Cannabis-Gesetz:Kiffen auf der Wiesn: Der Trick mit der Fußgängerzone

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Weltweite Attraktion: das Münchner Oktoberfest. In diesem Jahr findet es vom 21. September bis zum 6. Oktober statt - und erstmals nach Erlass des Cannabiskonsumgesetzes. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die bayerische Staatsregierung will die Cannabis-Verbotszonen so ausweiten, dass davon auch der Englische Garten und das Oktoberfest erfasst wären. Doch so einfach ist das gar nicht.

Von Stephan Handel

Die bayerische Staatsregierung kommt am Dienstag zu ihrer wöchentlichen Kabinettssitzung zusammen - dieses Mal mit einem brisanten Tagesordnungspunkt: Markus Söder und seine Minister wollen erörtern, wie und ob es nach dem Erlass des Konsumcannabisgesetz (CanG) möglich sein wird, neben dem im Gesetz vorgesehenen Verbotszonen in weiteren Gebieten den öffentlichen Konsum von Cannabis zu verbieten.

Das CanG sieht vor, dass rund um Einrichtungen für Kinder und Jugendliche - Schulen, Kindergärten, Sportstätten und ähnliches - Cannabis nicht konsumiert werden darf, und definiert für die Größe der Sperrzone einen Radius von 100 Metern beziehungsweise "in Sichtweite". Außerdem darf "in unmittelbarer Gegenwart" von Kindern und Jugendlichen nicht gekifft werden.

Neben diesen schon existierenden Verboten plant die Staatsregierung, für zwei weitere öffentliche Einrichtungen ein Cannabis-Verbot auszusprechen: für Parks und für Volksfeste. Das betrifft in München zunächst einmal vor allem den Englischen Garten, der im Besitz der Schlösser- und Seenverwaltung steht, also dem Freistaat gehört. Für die städtischen Parks in der Landeshauptstadt hat die Stadtregierung schon erklärt, dass sie dort keine Verbotszonen einrichten will.

Der zweite große Diskussionspunkt in München ist das Oktoberfest - schon allein deshalb, weil der Wiesn-Chef und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner eines von nur zwei CSU-Mitgliedern in OB Dieter Reiters (SPD) Referentenriege ist. Baumgärtner spricht sich ganz klar dafür aus, das Kiffen auf der Wiesn generell zu verbieten: "Auf dem Oktoberfest halten sich zumindest nachmittags auch viele Jugendliche auf. Die müssen wir schützen."

Wie das allerdings gehen soll - das weiß Baumgärtner auch nicht so genau. Vorstellen könnte er sich eine Regelung analog zu den Fußgängerzonen; dort ist Kiffen von 7 bis 20 Uhr verboten. "Aber das sollen die Experten in der Stadtverwaltung und im Ministerium ausbaldowern", so Baumgärtner.

In den Bierzelten ist der Joint zur Mass grundsätzlich nicht erlaubt, dafür wurde das Nichtraucherschutzgesetz geändert, sodass es nicht mehr nur Tabak, sondern auch Cannabis erfasst. Die meisten Wiesnwirte haben auch schon mehr oder weniger deutlich erklärt, dass sie auch in den Biergärten und den Raucherbereichen kein Marihuana und kein Haschisch dulden wollen. Möglich wird das durch das Hausrecht, das den Wirten in ihren Zelten zusteht.

Aber was ist mit den Verkehrsflächen, deren beiden größte, die Wirtsbuden- und die Schaustellerstraße die Theresienwiese von Nord nach Süd durchziehen?

Wiesnchef Baumgärtner sieht dafür eine Analogie zu den Fußgängerzonen. Aber wenn sich dort tatsächlich viele Kinder und Jugendliche aufhalten - dann wäre Kiffen doch ohnehin schon verboten? Dazu äußert sich Baumgärtner nicht näher.

Hat auf dem Oktoberfest das Sagen: Clemens Baumgärtner (CSU), Wirtschaftsreferent der Landeshauptstadt München, hier bei der Präsentation des Siegermotivs für das Oktoberfestplakat 2024. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Die anderen großen Parteien im Stadtrat haben sich schon eindeutig gegen die CSU-Pläne positioniert. Mona Fuchs, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagte: "Wir sehen gegenwärtig keinerlei Notwendigkeit für städtische Verbotszonen, die über die im Bundesgesetz vorgesehenen hinausgehen. Falls dies doch ein Thema werden sollte, sollte der Stadtrat sich damit befassen."

Das ist ein klarer Fingerzeig an Clemens Baumgärtner, dass er nicht glauben solle, er könne solche Einschränkungen auf dem Verwaltungsweg verkünden. Auch Verbotszonen im Englischen Garten lehnen die Grünen ab. Die SPD hat sich verschiedentlich ähnlich geäußert.

Ebenfalls ungeklärt ist, wie ein eventuelles Verbot kontrolliert werden soll - noch dazu, weil das CanG viele Delikte zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft hat. Das Münchner Polizeipräsidium teilt dazu mit, dass es zu den Aufgaben seiner Beamten gehört, sowohl Straftaten als auch Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen - dass allerdings Einsätze, bei denen es um Leib und Leben von Menschen geht, vorrangig behandelt werden, erst dann kommen Ordnungswidrigkeiten dran: "Dieses Vorgehen könnte man sich auch hier am Oktoberfest vorstellen, d.h. wenn eine Wiesen-Einsatzgruppe frei ist, wird sie zuerst zur Schlägerei gesendet und erst dann zu der Mitteilung über eine festgestellte Ordnungswidrigkeit."

Die hinter allem stehende Frage hat bislang noch niemand beantwortet: Ist es überhaupt möglich, dass eine Landesregierung Beschlüsse fasst, die ein Bundesgesetz einschränken? Wo doch der Artikel 31 des Grundgesetzes kurz und deutlich sagt: "Bundesrecht bricht Landesrecht."

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Die CSU gibt sich selbstverständlich überzeugt, das rechtssicher hinzubekommen. Was aber würde die Bundesregierung tun, wenn Bayern diesen Alleingang startet? Anfrage also an das Bundesgesundheitsministerium zu diesen rechtlichen Fragen.

Nach einiger Zeit die Antwort aus Berlin: "Bitte wenden Sie sich mit Ihren Fragen zuständigkeitshalber ans BMJ", also das Bundesjustizministerium. Das braucht deutlich weniger Zeit für die Auskunft: Das sei in erster Linie eine "staatsorganisationsrechtliche Fragestellung" beziehungsweise eine des Hausrechts. Und dafür sei, bitte schön, das Bundesinnenministerium zuständig.

Doch auch dort findet sich keine Lösung: Die Pressestelle verweist wiederum an das Gesundheitsministerium, das für das Gesetz federführend sei. Damit hat sich der Kreis ohne Ergebnis geschlossen.

In einer früheren Äußerung gegenüber dem Bayerischen Rundfunk allerdings hat sich eine Ministeriumssprecherin zu anderen juristischen Problemen in dem Gesetz geäußert. "Nach Verabschiedung des Gesetzes durch Bundestag und Bundesrat obliegt die Auslegung des Gesetzes den Gerichten."

Das bedeutet wohl für das Oktoberfest, für den Englischen Garten, für Parks und Volksfeste in ganz Bayern: Beschließt mal, was ihr wollt. Und dann schauen wir, was die Gerichte dazu sagen.

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