wir haben nichts mehr von der Stadt gehört", berichtet sie. "Eines Tages wird hier vermutlich einfach mit dem Bau begonnen."

© SZ vom 21.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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