Bouldern im Freien:München soll Kraxelstadt werden

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Mit ein paar Griffen könnten viele Orte ganz anders genutzt werden - zum Klettern etwa, wie in Barcelona. (Foto: privat)

Maximilian Gemsjäger und seine Freunde setzen sich für öffentliche und kostenlose Boulderflächen ein. Dafür wollen sie Brücken und Unterführungen nutzen - doch die Umsetzung gestaltet sich schwierig.

Von Sophia Kaiser

Eine Fußgängerunterführung in Barcelona. Bunte Klettergriffe zieren die Wände, Sportler hängen an den Wänden und sogar an der gewölbten Decke. Ein Foto, das auffällt - und möglicherweise schon bald so ähnlich in München entstehen könnte. Dafür sorgen will Maximilian Gemsjäger. Im Mai hat der 26-jährige Architekt die Gruppe Kraxlkollektiv gegründet. Ihr Ziel: öffentlich zugängliche und kostenlose Kletterwände in München zu errichten, wie es sie auch andernorts in Deutschland bereits gibt. "Als ich meinen Bruder in Melbourne in Australien besucht habe, hat er mir so eine öffentliche Kletterwand gezeigt. Ich dachte mir: Warum gibt es so etwas nicht auch in München?", erzählt er.

Kurzerhand schrieb er einigen Freunden aus der Universität, dem Musikverein und auf Facebook, ob sie sich anschließen möchten. Mittlerweile hat das "Kraxlkollektiv" 20 Mitglieder. Sie halten in der ganzen Stadt nach Standorten Ausschau. Gemsjäger und seine Freunde haben zum Beispiel die Hochbrücke der A 9 am Frankfurter Ring, die Fußgängerunterführung am Oskar-von-Miller-Ring sowie weitere Brücken wie die Donnersberger- oder Hackerbrücke als Kletterorte im Blick. Am Innsbrucker Ring gibt es bereits eine frei zugängliche Kletterwand, allerdings ohne Überdachung und an Kinder gerichtet.

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Doch so einfach umzusetzen ist das nicht: Für jeden Standort sind andere Eigentümer verantwortlich, die bürokratischen Hürden sind also hoch. So kümmert sich das Baureferat Ingenieurbau um die Münchner Brücken und die Autobahndirektion Südbayern um die Hochbrücke der A 9. Und für Boulderwände sei keine Behörde wirklich zuständig.

Gemsjäger bouldert seit sieben Jahren. "Während des Lockdowns hatte ich dann mehr Zeit und habe mit der Planung angefangen", erzählt er, meistens an zwei Tagen pro Woche. Eigentlich arbeitet er in einem Architekturbüro, an der Uni und als Selbstständiger. Bei seinen Ideen erhält er Unterstützung von CSU-Stadträten, Anfang Juni reichten Jens Luther und Ulrike Grimm einen Antrag auf Genehmigung von Boulderwänden ein. Er enthält neben einer Liste von Standorten auch Fragen zur Haftung und Wartung der Kletterwände. So könne eine Wand über die Stadt München, einen kommerziellen Versicherer, einen Sportverein oder den Bayerischen Landessportverband versichert werden. Für die Wartung schlägt das Kraxlkollektiv einen Sportverein mit Ehrenamtlichen oder die Stadt München vor.

"Ich finde es wichtig, dass es kostenlose Sportflächen in München gibt", sagt Maximilian Gemsjäger. (Foto: Florian Peljak)

Bis zum 9. Dezember muss der Antrag bearbeitet werden. "Wenn er genehmigt wird, bräuchten wir noch etwa drei Monate für die Planung und ein Crowdfunding", rechnet Gemsjäger vor. Heißt: Wenn alles gut geht, könnte es im Frühjahr 2021 schon eine öffentliche Kletterwand in München geben. Fast hätte eine schon in diesem Jahr geklappt: Für den "Sommer in der Stadt" wurde eine temporäre Kletterwand auf der Theresienwiese genehmigt, doch die Zeit war zu knapp. Von der Genehmigung bis zum Starttermin blieben nur drei Wochen, um das Budget mittels Sponsoren oder Crowdfunding zusammenzutragen.

Die Kosten für eine Kletterwand oder den Umbau eines Standortes sind nicht ohne. Die Wände müssen mit Holzplatten ausgekleidet werden, an denen Bouldergriffe - die ebenfalls gekauft werden müssen - befestigt werden können. Dazu kommt die Ausstattung der Böden mit einem Fallschutz wie Tartan-Matten und bessere Beleuchtung. Würde man die Unterführung am Oskar-von-Miller-Ring so umbauen, wie das in Barcelona der Fall war, würde das fast 300 000 Euro kosten. Doch es ließe sich auch einiges sparen. "Wenn einige der benötigten Materialien, wie die Holzplatten, gespendet werden würden, könnten wir diese selbst verbauen und uns die professionelle Firma sparen", sagt Gemsjäger. "Ich denke, dass dann ein Ausbau auch für 60 000 Euro möglich wäre." Eine freistehende Kletterwand wäre mit etwa 25 000 Euro günstiger als der Einbau in eine Unterführung.

Warum der 26-Jährige so einen Aufwand betreibt? "Ich finde es wichtig, dass es kostenlose Sportflächen in München gibt, wie die Eisbachwelle zum Beispiel. Nicht jeder kann sich den Eintritt oder Mitgliedschaften leisten. Die Kletterwände sind auch eine gute Idee, um Restflächen aufzuwerten." Damit meint Gemsjäger Orte, die nicht aktiv genutzt werden, wie eben die Fußgänger-Unterführung am Oskar-von-Miller-Ring, die im Rahmen der Altstadtring-Sanierung zugeschüttet werden soll. Doch bevor dort oder anderswo in München die Boulderer wie in Barcelona an der Wand hängen, muss es erst einmal im Stadtrat vorangehen.

© SZ vom 06.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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