Forstenrieder Park:Ein halbes Jahrhundert zwischen Wald und Wild

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Alltag für Revierjagdmeister Alexander Mania, hier mit Hündin Nala, der nun nach knapp 50 Jahren im Dienst in Ruhestand geht. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Alexander Mania ist Münchens einziger Berufsjäger - Ende März geht er in Ruhestand. Sein Abschied fällt nicht nur ihm selbst schwer, er dürfte auch viele Besucher des Forstenrieder Parks berühren.

Von Jürgen Wolfram

Wer ein halbes Jahrhundert lang im Forst unterwegs gewesen ist, der dürfte so ziemlich alles erlebt haben in diesem knisternden Spannungsfeld aus Wald und Wild, Holzeinschlag und Naherholung. Sollte man meinen. Doch kurz vor seinem Abschied in den Ruhestand macht Alexander Mania im Revier Unterdill noch eine frappierende Erfahrung: Ein Rennradler rast ihm ins Heck seines Dienstwagens. Protokollarisch ein "besonderes Vorkommnis". Ist in diesem Fall spektakulärer als das 100. erlegte Wildschwein der Saison.

Noch viel einschneidender als alle Begegnungen im dunklen Tann dürfte für den einzigen Berufsjäger des Forstbetriebs München der 31. März ausfallen - es ist Manias letzter Arbeitstag. Da heißt es für ihn, vor dem Ausstand die Schlüssel zum Kühlraum mit dem geschossenen Wildbret, zum Wagen und demnächst womöglich auch zur Dienstwohnung in Forstenried abzugeben. "Der Gedanke zu gehen, der fällt mir schon schwer", sagt der 65-Jährige. Kein Wunder: Der professionelle Waidmann, der aus Franken stammt, kam 1974 zu den Bayerischen Staatsforsten in die Landeshauptstadt.

Wildsau crossing: Im Forstenrieder Park kann das als Spaziergänger schon mal passieren. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Abschied von ihrem Revierjagdmeister, so sein offizieller Titel, dürfte einige Menschen aus dem Münchner Süden nicht unberührt lassen. Manche haben Alexander Mania bei naturkundlichen Führungen oder Schauwildfütterungen kennengelernt. Und noch viel mehr Leute sind auf ihn aufmerksam geworden, als er gemeinsam mit Jagdhündin Nala in einer Fernseh-Dokumentation über den Forstenrieder Park eine tragende Rolle spielte. Zu sehen war da kein herzloser Bambi-Killer, sondern einer, den die Sorge um einen intakten Wildpark umtreibt. Der TV-Beitrag gab auch Aufschluss darüber, was ein Forstbetrieb-Mitarbeiter alles zu leisten hat. Es ist eine ganze Menge.

Mania hat nicht nur jahrzehntelang den Wildbestand gezielt reguliert, um Verbissschäden zu begrenzen. Er setzte auch Zäune instand, versorgte Tiere zur Winterzeit mit Heu, betrieb Freiflächen-Pflege, half mit bei der Pflanzung neuer Eichenalleen. "Kein einfacher Job, eher eine Berufung", sagt Jacques A. Volland über Manias Tätigkeit. Der Vorsitzende des Vereins der Freunde des Forstenrieder Parks spürt bei dem Berufsjäger "auf Schritt und Tritt den Praxisbezug". Eben diesen rühmen auch alle, die mal mit ihm zur Exkursion aufgebrochen sind.

Der Revierjagdmeister pflegt die nüchterne Betrachtung und klartextliche Schilderung. Jägerlatein-Anteil: keine fünf Prozent. Prozentual deutlich höher angesiedelt sind da seine Zweifel, ob die eigene Zunft jederzeit die Wertschätzung erfährt, die ihr gebühre, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht.

Schilder im Forstenrieder Park. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Forstenrieder Park und zumal der Wildpark darin, das sind aus Manias Sicht "Juwelen, die es zu schützen gilt". Gleichwohl müsse man nicht jede "Begehrlichkeit" abwehren, findet er und denkt dabei an Windräder, gegen die nichts einzuwenden wäre, sofern sie sich entlang der Garmischer Autobahn und nicht mitten im Wald aufreihen. Gar nicht zu überschätzen seien die Forste um München in ihrer Bedeutung als Naherholungsgebiete einer dynamisch wachsenden Großstadt. Allein dem Forstenrieder Park prophezeit Mania eine Zukunft "wie im Englischen Garten". Schon jetzt herrsche "24 Stunden am Tag Publikumsverkehr". Das sei für Jäger und Förster eine Herausforderung unter Sicherheitsaspekten und "eine soziale Verpflichtung" zugleich.

Den wachsenden Hunger der Städter auf Erlebnisse in der Natur verfolgt Mania seit Jahren. Festmachen kann er ihn am "wahnsinnigen Anklang", den die Wildbeobachtungszone unweit des Gelben Hauses findet. Manchmal sei der Platz davor "regelrecht plattgetrampelt". Kein Wunder, lässt sich hier zwischen Mitte September und Anfang Oktober doch sogar die Hirschbrunft verfolgen.

Alexander Mania mit seiner Hündin Nala an seinem Noch-Arbeitsplatz. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Apropos Hirsch. Als Alexander Mania kürzlich versucht hat, sich mit einem frisch erlegten Tier auf der Ladefläche seines Fahrzeugs an einer Gruppe jugendlicher Vogelbeobachter vorbei zu stehlen, wurde er gestoppt und zur Rede gestellt, nur ganz anders als erwartet. "Die wollten sich nicht über die Jagd empören, sondern alles, aber wirklich alles über Rehwild, Rotwild, Damwild wissen." Das ist die Art Waldbesucher, wie ein Jagdreviermeister sie schätzt.

Fragen über Fragen sollte Mania ebenso beantworten, als er mit dem "Unter unserem Himmel"-Filmemacher Martin Weinhart im Park unterwegs gewesen ist. "Den musste ich irgendwann darauf hinweisen, dass ich eigentlich noch eine Menge anderer Arbeit zu erledigen habe", erinnert sich der durchaus kommunikative Jäger. Im Ruhestand dürfte es ihm freilich egal sein, wie lange sich Interviews hinziehen. Hauptsache, die Botschaft sitzt: "Der Wald ist ein multifunktionaler Raum und muss zum Wohl der Menschen uneingeschränkt erhalten bleiben."

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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