Umfrage zum Schulstart:"Nicht einfach so weitermachen"

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Ab Dienstag beginnt für 160 000 Kinder und Jugendliche in München ein neues Schuljahr. Die Hoffnungen auf einen normalen Schulbetrieb ohne Lockdown sind groß. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Hoffen auf ein Lernen ohne Lockdown: Was sich Schülerinnen, Lehrkräfte und eine Mutter zum Start ins neue Schuljahr wünschen.

Von Kathrin Aldenhoff

"Bald wieder voll Leben"

Naomi Hinkel besucht die zwölfte Klasse des Gymnasiums München-Nord.

Am Mittwoch geht es los: Für Naomi Hinkel beginnt das Abitur, und zwar so wie für alle Abiturienten an den Gymnasien: mit der schriftlichen Prüfung in Deutsch. (Foto: privat)

In dieses Schuljahr starte ich mit einem viel besseren Gefühl als in das vergangene. Einen Lockdown wird es hoffentlich nicht mehr geben. Für mich wäre es das Schlimmste, wenn wir wieder alle von zu Hause lernen müssten. Das will ich nie wieder machen. Viele sind aus dem Lernrhythmus raus, auch weil am Ende des Schuljahres keine Tests mehr geschrieben wurden. Es ist schwierig, wieder in diesen Rhythmus reinzukommen. Mir ging das nach dem ersten Lockdown so. Ich wünsche mir für das neue Schuljahr, dass Rücksicht darauf genommen wird, dass wir viel verpasst haben. Ich hoffe, wir bekommen Zeit, in der Schule anzukommen, bevor wir die ersten Tests schreiben. Und was ich mir auch wünsche: dass nicht mehr über unsere Köpfe hinweg entschieden wird, wie zum Beispiel als die Faschingsferien gestrichen wurden. Die Stimme von uns Jugendlichen sollte gehört werden. Im vergangenen Jahr ist unsere Studienfahrt ausgefallen, das finde ich sehr schade. Meine letzte Klassenfahrt hatte ich in der siebten Klasse, es wird keine mehr geben. Dabei gehört das zur Schule dazu. Wenn die Klasse sich kennt und gut versteht, macht der Unterricht mehr Spaß. Ich hoffe, dass der Schulhof bald wieder voll Leben ist, die Fünftklässler herumhüpfen und Fußball spielen und alles wieder normal ist. Und ich freu mich auf die Abifahrt. Die organisieren wir Schülerinnen und Schüler selbst.

"Rücksicht auf die Jüngsten"

Angelika Wildgans-Lang ist Lehrerin für Mathematik sowie Wirtschaft und Recht an einem Münchner Gymnasium

Lehrerin Angelika Wildgans-Lang. (Foto: privat)

Dieses Schuljahr werden wir wohl in Präsenz starten können. Aber ich habe Angst, dass das nicht lange anhalten könnte. Die Inzidenzen steigen, in anderen Bundesländern wurden schon wieder Klassen geschlossen. Ich vermute, dass auch im kommenden Schuljahr - trotz der Zusicherungen in der Politik - wieder Onlineunterricht stattfinden wird, nämlich für die Schülerinnen und Schüler, die in Quarantäne sind. Für Lehrkräfte ist das die schwierigste Form, wenn ein Teil der Klasse vor Ort und ein Teil zu Hause ist. Denn unsere technische Ausstattung ist derzeit nicht dafür ausgelegt, dass wir den Inhalt des Klassenzimmers sinnvoll nach Hause projizieren können. Da kann man nicht allen gerecht werden. Was den Lehrstoff angeht, haben wir alles geschafft. Was den Kinder fehlt, ist die Übung. Um Inhalte eingehend zu wiederholen und Lücken aufzudecken, bräuchte ich mehr Stunden in kleineren Gruppen und hierfür zusätzliche Lehrkräfte. Ich wünsche mir, dass die Politik dieses Mal frühzeitig Entscheidungen kommuniziert und erklärt, welche Regelung zu Masken, Quarantäne und Tests wann in Kraft tritt. Wichtig sind verlässliche und zeitsparende Tests, Lüften und Luftfilter, und dass sich alle, die geimpft werden können, auch impfen lassen. So wie die Jüngsten Rücksicht auf ihre Omas und Opas genommen haben, ist es jetzt wichtig, dass alle auf die Jüngsten Rücksicht nehmen.

"Alle haben Defizite"

Ulrike Langenfaß ist Rektorin der Mittelschule Leipziger Straße.

Rektorin Ulrike Langenfaß. (Foto: Privat)

Ich hoffe sehr, dass wir dieses Jahr einfach mal ein normales Schuljahr haben. Für alle Fälle führen wir unsere Schülerinnen und Schüler in das neue Videokonferenz-Programm Visavid ein, das wir verwenden sollen, falls es wieder Distanzunterricht gibt. Damit sie sich dann damit auskennen. Ich wünsche mir aber sehr, dass die Schulen nicht mehr geschlossen werden. Unsere Schüler schaffen das nicht noch einmal, und damit meine ich die Schüler aller Schularten. Als sie aus dem Lockdown zurückkamen, waren sie anders. Sie brauchen ihr soziales Umfeld, die anderen Schüler und den Kontakt zum Lehrer. Die wichtigste Aufgabe in diesem Schuljahr wird es sein, die Schüler ins normale Leben zurückzuführen. Und natürlich die Lücken aufzufüllen. Alle haben Defizite, in den unterschiedlichsten Bereichen. Wir müssen verstärkt auf die Fünftklässler achten, die in der dritten und vierten Klasse den Stress mit dem Übertritt und zusätzlich Covid zu bewältigen hatten. Aber auch für die Neuntklässler, die dieses Jahr ihren Quali nach dem neuen Lehrplan schreiben, wird es schwierig werden. Am ersten Schultag werden sich alle Fünftklässler mit den Eltern im Schulhof treffen, die Klassenlehrer werden dabei sein, und ich werde eine kleine Rede halten. Es wird leider nicht so feierlich wie sonst. Aber wir wollen die neuen Schülerinnen und Schüler willkommen heißen, und die Eltern sollen die Möglichkeit haben, ihre Kinder bei den Klassenlehrern abzugeben. Es ist wichtig für die Kinder, dass sie gut an der Schule ankommen.

"Mit meiner Mama geübt"

Clara kommt in die erste Klasse.

Erstklässlerin Clara. (Foto: Privat)

Ich freue mich schon sehr auf die Schule. Vor allem aufs Lesen. Dann kann ich mir endlich selbst ein Buch vorlesen! Eines mit Regenbogen vielleicht. Bisher les ich viele Bücher zusammen mit meinen Eltern. Und ich kann auch schon ein paar Buchstaben, das hab ich mit meiner Mama geübt. A, L, K, B und noch ein paar andere. Am ersten Schultag begleitet mich meine Mama. Ich bekomme eine Schultüte, die hat Mama für mich gebastelt. Wie sie aussieht, weiß ich noch nicht, das ist eine Überraschung. Ein paar Freunde von mir gehen jetzt auch in die erste Klasse, aber wir wissen noch nicht, ob wir in der gleichen Klasse sind. Im Kindergarten war es schon sehr schön. Aber ich bin gespannt, wie es in der Schule sein wird. Wir waren mit dem Kindergarten schon zwei Mal in der Schule, haben uns die Klassenzimmer angeschaut, die Lehrerinnen kennengelernt, und ein paar Schüler haben uns die Schule gezeigt. Es gibt dort auch einen Garten. Für die erste Klasse brauche ich viele Sachen, die meisten haben meine Mama und ich schon eingekauft: Kleber, Heftumschläge, Knete, Wasserfarben, einen Block. Auch meinen Schulranzen haben wir schon gekauft, den habe ich mit ausgesucht. Er ist pink, mit Glitzer.

"Mehr Feingefühl"

Juliane von Behren ist Mutter von drei Kindern, ein Kind besucht die Grundschule, der älteste Sohn von Dienstag an die sechste Klasse des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums.

Mutter Juliane von Behren. (Foto: Privat)

Ich blicke optimistisch auf das neue Schuljahr. Die Situation ist anders als im letzten Jahr. Viele sind bereits geimpft, und in der Politik wird momentan verkündet, dass der Präsenzunterricht aufrechterhalten werden soll. Mein Sohn hat auch beim Onlineunterricht mitgemacht, aber ich glaube, der Lerneffekt ist größer, wenn nicht alles nur vor einer Kamera passiert. Außerdem hat die Motivation, zu lernen, bei meinem Sohn deutlich nachgelassen, je länger der Distanzunterricht ging. Der Übergang von der vierten zur fünften Klasse war wegen der Lockdowns schwierig. Zum Beispiel wurde im Fach Englisch Wissen vorausgesetzt, das in der Grundschule wegen Corona nicht mehr unterrichtet wurde. Darauf wurde am Gymnasium wenig Rücksicht genommen. Mein Mann und ich haben mit unserem Sohn viel gelernt. Wir mussten ausgleichen, was die Schule nicht geschafft hat. Wir können das glücklicherweise, wir sind beide Akademiker und können mobil arbeiten. Aber wie sollen das andere machen? Da hätte ich mir von der Schule mehr Feingefühl gewünscht. Mein Sohn sagt, er hätte die Kinder aus seiner Klasse gerne öfter gesehen. Leider fiel die Klassenfahrt aus, und ich bin mir nicht sicher, ob sie nachgeholt wird. Ich wünsche mir, dass am Anfang dieses Schuljahres geprüft wird, wie viel vom letzten Schuljahr hängen geblieben ist, und dass nicht einfach so weitergemacht wird.

© SZ vom 11.09.2021 / kaal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Von Ulrike Heidenreich

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