Es ist schwierig, an diesem Samstagnachmittag zum Geldausgeben zu gelangen, denn rund um den Marienplatz und in der Fußgängerzone herrscht dichtes Glühwein-Gedränge. Bei Elly Seidl in der Maffeistraße steht die Schlange der Kaufwilligen, die auf Pralinen warten, bis unter die Arkaden. Nebendran spielt eine Bläsergruppe besinnliche Weisen, muss aber aufpassen, nicht vom Passantenstrom mitgerissen zu werden.
Alles in Butter also mit dem Weihnachtsgeschäft? Nicht ganz, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Einzelhandelsverbandes: "Die Christbäume wachsen für den Münchner Einzelhandel nicht in den Himmel." Zwar werde für November und Dezember in München ein Umsatz von 2,1 Milliarden Euro prognostiziert, ein Fünftel des Jahresumsatzes - das sei aber nur nominell ein leichtes Plus, nicht jedoch, wenn man Inflation, höhere Energiepreise und andere gestiegene Unkosten mitberechne. Dann laufe es auf ein Minus hinaus. Und: In der Summe von 2,1 Milliarden Euro sind bereits 380 Millionen Euro enthalten, die Münchner im Online-Handel ausgeben.
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Außerdem, so Ohlmann, schieße sich der Einzelhandel ein Eigentor, wenn er eine Woche vor dem 1. Advent, am 24. November, den "Black Friday" ausrufe mit enormen Preisnachlässen und Sonderangeboten. Allerdings sieht er die Lage nicht ganz aussichtslos, denn die Erfahrung zeige auch: Die Leute kaufen ihre Geschenke immer später, es bestehe also noch Hoffnung für die letzte Adventswoche.
Am Samstag sieht es so aus, als hätten sich sämtliche Münchner auf einmal zum Schaulaufen in der Fußgängerzone eingefunden und seien wild entschlossen, das alles auch noch sehr besinnlich zu finden. Das Parkhaus bei Oberpollinger ist rappelvoll, das am Altstadtring ebenfalls gut gefüllt. Beim Eiszauber am Marienplatz stehen die Menschen dicht an dicht, ebenso im neuen H&M in der Kaufingerstraße. In der Kosmetikabteilung des Kaufhofs am Marienplatz probieren junge Frauen die Farben der Saison aus während männliche Teenager testen, wie viel Deo für eine ordentliche Überdosierung nötig ist.
Wolfgang Fischer, Geschäftsführer der Werbegemeinschaft "City Partner", sieht die Situation nicht ganz so negativ wie sein Kollege vom Einzelhandelsverband. Am Samstag, so Fischer, seien in der Kaufingerstraße den ganzen Tag über 186 000 Passanten gezählt worden, das seien nur 1000 weniger als am dritten Adventssamstag 2019.
Dafür, dass das Geschäft insgesamt schwächer ausfällt als im vergangenen Jahr, macht Fischer andere Faktoren verantwortlich: vor allem den Schnee, der am 2. Dezember, dem ersten Adventssamstag, über die Stadt hereinbrach. Dass es dann fast eine Woche brauchte, bis der öffentliche Nahverkehr wieder in Schwung kam, nennt er "eine Katastrophe" - und zwar nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Geschäfte und ihre Angestellten. Fischer weiß von Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden die Parkhausgebühren bezahlten, wenn die mit Zug oder S-Bahn nicht zur Arbeit gekommen wären.
Und als das alles wieder in einigermaßen geordneten Bahnen lief - da streikten auch noch die Lokführer. Das war für den Einzelhandel besonders fatal, denn dieser 8. Dezember ist in Österreich ein gesetzlicher Feiertag, Mariä Empfängnis, an dem erfahrungsgemäß "ganz Innsbruck und ganz Salzburg" (Fischer) nach München zum Einkaufen fährt. Und dann ist ja der Advent 2023 auch noch der kürzestmögliche, weil Heiligabend gleichzeitig vierter Advent ist - vergangenes Jahr lief das Geschäft eine volle Woche länger.
Der Schneefall hatte allerdings auch positive Aspekte. "Winterschuhe, Daunenjacken, Mützen, Handschuhe wurden den Verkäufern aus der Hand gerissen", sagt Fischer. Insgesamt also sei noch Luft nach oben, und die Erwartung war vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts auch hoffnungsvoller gewesen. Mit Blick auf die übervollen Straßen am Samstag sieht Fischer aber auch eine Trendwende gegenüber dem Online-Handel: "Die Münchner Innenstadt ist wieder en vogue."