München:Immer mehr Drogentote - Schutzraum gefordert

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Verunreinigte Spritzen, abgelegene Orte: Es ist nicht nur der Drogenkonsum an sich, der Suchtkranke gefährdet, sondern auch die Bedingungen, unter denen er stattfindet (Symbolfoto). (Foto: Felix Zahn/dpa)

Ein breites gesellschaftliches Bündnis hat nun eine Petition für die Einrichtung von Drogenschutzräumen in der Stadt gestartet. Denn diese könnten Leben retten.

Von Nicole Graner

Die Zahl der Drogentoten in München ist erneut gestiegen. 86 Tote sind es bis jetzt in diesem Jahr. 2022 waren es 73, das Jahr davor 64. Die Stadt fordert deshalb schon lange Drogenkonsumräume, in denen Suchtkranke sicher und unter medizinischer Aufsicht Drogen konsumieren können. Die Bayerische Staatsregierung hat diese bis jetzt abgelehnt. Zum Internationalen Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen an diesem Freitag startet daher nun eine Petition, die die Landesregierung auffordert, endlich in München Drogenschutzräume einzurichten. Sie wird von einem breiten, gesellschaftlichen Bündnis getragen.

Die Stadtratsfraktion der Grünen hat sie im Nußbaumpark am Donnerstag offiziell vorgestellt. Dort, wo viele Drogenabhängige ihre Drogen konsumieren. Dort, wo, wie Andreas Klose sagt, immer wieder herumliegendes Spritzbesteck vor Apotheken oder sogar vor der St.-Matthäus-Kirche die Bevölkerung abschrecke. Der stellvertretende Vorsitzende des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt will keine Ausgrenzung der Suchtkranken, sondern Schutz für sie. "Wir brauche hier einen Drogenkonsumraum, gerade in der Nähe des Bahnhofsviertels."

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Thekla Andresen vom Netzwerk JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte) gibt ihm recht. "Wir wollen nicht an einsamen Orten sterben müssen. 86 Tote sollten genügen!" Es gebe viele Drogengebraucher, denen ein Drogenschutzraum in München "sehr viel bedeuten" würde. Laut Olaf Ostermann vom Suchthilfe-Verein Condrobs, konsumierten in München 4000 bis 6000 Suchtabhängige Opiate.

"Die zunehmende Zahl der Drogentoten ist erschreckend", sagt Condrobs-Geschäftsführerin Katrin Bahr. Die Gründe dafür sieht sie in der "Mehrfachkrise", in der sich die Gesellschaft gerade befände. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Inflation und die Klimakrise - das mache laut Bahr etwas mit den Menschen und gerade mit vulnerablen Gruppen. "Dazu gehören auch Drogenabhängige." Verstärkt würden auch wieder jüngere Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu Opiaten greifen. Sie ist, wie die meisten Suchthilfeträger in München, davon überzeugt, dass Drogenschutzräume Leben retten können. Ruhig, sicher und steril könnten die Suchtkranken konsumieren. Vor allem mit medizinischer Betreuung.

Einsatz für einen Drogenschutzraum (von links): Rettungsdienst-Einsatzleier Matthias Bonigut, Condrobs-Geschäftsführerein Katrin Bahr, Politiker Andreas Klose (Rosa Liste), Stefan Jagel (Linke), Clara Nitsche (Grüne), Barbara Likus (SPD) sowie Thekla Andresen vom Netzwerk JES und Olaf Ostermann von Condrobs. (Foto: Florian Peljak)

Eine Überdosis erkennen, schneller helfen können, den Suchtkranken Zugang zu Hilfsnetzwerken verschaffen - das sei, so Bahr weiter, "längst überfällig". Schon allein auch deshalb, weil man mehr Drogensüchtige erreichen könne und auch der öffentliche Sozialraum entlastet werde. Drogenabhängige konsumieren in Kellernischen, in Parks, auf Spielplätzen, in Tiefgaragen. In Schutzräumen müssten sie sich nicht verstecken.

250 Drogentote in Bayern. "Und so oft käme man zu spät", sagt Matthias Bonigut, Einsatzleiter im Rettungsdienst. Wie gut wäre es oft, schnell zu wissen, um welche Substanzen es sich handelt. In Schutzräumen wüsste man das. 29 davon gebe es in Deutschland, die gut funktionieren würden. Das bestätigt auch Bahr. "Es ist in zahlreichen Studien erwiesen, dass sie funktionieren". In Frankfurt zum Beispiel. Da gibt es vier. Allein bei 200 Notfällen hat man helfen können. "Sonst wären wieder mehr gestorben", sagt Andresen.

Seit Jahren setzt sich auch Münchens Dritte Bürgermeisterin, Verena Dietl (SPD), für Drogenkonsumräume ein. Immer wieder suche sie, wie sie jüngst der SZ in einem Interview erklärte, das Gespräch mit Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetscheck (CSU). "Die Bayerische Staatsregierung muss ihre dogmatische Verweigerungshaltung in der Drogenpolitik endlich aufgeben."

Der Internationale Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen findet am Freitag von 11.30 bis 13.30 Uhr auf dem Marienplatz statt. Es werden die Namen der Toten verlesen, Organisationen und Suchthilfeeinrichtungen sind vor Ort. In einem Zelt können sich Besucher auch darüber informieren, wie ein Drogenkonsumraum aussehen könnte. "Wir richten es so ein, damit man mal einen Eindruck davon bekommt", sagt Olaf Ostermann.

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