Europas größtes Neubauprojekt:Tausende neue Wohnungen: Was in Freiham geplant ist

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Freiham wird weitergebaut - westlich der bestehenden Baustelle (im Bild rechts) wird der Landschaftspark entstehen, nördlich der Baustelle (am unteren Bildrand und darüber hinaus) wird der zweite Realisierungsabschnitt umgesetzt. (Foto: Jonas Nefzger/Landeshauptstadt München im Aufgtrag der MGS)

Zu den 4400 Wohnungen, die bereits im Bau sind, kommen im zweiten Abschnitt noch 6200 dazu, außerdem mehrere Kitas und Schulen - und ein neuer Park soll entstehen. Was die kommenden Jahre in Freiham entstehen soll.

Von Ellen Draxel

Europas größtes Neubauprojekt geht in die zweite Runde. Wer dachte, die am Westrand Münchens derzeit in den Himmel wachsenden Wohnblöcke und Hochhäuser formten schon den Großteil der Bebauung Freihams mit seinen künftig bis zu 30 000 Bewohnern, übersieht, dass es noch einen zweiten Realisierungsabschnitt gibt. Zwischen dem alten Aubing und der A99, wo sich jetzt noch Brachflächen und Kieshaufen befinden, sollen zu den bis 2028 entstehenden 4400 Wohnungen des ersten Teils noch 6200 weitere hinzukommen. Doch im Viertel regt sich Widerstand.

Sebastian Kriesel (CSU) nimmt kein Blatt vor den Mund. "Wir haben eine Diskrepanz bei der Frage, ob es richtig war, jetzt schon in diese Planung einzusteigen", sagt der Chef des Aubinger Bezirksausschusses in dessen jüngster Sitzung. Vertreter der Stadtverwaltung sind an dem Abend gekommen, um den Lokalpolitikern den Rahmenplan-Entwurf zum zweiten Realisierungsabschnitt vorzustellen - also den Teil, der momentan noch Wiese ist. Und müssen sich nun anhören, dass der neu entstehende Stadtteil an der Grenze zu Germering zwar inklusiv werden soll, aber die fünf- bis sechstausend Menschen, die dort inzwischen leben, de facto "überall Baustelle" haben. Dass es bei der Sozialstruktur einen "immensen Nachholbedarf" gibt, weil viele Menschen Betreuung brauchen, an der es aber mangelt. Und dass die Bürgervertreter "vorprogrammierte Konflikte" beim Verkehr sehen, weil die Mobilitätskonzepte für die Gegend so unterschiedlich sind.

Nicht zum ersten Mal fordert der Bezirksausschuss die parallele Fertigstellung der U5 mit der restlichen Bebauung Freihams - wofür bislang allerdings die Finanzierungsgrundlage fehlt. Ebenso wie er die "zeitnahe" Umsetzung des Landschaftsparks Freiham "in vollem Umfang" als Basis eines harmonischen Zusammenlebens erachtet. Denn schließlich müssten die zahlreichen Menschen, die einmal dort leben sollen, auch "durchatmen" können.

. (Foto: SZ-Grafik: Mainka/Google Earth)

Schon 2017 haben die Lokalpolitiker den Grundsatz- und Eckdatenbeschluss für den zweiten Realisierungsabschnitt vehement kritisiert - wegen der dichten Bebauung und der zu erwartenden Verkehrszunahme. Ende 2019 lehnten sie dann den Aufstellungsbeschluss ab, um ein deutliches Signal an den Stadtrat zu senden: Ein Stadtteil, der so viele Einwohner wie Garmisch-Partenkirchen oder Landsberg am Lech haben wird, kann aus ihrer Sicht nur dann lebenswert sein, wenn die Infrastruktur den Anforderungen auch gerecht und rechtzeitig fertig wird.

Wie aber soll dieser zweite Teil Freihams konkret aussehen? "Wir wollen die Stadt weiterbauen, Blockrandstruktur und Grünzüge werden fortgesetzt", sagt Sandra Müller vom Planungsreferat. Freiham solle "nicht ein Rechts und Links von der Aubinger Allee werden, sondern ein großes Ganzes". Geplant ist, von 2028 an die 56 Hektar des zweiten Abschnitts von Süden her mit vier- bis achtgeschossigen Häusern als "bewegte Silhouette" für die 16 000 Menschen zu bebauen, die einmal dort leben sollen. Entstehen sollen außerdem zwölf Kitas, zwei fünfzügige Grundschulen, eine fünfzügige Mittelschule, ein Gymnasium oder eine Berufsschule sowie ein zweiter Nachbarschaftstreff für den Stadtteil. Auch soziale Einrichtungen wie ein Familienzentrum, eine Erziehungsberatungsstelle und im Landschaftspark ein Kinder- und Jugendtreff sowie ein Abenteuerspielplatz samt Festbau sind vorgesehen.

Der erste Teil der Siedlung Freiham ist längst im Bau. Was einmal der Landschaftspark wird (im Bild hinten), ist derzeit noch Brachfläche. (Foto: Jonas Nefzger/Landeshauptstadt München im Auftrag der MGS)

"Wir haben eine relativ hohe Dichte", bestätigt Müller - dafür gebe es aber viel Grün und wenige Autos. Freiham ist als "Modellstadt 2030" konzipiert, mit einer Umkehr der früher üblichen Prioritätensetzung: Der Autoverkehr soll reduziert, der Fuß- und Radverkehr gefördert werden. 22 konkrete Maßnahmen beinhaltet das Mobilitätskonzept für den Stadtteil, eine der wichtigsten sind neben der Reduzierung des Stellplatzschlüssels die 14 Quartiersgaragen im zweiten Realisierungsabschnitt. Diese oberirdischen Parkhäuser, die teils automatisiert funktionieren, sollen die bislang üblichen Tiefgaragen ersetzen.

Eine Besonderheit: die "Fischerdreiecke"

Der Vorteil: Die Baugrundstücke werden nur noch zu 40 Prozent versiegelt - und in den Innenhöfen können viele große Bäume wachsen. Eine weitere Besonderheit sind, ergänzend zu den über das Viertel verteilten Quartiersplätzen, kleinräumige Ecken im Straßenraum. In Schwabing und Neuhausen gibt es solche Dreiecksplätze häufig, die Stadtplaner nennen sie deshalb "Fischerdreiecke" - bezugnehmend auf den Helmut-Fischer-Platz im westlichen Schwabing.

Den südlichen Teil des an das Wohnquartier angrenzenden Landschaftsparks Freiham will das Baureferat laut Freiham-Koordinatorin Maria Graf 2027 anlegen, ein Jahr später soll der Bereich bereits nutzbar sein. Und die Verlängerung der U5 bis Freiham, sagt Robert Adam vom Mobilitätsreferat, sei "unstrittig wichtig und auch politischer Wille". Die Verkehrsplaner gehen daher davon aus, "dass mit Fertigstellung von Freiham auch die U-Bahn fährt und die zweite Stammstrecke fertig ist".

Vieles in Freiham, argumentieren die Vertreter der Verwaltung, müsse eben erst wachsen, Schwabing etwa oder Haidhausen hätten auch erst nach und nach Struktur erhalten. "Freiham", meinte einmal Stadtbaurätin Elisabeth Merk, "ist ein Generationenwerk". Weshalb es auch nicht alles sofort geben könne.

Aus Sebastian Kriesels Sicht aber ist Freiham nicht mit Schwabing oder Haidhausen vergleichbar. "Wir müssen deshalb", sagt er, "schon noch sehr, sehr viel nachjustieren." Das letzte Wort hat dann ohnehin der Stadtrat.

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