Prozess in München:Serienvergewaltiger wieder in Haft

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Wahllos ausgesuchte Opfer, überfallartige Angriffe, äußerste Brutalität: Der 36-Jährige beging alle Taten nach demselben Muster. Kurz nach seiner Entlassung überfiel er erneut eine Frau. Der Richter kreidet der Polizei Versäumnisse an.

Von Susi Wimmer, München

"Seit 20 Jahren sitze ich hier", sagt Richter Gilbert Wolf. Er erinnere sich an nur drei Fälle, in denen seine achte Strafkammer am Landgericht München I Freiheitsstrafen von über zehn Jahren ausgesprochen habe. "Aber hier ist es notwendig, erforderlich und auch richtig." Mit diesen Worte verurteilte die Kammer den 36 Jahre alten Pietro P. wegen Vergewaltigung zu zwölf Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung. Er hatte im Juli 2020 "überfallartig" eine Frau in Feldmoching vom Fahrrad gestoßen, sie geschlagen und in einem Maisfeld vergewaltigt. "Eine schreckliche Tat, furchtbar", sagt Wolf. Das Opfer werde ein Leben lang darunter leiden.

Pietro P. verbrachte bereits 20 Jahre seines Lebens weggesperrt von der Öffentlichkeit. Der psychiatrische Gutachter Cornelis Stadtland hat ihm im aktuellen Prozess eine hohe Wahrscheinlichkeit attestiert, binnen kurzer Zeit wieder Straftaten, eventuell sogar noch schwerere bis hin zum Tötungsdelikt, zu begehen. Ob und wann der Gebäudereiniger P. jemals wieder auf freien Fuß kommt, ist also fraglich.

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17 Einträge im Bundeszentralregister dokumentieren die kriminelle Karriere des Münchners. Angefangen von Diebstählen, Bedrohungen oder Betrügereien wurde P. bereits im Jugendalter wegen Vergewaltigung verurteilt. Im Jahre 2010 erfolgte eine weitere Verurteilung wegen eines Versuchs der Vergewaltigung, schon damals mit Verhängung einer anschließenden Sicherungsverwahrung. Alle Taten hatte er nach demselben Muster begangen: wahllos ausgesuchte Opfer, überfallartige Angriffe, äußerste Brutalität.

Warum Pietro P. im Sommer 2020 aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurde, ist schwer nachvollziehbar. Wenige Tage später beging er die nächste brutale Tat in Feldmoching. "Sie hatten die besten Karten", hielt ihm Richter Wolf vor. Nach der Entlassung habe er eine Wohnung gehabt, eine Familie, eine Ehefrau und ein neugeborenes Kind. "Besser geht es nicht." Trotzdem lauerte er Ende Juli an einem Maisfeld in Feldmoching einer Radfahrerin in der Pappelallee auf, stieß sie vom Rad und zerrte sie in das hochgewachsene Feld. Er schlug der Frau so massiv ins Gesicht, dass sie bis heute Verhärtungen an der Wange verspürt.

Staatsanwältin Christine Kleider bewertete es als eine "erhebliche kriminelle Energie", dass Pietro P. sein Opfer zwang, mit ihm zum nächsten Bach zu fahren, damit es dort Spuren der Tat abwaschen sollte. Trotzdem, so die Staatsanwältin, habe man unter Fingernägeln, im Gesicht und an etlichen anderen Stellen ausreichend Täter-DNA gesichert.

Die Täterschaft sei eindeutig, stellte auch Richter Gilbert Wolf in seinem Urteil klar. Dennoch habe der Angeklagte kein Geständnis abgelegt. Das hätte der Geschädigten eine Aussage bei Gericht erspart. Die Frau, die bis heute unter einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie Panikattacken leide, wurde in einem Nebenraum per Videoschalte befragt. Bei einem Geständnis, so Wolf weiter, wäre man mit dem Urteil "deutlich unter zehn Jahren" gewesen. Auch eine Entschuldigung habe es nicht gegeben.

Schwerwiegende Versäumnisse kreidete Wolf der Polizei an. Nach der Festnahme des mutmaßlichen Täters sei weder eine Blut- noch eine Haarprobe genommen worden. Auch die Verteidiger Olaf Groborz und Marc Wederhake führten an, dass ihr Mandant "immer schon" Drogen- und Medikamenten-Probleme habe. Dass etwa bei der Tat keine verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen sei, stütze sich nur auf Aussagen der Geschädigten. Ob die Verteidigung gegen das Urteil in Revision geht, wolle man noch prüfen, so die Anwälte. Pietro P. und seine im Saal anwesende Ehefrau nahmen den Urteilsspruch ohne sichtbare Gefühlsregung hin.

© SZ vom 27.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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