Sinkende Inzidenz:München macht sich langsam locker

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Masskrugstemmen geht endlich wieder, zeigen David und Olivia am Flaucher. (Foto: Sebastian Gabriel)

Mit dem Wegfall der Testpflicht stehen die Menschen vor Geschäften in der City Schlange, ebenso am Tierpark. Nur die Lage in den Biergärten überrascht - auf den ersten Blick. So verlief das Wochenende mit den Corona-Lockerungen.

Von Franz Kotteder, München

Zurzeit ist ja viel die Rede davon, dass nach der letzten großen Pandemie in Europa die wilden Zwanzigerjahre begannen. Die Menschen wollten wieder was erleben, ausgelassen feiern und mal so richtig auf den Putz hauen.

Zum Stand der Dinge lässt sich sagen: Entweder ist die Pandemie noch lange nicht vorbei, oder die Münchnerinnen und Münchner trauen dem Frieden noch nicht so recht und gehen es erst einmal gelassen an. Denn eigentlich versprach der Sonntag in der Stadt ja richtig ernst zu nehmende Lockerungen. Gastro draußen zwar, aber ohne Regengüsse, bei Sonnenschein und ohne Testpflicht, weil die Sieben-Tages-Inzidenz mittlerweile nicht nur unter 50 gesunken ist, sondern sogar seit ein paar Tagen noch um die 30 herumeiert. Es kann also nur besser werden.

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Rund um den Marienplatz ging es bereits am Samstagnachmittag schon beinahe lebhaft zu, mit langen Schlangen vor dem Eingang zum Kaufhof und vor den Geschäften der Modeketten, dort allerdings mit deutlich jugendlicherem Publikum. "Mit dem Wegfall der Nasenbohrpflicht", sagt Wolfgang Fischer vom Einzelhandelsverband City Partner, "hat sich die Situation sowieso schon verbessert, aber am Samstag war es auch dank des Wetters fast schon wieder richtig gut." Die Testpflicht hatte zuvor schon viele Kunden abgeschreckt, "viele haben uns gesagt: Wir kommen wieder, wenn das vorbei ist."

Trotzdem ist Normalität natürlich etwas anderes, aber einen Hauch von letztem Sommer konnte man dann doch schon erleben an diesem Wochenende. Ganz vorne mit dabei war das Werksviertel hinter dem Ostbahnhof. Das ließ am Freitagabend schon mal seine Akrobatiktruppe "Free Arts of Movement", die sonst in der Kletterhalle im Alten Kraftwerk des Areals trainiert, von der Leine. "Als Schäfflertänzer der Moderne", wie Josef Glasl vom Werksviertel-Management sagte. Zu den Klängen von "Should I Stay Or Should I Go" von den Clash, turnten die fünf Burschen über die Dächer des Containerdorfs am Eingang und schlugen auch mal Salti vom Balkon im ersten Stock des Werks 12. "Aahhh", "Oh", "Puh", um die riesigen Buchstaben an der Gebäudefront zu zitieren.

"Free Arts of Movement" zeigten gewagte Akrobatik. (Foto: Sebastian Gabriel)

So richtig locker sollte es ja aber erst am Sonntag werden, ohne Testpflicht zwar nicht ins, aber doch vors Lokal und drumherum, draußen eben. Am frühen Nachmittag ist der Andrang freilich noch überschaubar, am Weissen Bräuhaus im Tal, das ja jetzt Schneider Bräuhaus heißt, wartet eine Handvoll Leute auf Einlass in die Freischankfläche, aus dem Lokal ertönt immer mal wieder Blasmusik zur Unterhaltung. Ansonsten haben nicht sehr viele Lokale geöffnet, auch der Biergarten auf dem Viktualienmarkt ist übersichtlich besetzt. Womöglich ist da aber auch die MVG mitschuldig, sie hat zur Feier des Tages extra nur am Sonntag wieder einmal bei der U-Bahn einen 15-minütigen Pendelverkehr zwischen Odeons- und Goetheplatz eingerichtet. Es wird wieder einmal am Sendlinger Torplatz gebaut, und wann soll man es sonst machen? Aber die Waggons sind deshalb gut voll, und der MVG-Slogan "Gemeinsam gegen Corona" wirkt da doch ein bisschen wie Spott und Hohn, denn so "gemeinsam" will man die Sache ja dann doch nicht durchstehen.

Wer sich jetzt noch überlegte, die Innenstadt zu meiden, aber trotzdem einen Traditionsbiergarten anzusteuern, der mag es vielleicht mit dem Nockherberg versucht haben. Ganz so leicht ist der momentan auch nicht zu erreichen; die Trambahnlinie dorthin vom Sendlinger Tor existiert gerade nicht, und den Schienenersatzverkehr in Gestalt eines Busses muss man erst einmal finden (er hält vor dem ehemaligen Postscheckamt in der Sonnenstraße, heute Isarklinikum). Nachmittags hat man dann aber ebenfalls wenig Probleme einen Platz zu finden, man bekommt seinen Tisch schon am Eingang zugewiesen. Die Warteschlangen vor dem Getränkeausschank und der Speisenausgabe sind ebenfalls noch überschaubar, auch wenn man das Gefühl hat: Die Küche muss sich erst wieder richtig eingrooven, nach einem halben Jahr Pause läuft es halt doch noch nicht wie geschmiert.

Ansonsten aber: "Endlich wieder Biergarten", wie der Herr Nachbar einen Tisch weiter sagt, "des is mia scho obganga." Eine Aussage, der hier und heute niemand widersprechen dürfte, nicht die vielen Familien, die den Mittagstisch auf diesen speziellen Münchner Hausberg verlegt haben, und auch nicht die vielen jungen Gäste, die sich mit ihren Freunden endlich mal wieder treffen können, ohne vom Gärtnerplatz oder aus den Isarauen verscheucht zu werden.

Oft bilden sich lange Schlangen vor den Eingängen - auch weil Besucher mit Tickets sich hinten anstellen müssen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Christian Schottenhamel, der Wirt des Nockherbergs, ist erst einmal zufrieden. "Die Innenstadt-Biergärten sind am Wochenende halt nicht so voll", sagt er, "in der Menterschwaige hingegen war mittags schon alles besetzt. Das hat halt dann doch schon einen gewissen Ausflugscharakter."

Auch Wolfgang Fischer von City Partner erwartet sich die nächsten Tage einen deutlichen Anstieg der Gästezahlen. "Es sind ja noch Ferien", sagt er, "und am Sonntag sind sicher viele raus aufs Land gefahren." Oder aber, sie haben ihre mittlerweile schon liebgewonnenen Freizeitgebiete in der Stadt aufgesucht. Die Theresienwiese zum Beispiel ist wieder recht belebt. Wenn man die Augen zusammenkneift in der Sonne, dann könnte man die Windskater mit ihren neongelben Segeln auf dem flirrenden Asphalt fast für Surfer auf dem Starnberger See halten. Die vielen Jogger und Inlineskater, die zu strammen Rhythmen oder entspanntem Reggae tanzen, kann man sich irgendwie auch im Central Park vorstellen. Die Theresienwiese selbst hat sich ohnehin verändert, jetzt schon im zweiten Jahr ohne Oktoberfest hat sie was von einer Steppe, mit blühenden Wildpflanzen und Grasbüscheln. 2022 wird sie dann vermutlich ein Biotop sein, und die Stadt wird sich einen neuen Ort für das Oktoberfest suchen müssen. Eines hat Wiesnchef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) ja schon klargemacht: Dubai wird das nicht sein.

© SZ vom 31.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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