Clubs in München:"Wir sind zurück, wir leben noch"

Lesezeit: 3 min

Endlich wieder Bass und Beats, Drinks und Blicke, Schweiß und Spaß - so wie es früher war, wie hier im Crash. (Foto: Robert Haas)

Unter strengen Auflagen dürfen an diesem Freitag die Clubs wieder öffnen. Wie wollen sie das schaffen? Wie ist die Stimmung? Klar ist nur eines: Die Branche will es der Politik zeigen.

Von Philipp Crone, München

Um Punkt 23 Uhr wird er den Regler aufdrehen und die vollen einhundert Dezibel wieder in den Raum lassen. Jo Kraus, DJ in der Milchbar, wird hinter seinem Pult stehen, die Gäste drinnen und draußen am Einlass, die Barkeeper an ihren Plätzen, und alle werden dann noch ein paar Sekunden auf den Moment warten, den sie zuletzt vor eineinhalb Jahren erlebt haben: Bässe, die Hosen zittern lassen, Beats, die keinen ruhig stehen lassen, Gäste, die sich eng zusammendrängen, dazu Drinks, Blicke, Schweiß und Spaß. Kraus hat sich gut überlegt, welches Lied er als erstes spielt: "Back in Black" von AC/DC. "Wir sind zurück, wir leben noch, das ist der Song dazu", sagt er. Sie leben noch, sie machen morgen auf, und was wird das für ein Party-Abend in München?

Am Donnerstagmittag kommt die Nachricht aus dem bayerischen Kabinett, dass Clubs wieder öffnen dürfen. Das war so erwartet worden, trotzdem bedeutet es für die Betreiber nun Vollstress.

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Dierk Beyer, der mit dem Neuraum, in das 2500 Gäste rein dürfen, und der Nachtgalerie mit 1500 Gästen zwei Großclubs betreibt, sagt: "Wir haben alles besprochen und geprobt, im Neuraum werden allein 15 Mitarbeiter für den Einlass zuständig sein." Denn dort wird sich entscheiden, ob der Start gelingt. Unter anderem dann, wenn die Gäste nicht ewig warten müssen. Die Regeln sind klar: Man muss geimpft oder genesen sein oder einen negativen PCR-Test dabei haben, um eingelassen zu werden. Die Betreiber rechnen damit, dass die wenigsten Gäste mit Test kommen werden, zu aufwendig, zu teuer. "Das wichtigste wird sein, dass wir die Kontrollen gut hinbekommen", sagt Beyer. Die Politik solle sehen, dass die Branche gut arbeitet.

An kurzfristige Änderungen ist die Branche mittlerweile gewöhnt

"Back to live" heißt es im Neuraum am Freitag, Clubsound, Hip Hop, Melodic und Modern gibt es in den verschiedenen Areas zu hören. Beyer will für seine Gäste die bestmöglichen Voraussetzungen für einen Club-Abend schaffen. "Und das geht nur mit dem Vertrauen der Leute, dass sie bei uns sicher und gut aufgehoben sind." Da Clubs aber schon immer Personenkontrollen durchgeführt haben - bislang eben für Altersnachweise -, ist Beyer zuversichtlich. Dem Kollegen Jakob Faltenbacher von der Milchbar geht es da nicht anders.

Zunächst waren die Betreiber noch von einer Öffnung am 2. Oktober ausgegangen, was in der Praxis nur geheißen hätte, dass man am Freitagabend erst um Mitternacht und nicht schon ein paar Stunden vorher hätte öffnen dürfen. Aber an kurzfristige Änderungen ist man in der Branche ja schon gewöhnt. "Wir sind vorbereitet, hatten alle Barkeeper in Kurzarbeit und haben sie jetzt auch zurück", sagt Faltenbacher.

Die Theorie ist einfach: Draußen strenge Regeln, drinnen feiern wie früher. Mit Maske und Abstand anstehen, Impfzertifikat, Personalausweis und Nachverfolgungsmöglichkeit vorzeigen, reingehen, laute Musik hören und das erste teure Club-Getränk seit eineinhalb Jahren genießen. Natürlich klagt auch Faltenbacher wie alle Kollegen über Personalprobleme, "aber es haben sich zuletzt auch wieder einige gemeldet". Das Problem werde nicht das erste Wochenende sein, "aber wir haben dann ja einfach regulär wieder sechs Tage die Woche geöffnet". Er gehe davon aus, dass die Barkeeper am Samstagmorgen mit einem ordentlichen Muskelkater in den Armen nach Hause gehen. Faltenbacher schimpft über die Umstände, aber er lacht und scherzt auch viel. Die Getränke seien kalt, der Laden vorbereitet. "Hoffentlich können wir es noch!"

Die Erleichterung überwiegt bei den Münchner Betreibern. Und sie sind auch beim Impfgeschehen zuversichtlich. "Ich glaube, dass das noch einmal einen kleinen Impfboom auslösen wird, viele junge Leute sind bei dem Thema ja einfach verpeilt und werden das dann jetzt schon machen", sagt Faltenbacher.

Mathias Scheffel, der an Pacha, Sweet und Filmcasino beteiligt ist, freut sich ebenfalls auf den Start. Unter den Bedingungen könnten die Clubs dann hoffentlich auch wirtschaftlich arbeiten, sagt er. Und Jürgen Mair von der Paradiso Tanzbar sagt am Telefon, während er nebenbei Anweisungen gibt für die hektischen letzten Vorbereitungen: "Wir haben alles da, sind bereit, aber was für ein Zinnober." Man sei schon komplett ausreserviert, weil viele auf Verdacht gebucht hätten. Die Tische werden also voll sein. Und da es im Paradiso ohnehin meist eine Schlange gibt, ist auch das nicht neu, da arbeiten am Freitag dann noch zwei Mitarbeiter mehr mit. Insgesamt werden 24 Kollegen und Kolleginnen den ersten Tanzabend betreuen. Ein wenig bang ist ihm allerdings schon. "Ich bin mir sicher, dass es nicht eins zu eins so sein wird wie vor Corona. Da haben doch viele noch Panik, sich in einen vollen Club zu stellen. Aber trotz allem: Ich freue mich riesig."

Die einen können nach so langer Zeit endlich wieder ihrem Beruf nachgehen, die anderen endlich wieder richtig feiern. Zum Beispiel zum stampfenden Groove von "Back in Black". Da werden einige Freitagnacht nicht nur in der Milchbar den Refrain voller Erleichterung mitschreien: "Yes I'm Back!"

© SZ vom 01.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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