European Championships in München:"Ein Booster für den Breitensport"

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Die European Championships sollen ein Fest der Inklusion und Nachhaltigkeit werden. (Foto: Marc Müller)

100 Tage noch, dann findet das größte Sportfest seit Olympia 1972 in München statt. 177 Europameistertitel werden bei den European Championships vergeben - erstmals treten auch Athletinnen und Athleten mit einer Behinderung an.

Von Joachim Mölter

­Wenn es nach Marc Lembeck ginge, könnte es gleich morgen losgehen mit den European Championships. "Leider sind es noch 100 Tage", sagte er am Dienstagmittag, als er in einer illustren Runde auf den Stufen des Olympiastadions saß, um den Countdown einzuläuten für das größte Sportfest, das es seit den Olympischen Spielen von 1972 in München geben wird. Vom 11. bis zum 21. August kämpfen schätzungsweise 4700 Athletinnen und Athleten in neun olympischen Sportarten um insgesamt 177 Europameistertitel und die dazugehörigen Medaillen: in der Leichtathletik, im Beachvolleyball, Kanu-Rennsport, Klettern, Radsport, Rudern, Tischtennis, Triathlon und Turnen.

Bei der zweiten Auflage dieses europäischen Multisport-Events sind erstmals auch Para-Sportler mit von der Partie, also Athleten mit einer Behinderung, wie sie Marc Lembeck hat. Der für Bayer Leverkusen startende Ruderer verfügt nur über eine Sehstärke von zehn Prozent, aber dem Ereignis im Sommer sieht er mit großen Erwartungen entgegen. "Als Para-Sportler kriegt man nicht oft so eine große Bühne geboten", sagt er. Besonders freut ihn dabei, dass bei den European Championships "die Inklusion nicht nur über den Sport gelebt wird, sondern durch ein allgemeines Miteinander".

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Das Thema Inklusion sei den Veranstaltern und Ausrichtern sehr wichtig gewesen, bestätigt Marion Schöne, die Geschäftsführerin der Olympiapark GmbH. Deshalb zählen nun nicht nur zwei Para-Disziplinen zum Programm, Rudern und Kanu, sondern erstmals auch für den Medaillenspiegel. Und darüber hinaus wollen die Organisatoren auch den Zuschauern ein behindertengerechtes Erlebnis bieten, unter anderem mit "Inklusions-Volunteers" - freiwilligen Helfern, die in Gebärdensprache geschult sind, um den Gästen mit Informationen weiterzuhelfen. "Under one roof", unter einem Dach, heißt das Motto, in Anspielung an das berühmte, geschwungene Zeltdach, das seit 1972 über den Sportstätten im Olympiapark schwebt.

Wie vor 50 Jahren wollen sie bei den European Championships auch Sport und Kultur unter ein Dach bekommen, erläutert Schöne bei der Medienrunde am Dienstag. So sollen an den verschiedenen Örtlichkeiten Musik-, Kunst- und Kulturveranstaltungen geboten werden und wie anno '72 kostenlos zugänglich sein. Eine Idee, die bei Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo schon mal gut ankommt. "Durch die Verbindung von Sport und Kultur können wir vielleicht auch Leute abholen, die mit Sport noch nicht so viel zu tun haben", hofft sie.

Für die Leichtathletin von der LG Kurpfalz steht in diesem Sommer zwar auch die Weltmeisterschaft im Terminplan, wo sie ihren Titel zu verteidigen hat, aber die im Olympiastadion ausgetragenen Europameisterschaften seien "emotional definitiv wichtiger", versichert sie: "Im eigenen Land zu starten, ist mir noch näher am Herzen."

Nicht nur für die Athleten sind die European Championships eine Herzensangelegenheit, auch für die Organisatoren, die seit dem Zuschlag für die Veranstaltung im November 2019 "rund 80 Prozent in der Corona-Zeit gearbeitet" haben, wie Olympiapark-Chefin Schöne erinnert. Dass inzwischen alle Pandemie-Schutzmaßnahmen aufgehoben sind und die Zuschauer uneingeschränkt die Stadien und Arenen füllen dürfen, hat für große Erleichterung gesorgt. So dürfte sich die bislang 30 Monate dauernde Vorbereitung doch noch auszahlen.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erwartet nun jedenfalls "ein Wahnsinns-Event", und Juliane Seifert, die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, spricht am Dienstag schon von einem "Fixstern im europäischen Spitzensport". Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) findet, mit den European Championships könne man "demonstrieren, dass man großartige und nachhaltige Sportereignisse durchführen kann".

Die Nachhaltigkeit ist bei dieser Veranstaltung ja sogar ein noch größeres Thema als die Inklusion. Dass die meisten Wettkämpfe an oder in früheren Spiele-Stätten wie Olympiastadion, Olympiahalle und Ruderregattestrecke ausgetragen werden oder im weitläufigen Olympiapark, "gibt's in keiner anderen Stadt auf der Welt", sagt Reiter: "Darauf können wir schon stolz sein." Er erinnert allerdings auch daran, dass der Betrieb und Erhalt der alten Sportstätten "nicht zum Nulltarif zu haben" ist - eine dreistellige Millionensumme sei über die Jahre in die Bauten gesteckt worden.

Dafür hoffen die geldgebenden Politiker nun freilich auch auf eine ideelle Rendite. Die Staatssekretärin Seifert hofft durch das Sportfest auf "einen Booster für den Breitensport" nach zwei Jahren Pandemie. Oder wie es Münchens Oberbürgermeister Reiter formuliert: "Eine Sogwirkung, selbst Sport zu treiben." Er könne jedenfalls "nur Werbung dafür machen, dabei zu sein" im Sommer. Auch Herrmann schwärmt schon mal vorab von "elf herrlichen Tagen" im August: "Urlaub kann man davor und danach auch noch machen. Aber bei dieser Veranstaltung muss man dabei sein."

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