"Bodyguard" im Deutschen Theater:Ein Musical wie ein Blockbuster

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Greatest Love: Rachel (Aisata Blackmann) und Frank (Jo Weil) finden sich, der Stalker (Christopher Neris) und Nicki (Andrea Del Solar) finden's nicht gut. (Foto: Jörg Haas)

Das Deutsche Theater zeigt bis Mitte Dezember die Adaption des Kinoerfolges "Bodyguard" voller Soul-Hits. Die Ausstattung ist Luxus - und das Singspiel hat die Qualität eines Konzertes.

Von Michael Zirnstein, München

Wenn es eine Szene gibt, die das selten bediente Theatergenre "Romantic-Thriller-Musical" umreißt, dann diese: Der Mann geht jagen, ballert seinem Beruf als Personenschützer folgend irgendwo draußen im Wald einem Attentäter hinterher, der Zuschauer hört das nur, zuckt mit jedem Schuss mit. Er blickt dabei auf das wahre Drama: Eine Frau namens Rachel Marron hält ihre sterbende Schwester Nicki im Arm. Nicki war zeitlebens eifersüchtig auf Rachel, auf deren Welterfolg als Popstar, die Liebelei mit dem Leibwächter.

Gerade noch haben sie in der Berghütte Frieden geschlossen und mit Rachels Söhnchen Fletcher ein altes Weihnachtslied gesungen: "Jesus loves me, this I know" (schaurige Randnotiz: Das war der letzte Song, den Whitney Houston, die Rachel als Abbild ihrer selbst im Film "The Bodyguard" gespielt hatte, am Vorabend ihres Drogentodes 2012 spontan in einem Club in Hollywood sang). Nun presst Rachel Nicki ein weißes Tuch auf die Stichwunde, der Dolch hatte ihr gegolten. Und während sich der Bühnenrahmen wie von Alfred Hitchcock gezogen um sie herum immer weiter verengt und somit die Blicke ansaugt und bündelt, strahlen die Scheinwerfer auf in diesem Liebestunnel des Todes, während Nickis Lebenslicht erlischt.

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Da sage noch mal einer, Musical kann kein großes Kino machen. "Bodyguard - das Musical", die zwei Monate lang laufende Mega-Show in diesem Jahr am Deutschen Theater, ist ein echter Straßenfeger, im Filmbiz-Deutsch: ein Blockbuster. Die überfällige Drittverwertung eines der größten Kinoerfolge der Neunzigerjahre? Mag sein, aber schon der Film war 1992 ein Aufguss, die Story hatte Lawrence Kasdan eigentlich 1975 für Steve McQueen und Diana Ross geschrieben; und den Überhit des später 44 Millionen Mal verkauften Soundtracks, der Whitney Houston einige Jahre lang zur populärsten Sängerin des Planeten machte, hatte Dolly Parton 1974 komponiert: "I Will Always Love You". Es wurde also höchste Zeit für ein Jukebox-Musical, das der Dramatiker Alexander Dinelaris (bekannt durch den Film "Birdman") zusammen mit Kasdan ("Star Wars", "Indiana Jones") für die Premiere 2012 in London aus dem Ursprungs-Skript zurechstutzte. Dabei ist die schnell abgespulte, absehbare Handlung noch das Schwächste in dem Musical.

Die Ausstattung ist Luxus: die Lichtführung so funktional wie magisch, die Acht-Mann-Band im Neunzigerjahre-Soul-Schwulst glänzend, die Bühnentechnik mit den rochierenden, cineastische Tiefen ermöglichenden Leuchtquaderreihen spektakulär, die Kostüme ein Augenfasching, und während die akrobatischen Tänzer stramm sind wie von den Chippendales gecastet, wirken die quietschvergnügten Tänzerinnen, als liefen sie nach der Vorstellung noch einen Marathon und machten dann im P1 die Nacht durch.

Die Spielszenen stören dabei nicht weiter. Jo Weil schlägt sich als Frank Farmer tüchtig, weil er tut, was er als Fernsehliebling ("Verbotene Liebe", "Medicopter") kann und somit dem charmant-versteiften Kevin Costner nicht unähnlich ist. Und Christopher Neris gibt einen dämonischen Stalker, vor dem man die Tänzerinnen auf dem Heimweg vom P1 unbedingt beschützen würde, hätte man nicht die Hosen voll.

Dies alles ist der goldene Rahmen für das Meisterwerk: den Gesang, der hier bis auf eine ulkige Karaokenummer und Fletchers Niedlichkeitsattacken, von nur zwei Personen kommt. Ein Coup! Denn so bekommt das Singspiel die Qualität eines Konzertes. Aisata Blackmann ist die strahlende Soul-Queen dafür. Houston, wir haben kein Problem: Denn die Niederländerin mit karibischen Wurzeln bleibt dicht dran in der weltmeisterlichen Whitney- Vokalakrobatik bei Stimmbandkillern wie "One Moment In Time", sie macht sie zu ihrem Moment, strahlend und stark, trumpft auf in den Konzert-Szenen Beyoncé-haft stampfend und Sphinx-Blicke schleudernd, kennt aber auch die oberste Regel im Diven-Handbuch: sich auch mal zurückzunehmen und eine Pop-Arie wie "Greatest Love Of All" ganz privat im Kuschelpulli am Haus-Flügel nachzubasteln. So genießt man diese vorbelasteten "Irgendwer-vermisst-immer-irgendwen-Songs", wie Rachel Marron sie selbstironisch nennt, als vertraut und doch neu.

Schwer zu toppen. Wäre da nicht noch Andrea Del Solar. Sie singt die Nicki, so fein, so berührend, dass einem bei "Saving All My Love" und "All At Once" die Augen fluten. Und bei "Run To You" liefern sich die Schwestern-Spielerinnen ein Duell um den Titel "Star der Familie", ein Sing-off respektive ein "Battle", wie es Aisata Blackmann noch aus der TV-Show "The Voice of Germany 2012" kennen dürfte. Wäre man Juror Mark Forster, sagte man: "Ich gehe mit dir, Andrea, ich fühle es bei dir einfach mehr." Auch deswegen schmerzt Nickis Tod. Aber nur kurz: Am Ende kommen alle noch mal zusammen für ein Disco-Inferno mit "I Wanna Dance With Somebody" auf die Bühne zurück, selbst der Stalker mit zwei Löchern in der Stirn. Eine Zugabe - das hat das Musical dem Film eindeutig voraus.

Bodyguard - Das Musical ; Deutsches Theater, bis 15. Dezember

© SZ vom 09.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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