Und plötzlich ging alles ganz schnell: Kaum ist mit Verena Reithmann (UBI) in Icking eine neue Bürgermeisterin in Amt und Würden, scheint ein Schlussstrich gezogen unter einem dauerbrennenden Problem: der Mobilfunk und die Standortfrage für die Masten. Seit mehr als 20Jahren beschäftigt und spaltet das Thema die Isartalkommune - genauso lange schon bemüht sich die Gemeinde um Lösungen. In der jüngsten Ratssitzung Ende Juli stand dann aber unter anderem die Vorstellung eines Vorsorgekonzepts für Mobilfunkstandorte zwischen Irschenhausen und Schlederloh auf der Tagesordnung, ebenso wie die Ausweisung einer "Fläche für einen Mobilfunkstandort für Vodafone auf der Konzentrationsfläche des Teilflächennutzungsplans". Einstimmig votierten schließlich die Gemeinderäte dafür, drei mögliche Standorte weiterzuverfolgen: Das durch einen Teilflächennutzungsplan geregelte gemeindeeigene Grundstück am Sportplatz, ein Areal an der S-Bahnlinie zwischen Spatzen- und Schlederloh und - neu - einen Standort an der Wadlhauser Straße, nördlich des Schulzentrums. Dort soll nun ein etwa 50 Meter hoher Sendemast die Versorgung der Kommune, insbesondere aber der S-Bahnstrecke Icking-Ebenhausen sowie des Ortsteils Irschenhausen sicherstellen.
Ist mit dem Beschluss nun der gordische Knoten zerschlagen? "Nein", sagt Bürgermeisterin Reithmann dazu ganz klar. Denn die Interessen beim Mobilfunk seien "so widerstreitend, dass jeder Kompromiss, und ein solcher ist der Beschluss auf jeden Fall, für manche immer ein fauler sein wird". Weil es beim Mobilfunk keinen goldenen Weg gebe, der alle glücklich mache, würden sich viele Kommunen entschließen, gar nichts zu tun und abzuwarten. "Aber wir haben uns dazu entschieden, es zu steuern, damit der Standort wenigstens optimiert ist." Den Mobilfunkbetreibern also nicht komplett freie Hand bei der Standortwahl zu lassen, wozu sie als privilegierte Unternehmen berechtigt wären, sondern ihnen Plätze anzubieten, die zuvor auf ihre maximale Verträglichkeit geprüft wurden, war und bleibt Ickings Weg. Durch den Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G kocht das Thema aber gerade neu hoch, zumal die Betreiber sich derzeit neu auf Standortsuche begeben. So auch in Icking, wo die Gemeinde unter anderem mit Suchkreisanfragen eines Mobilfunkkonzerns konfrontiert ist, um die Bahnstrecke mit 5G zu versorgen.
Der Gemeinderat hatte deshalb im Dezember 2019 beschlossen, dass ein Gutachter das Gebiet von Schlederloh bis Schützenried erneut untersuchen solle, damit das bis dato bestehende Mobilfunkkonzept der Kommune eventuell angepasst werden könne. "Es wurden verschiedenste Standortalternativen nicht nur östlich der B 11, sondern auch im Nordwesten von Icking untersucht", hatte die Bürgermeisterin noch vor der betreffenden Sitzung verlautbaren lassen. Die Untersuchungen und Überlegungen hierzu stellte Hans Ulrich von der Firma Funktechanalyse dann in der Juli-Gemeinderatssitzung vor. "Ein Ergebnis des Planers war, dass es wohl nicht gelingen wird, den Bedarf der Mobilfunkbetreiber mit zwei Masten zu bedienen", erklärt Reithmann. Auch wenn die bisherigen Standorte wie jener am Sportplatz "immer noch gut und richtig" seien, es habe eine Ergänzung gebraucht. Und hier kam der Planer auf das Areal an der Wadlhauser Straße hinter dem Schulzentrum, wo eben ein 50-Meter-Mast die Abdeckung gewährleisten könnte.
Die eigentliche Überraschung dabei: Der Standort ist alles andere als neu. Denn schon 2006 stand er schon einmal zur Debatte. Allerdings formierte sich damals massiver Widerstand, insbesondere bei den Eltern der Schulkinder, die den schützenswerten Bereich betonten und zudem um den Ruf der Einrichtung bangten. Doch heute sei die Sachlage eine ganz andere, sagt Reithmann. Damals sei der Standort unter anderem auch deshalb durchgefallen, weil er keine Verbindung zur Bundesstraße 11 gehabt habe und damit den Kernbereich Ickings nicht ausreichend versorgt hätte. Jetzt sei die Anfrage um die Erschließung der S-Bahnlinie zwischen Icking und Ebenhausen sowie den Ortsteil Irschenhausen gekreist - was der hohe Mast gut abdecken könne.
Gut möglich aber, dass sich auch dieses Mal Widerstand formieren wird. Wie Reithmann berichtet, hätten sich bereits einige Bürger bei ihr gemeldet und eine Unterschriftenaktion angekündigt - sieben seien bei ihr persönlich vorstellig geworden, drei hätten ihr geschrieben, mit zweien habe sie telefoniert. Natürlich sei es ein Thema, weil die Schulen nun erstmals durch einen nahen Mast strahlenbelastet würden. "Aber das Gutachten hat sehr geringe Werte ermittelt, sonst wäre der Standort niemals vorgeschlagen worden", sagt die Rathaus-Chefin. Selbst wenn man von den schlechtestmöglichen Parametern ausgehe, so habe der Planer eine deutlich geringere Belastung berechnet als jene, die an der B 11 herrsche.
Überhaupt, die B 11: Die Antennen auf dem Gebäude gegenüber dem Rathaus an der Mittenwalder Straße sind von Beginn an ein Dreh- und Angelpunkt in der Ickinger Mobilfunk-Saga und stehen stets im Zentrum der Kritik. Wann immer in den vergangenen zwei Jahrzehnten das Thema wellenartig aufbrandete - meist in Zusammenhang mit der Auf- oder Umrüstung auf neue Funkstandards -, ging es auch um die Minimierung der Belastung, die von diesen Masten ausging oder noch -geht. Doch allen Protesten zum Trotz: Die Gemeinde hat keine Handhabe, da sich die Antennen auf privatem Grund, beziehungsweise auf einem privaten Dach befinden. Lediglich durch eine Veränderungssperre versucht die Kommune, die Masten nach und nach dem Altenteil zu überlassen, weil sie nicht mehr verändert oder auf den neuesten Stand aufgerüstet werden dürfen, nur ihr Bestand ist geschützt. "Aber wir wollten eben nicht nur abwarten, bis sie irgendwann zu alt sind", sagt Reithmann. Zumal die Mobilfunkbetreiber zur Versorgungsgewährleistung dann eben selbst neue Standorte gesucht hätten. Ergo hat sich die Gemeinde darauf verständigt, in einem Dialogverfahren geeignetere Plätze vorzuschlagen. Im Gespräch mit den Betreibern solle zudem verhindert werden, dass sie Verträge mit Privatpersonen abschließen und die Kommune vor vollendete Tatsachen stellen. Diese Erfahrung nämlich machte die Gemeinde mit den Anlagen an der B 11 - die behalten die Betreiber trotz vorgeschlagener Alternativstandorte bislang bei. In jedem der Gespräche habe die Kommune aber stets darauf gepocht, die Betreiber mögen diese doch bitte abbauen. Allerdings sei die Gemeinde eben kein Vertragspartner, sondern könne lediglich Vorschläge unterbreiten, möglichst verträgliche Fläche auszuweisen, damit alle anderen davon ausgeschlossen werden könnten. Damit sollte die durch die Privilegierung gegebene freie Handhabe für die Betreiber zumindest in eine verträgliche Richtung gelenkt werden. Soweit, so beispielhaft für viele Kommunen.
Doch neben dem überraschend wieder aufgekommenen Standort hinter dem Schulzentrum sticht noch ein weiterer Punkt hervor: Dass Icking nun wahrlich keine Unterversorgung hat, was die Telekommunikation angeht. Denn die Gemeinde hat in einem Leuchtturmprojekt für mehr als sieben Millionen Euro ein eigenes Glasfasernetz aufgebaut. Entschlossen hatte sich die Gemeinde auch deshalb dazu, um auch wirklich jeden Bürger ans schnelle Internet anzubinden. Die Kosten waren entsprechend hoch, schließlich musste jeder Weiler bedacht werden. Nun also flitzen die Daten in Lichtgeschwindigkeit durch die kommunalen Kabel, schneller als in jeder anderen Gemeinde weit und breit. Fast jeder hat das Kabel auch noch bis ins Haus gelegt bekommen. Doch als Alternative für den Ausbau des Mobilfunknetzes scheint das nicht zu taugen - womit man wieder bei den Mobilfunkbetreibern wäre, die die Versorgung ihrer jeweiligen Handykunden gewährleisten wollen, die eben auch mal in der S-Bahn daddeln oder unterwegs riesige Datenpakete verschicken.
Wie gesagt, eine schier unendliche Geschichte. Schon vor der Jahrtausendwende
kämpfte der damalige Gemeinderat unter Bürgermeister Hubert Guggenmos (UBI) gegen die Antennen an der B 11, doch dem Rathaus waren rechtlich die Hände gebunden. Dazu die Sorge, weitere genehmigungsfreie Antennen auf privaten Dächern könnten die Atmosphäre zusätzlich vergiften. Eine Bürgerinitiative bat den damaligen Landrat Manfred Nagler (CSU) um Hilfe, er möge sich beim damaligen Ministerpräsidenten und Parteikollegen Edmund Stoiber für eine rechtlich bessere Situation einsetzen. Ob die Forderung fruchtete, ist bis heute ungewiss, allerdings kam es in diesen Jahren immerhin zu einer Fortschreibung des sogenannten bayerischen Mobilfunkpakts.
Im April 2001 lotete der Ickinger Gemeinderat seine Möglichkeiten neu aus. Ergebnis: Auf Gebäuden und Grundstücken, die der Gemeinde gehören, soll es keine Mobilfunkantennen geben. Für das südliche Ortsende von Icking einen Bebauungsplan aufzustellen oder Konzentrationsflächen im Flächennutzungsplan auszuweisen, das lehnte der Gemeinderat damals noch ab. Die Begründung: Das Aufstellen eines Bebauungsplanes, um bereits errichtete Sendemasten gleichsam im Nachhinein zu verhindern, sei bei der Tagung des Bayerischen Gemeindetags als aussichtslos apostrophiert worden. Die Gründe: Es entstehe der Verdacht einer Verhinderungsplanung.
Etwa zwei Jahre lang wurde es vermeintlich etwas ruhiger, ehe die Umstellung auf UMTS erneute Proteste und die Kritik der Wertminderung der Immobilien nach sich zog. Wiederum zwei Jahre später, im Februar 2005, forderte der Ickinger Gemeinderat per Petition eine Genehmigungspflicht für Mobilfunksender. Und: Der damals zulässige Grenzwert sollte reduziert werden. Doch bis heute sind Anlagen unter zehn Metern Höhe genehmigungsfrei und können ohne Bauantrag aufgestellt werden. Die Petition, die damals von mehreren Kommunen getragen wurde, blieb ohne Erfolg. Denn die zuständigen Ministerien verwiesen auf die gültige Rechtslage und bestehende Grenzwerte. Icking stand ein heißes Jahr bevor, denn die Familie der damaligen Gemeinderätin Ingrid von Brandt (Grüne), die nahe der B 11-Antennen lebte, klagte über gesundheitliche Probleme - und sie ließ wiederholt Messungen von Medizinern und Gesundheitsexperten durchführen. Brandt stellte zudem den Antrag, die von Mobilfunkmasten, kabellosen Telefonen und Internet-Anschlüssen ausgehende Strahlung an öffentlichen Gebäuden zu messen. Die Gemeinde hatte im Jahr 2001 schon einmal die Belastung durch Mobilfunk an öffentlichen Gebäuden messen lassen. Damals hatte der Baubiologe Joachim Gertenbach im Rathaus im Büro eines Gemeindemitarbeiters eine Strahlung von 1000 Mikrowatt je Quadratmeter festgestellt und empfohlen, Abschirmmaßnahmen vorzunehmen.
Die Forderung nach neuen Messungen kam gleichzeitig mit dem Volksbegehren "Für Gesundheitsvorsorge beim Mobilfunk", das allerdings im Juli 2005 scheiterte. Icking nahm derweil eine sogenannte Vorher-Nachher-Messung an öffentlichen und privaten Gebäuden vor, weil auf der Scheune an der B 11 ein neuer GSM-Sendemast in Betrieb gehen sollte. Das Ergebnis der Strahlungsmessungen führte schließlich zur Suche nach Alternativstandorten. Während Kindergärten und Schulen bei der elektromagnetischen Strahlung unter den Grenzwerten blieben, fielen ausgerechnet das Rathaus und das Haus von Gemeinderätin Ingrid von Brandt durch Spitzenwerte auf.
Dann das Unfassbare: Hubert Guggenmos war schwer erkrankt. Die Hoffnung aller, dass er den Krebs besiegen würde, erfüllte sich nicht. Im April 2006 starb der beliebte Ickinger Bürgermeister. Innerhalb von drei Monaten musste das Amt nachbesetzt werden. Es kristallisiert sich heraus, dass das Thema Mobilfunk bei der anstehenden Wahl eine entscheidende Rolle spielen würde. In einem offenen Brief an die Gemeinderäte bezeichneten einige Bürger die Eindämmung der Strahlenbelastung als "wichtigste Herausforderung in Icking und damit auch einen sehr wesentlichen Prüfstein für die bevorstehende Bürgermeisterwahl". Die Bürger wählten schließlich die vormalige Bauamtsleiterin Margit Menrad (UBI) ins Amt.
Etwas Bewegung in das Mobilfunkthema brachte dann im selben Jahr die neuerliche Fortschreibung des bayerischen Mobilfunkpakts, inzwischen als "II" betitelt, der Gemeinden ein minimales Mitspracherecht verbriefte. Doch auch wenn Icking seither bei den Standorten mitreden konnte, leichter wurde die Suche nach einem - wenn schon nicht idealen, dann immerhin verträglicheren - Standort nicht. Nach langer Diskussion entschieden sich die Räte damals für fünf Punkte, an denen gemessen werden soll, ob eine Antenne dort sinnvoll ist. Demnach soll die Strahlenbelastung nördlich des Sportplatzes, hinter dem Friedhof zwischen Fuchsbichl und Wadlhausen, südlich des Wadlhauser Kreuzes und nahe des Höllgrabens ermittelt werden. Als Vergleichswert dient der bereits bestehende Standort an der B 11. Im Herbst 2006 gab der Bauausschuss dem Entwurf des Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München für eine Konzentrationsfläche Mobilfunk im Flächennutzungsplan sein Plazet - damals mit eben jenem Standort Wadlhauser Straße. Doch der Platz wurde damals wieder verworfen, es folgten abermalige Suchen - bis heute.
Mitte 2007 ging die Isartalkommune dann mit drei Alternativ-Standorten für neue Mobilfunksender in Verhandlungen mit den Betreiber-Firmen. Dazu hat der Gemeinderat eine Auswahl aus 13 Flächen getroffen, die Hans Ulrich vorgeschlagen hatte. Icking wollte den Betreibern die Standorte am Gregoriweg, an der Abzweigung des Dorfener Wegs von der B 11 und im Wald am S-Bahnknie damals schon nur unter der Prämisse anbieten, dass die Mobilfunkkonzerne die Leistung der bestehenden Anlage an der B11 gegenüber des Rathauses deutlich reduzierten.
In den folgenden Jahren folgte Standortsuche auf Standortsuche. 2012 stellte dann die Gemeinde Grundzüge des Teilflächennutzungsplans vor, mit dem sie einen geplanten 20 Meter hohen Mobilfunk-Sendemast südlich des Bauhofs verhindern wollte. Funk-Fachmann Ulrich präsentierte drei Zonen östlich des Dorfkerns, von wo aus Mobilfunksender seiner Ansicht nach das bisherige Gebiet ebenso gut abdecken hätten können und dabei um 80 bis 95 Prozent weniger in die nächstgelegenen Wohnhäuser gestrahlt hätten als von den bisherigen Standorten aus. Doch es sollte bis 2016 dauern, bis es zu einem vorläufigen Durchbruch in Form eines Konsenses kam: Vodafone suchte einen neuen Platz für einen 20 bis 30 Meter hohen Funkmast östlich des Sportplatzgeländes. Nicht nur deckte sich der Bereich mit Ickings Teilflächennutzungsplan Mobilfunk als verträglicher Standort. Die Gemeinderäte und Funk-Experte Ulrich hofften zudem, dass die neue Antenne später auch von allen anderen Betreibern mitgenutzt werden könnte und damit die Strahlenbelastung insgesamt geringer würde.
Nun, da die Betreiber im Zuge des 5G-Ausbaus ihre Suche wieder aktiviert haben, brandete der Protest erneut massiv auf, was von Bannern über Unterschriften bis zu Drohungen auf beiden Seiten reichte. Ob nun mit den neuen Standort-Vorschlägen Ruhe einziehen wird in Icking, das wird erst die Zeit zeigen. Genauso, ob die neue Technologie tatsächlich auch so genutzt werden wird wie erwartet.