Landgericht München:Kein Herz für Bailey

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Immer wieder werden Hundewelpen aus Tierheimen in Rumänien nach Deutschland gebracht (Symbolbild). (Foto: -/dpa)

Eine Berlinerin übernimmt vom Münchner Verein "Ein Herz für Streuner" einen rumänischen Hund - gibt ihn aber wenig später wieder zurück. Vor Gericht will sie nun die entstandenen Kosten einklagen.

Von Susi Wimmer

Madita ist zuckersüß, riesengroße Kulleraugen, karamellbraunes Fell, am liebsten würde man den Welpen, der auf der Internetseite von "Ein Herz für Streuner" angeboten wird, samt seinen tapsigen Geschwistern Gio, Kari, Karlie und Tootsie gleich mit nach Hause nehmen - und retten vor dem Tierheim in Rumänien. So ähnlich erging es wohl auch einer Berlinerin, die bei demselben Münchner Verein die vier Monate alte Hündin Bailey entdeckt hatte. Sie unterschrieb einen Tierüberlassungsvertrag und holte die Hundedame zu sich. Doch die tierische Liebe war nur von kurzer Dauer, nach wenigen Tagen gab die Frau den Hund wieder weg. Jetzt zog sie vor Gericht, um ihre entstandenen Kosten von 515 Euro einzuklagen.

Die 6. Zivilkammer am Landgericht München I beschäftigt sich in erster Linie mit Insolvenzangelegenheiten und "Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten". Am Donnerstag allerdings standen bei dem Vorsitzenden Richter Andreas Harz die Niederungen von Tierhinterlassenschaften zur Diskussion. Würmer im Kot etwa, oder Parasiten im Tier.

Konkret ging es um Bailey aus Rumänien, Typ "Stiangglander-Rasse", wie man in Bayern sagen würde, zu deutsch: ein Mischlingshund. Der Münchner Verein arbeitet nach eigenen Angaben mit Tierschutzorganisationen in Rumänien zusammen und importiert Hunde nach Deutschland, die dort auf der Straße leben oder in Tötungsstationen auf ihr Schicksal warten. Gegen eine Schutzgebühr wird der Hund an den neuen Besitzer übergeben. Es wird ein "Tierüberlassungsvertrag" unterzeichnet, der ausdrücklich keine Eigentumsübertragung beinhaltet. Laut diesem Vertrag hätten die neuen Herrchen und Frauchen das Recht, das Tier zurückzugeben, aber keinerlei Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten.

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Bailey reiste Ende Februar zu der damals 32-jährigen Berlinerin und musste bereits eine Woche später wieder Halsband und Futternapf packen. Der Hund sei als "gesund, verspielt, verschmust" beschrieben worden, charakterlich zudem unauffällig, laut Impfpass auch entwurmt, trug die Klägerseite vor. Vom Tierarzt allerdings seien Würmer im Kot diagnostiziert worden, zudem ein Parasitenbefall mit Giardien, was zu Durchfall und ähnlich unschönen Dingen führt. Und so schmusig sei Bailey auch nicht gewesen, sie habe eher "ein territorial bezogenes Verhalten" an den Tag gelegt, und "nur ans Fressen gedacht".

Die Beklagtenseite argumentierte, die ausgeschiedenen Würmer könnten noch von der Entwurmungskur stammen. Und wo sich der Hund die Parasiten eingefangen habe, wisse man nicht. Seine drei Geschwister, die ebenfalls vermittelt wurden, seien nicht krank gewesen.Man habe die Frau im Vorfeld ausführlich beraten, aber sie sei "in höchstem Maße überfordert" gewesen.

Das Amtsgericht hatte in erster Instanz die Klage der Berlinerin abgewiesen, doch während des Versuchs, eine gütliche Einigung zu erzielen, ließ Richter Harz durchblicken, dass er die Sache anders sieht. "Wir tendieren zu der Annahme, dass es sich um einen Kaufvertrag handelt", sagte er. Somit hätte die Ex-Hundehalterin einen Anspruch auf Entschädigung, sprich Erstattung der Kosten für Tierarzt, Tiertrainer, den Kauf der Transportbox, eines GPS-Trackers sowie der Überlassungsgebühr von 225 Euro.

Einen Vergleich lehnte der Verein ab. Die Kammer wird nun einen Beweisbeschluss erlassen und verkünden, welche Zeugen vernommen oder Gutachten eingeholt werden sollen. Bailey dürfte das am Hundehintern vorbei gehen. Sie hat sofort einen neuen Dosenöffner auf zwei Beinen gefunden.

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