Klettersport:Eine Stadt bouldert an die Spitze

Aufbau für IFSC Boulder World Cup in München, 2016

Aufbau für den Weltcup: Es gibt kaum eine passendere Stadt für das Boulder-Saisonfinale 2016 als München.

(Foto: Robert Haas)
  • In München klettern und bouldern laut Deutschem Alpenverein rund 50 000 Menschen.
  • Die Idee vom Klettern ist längst nicht mehr an den Fels gebunden. Es gibt so viele Hallen wie in kaum einer anderen Stadt.
  • Dem Boom den finalen Schwung gegeben hat das Bouldern, das Klettern ohne Sicherung in Absprunghöhe. Es ist besonders für Einsteiger geeignet.

Von Max Ferstl

Wenn Mark Eisele einen Blick aus seinem Büro wirft, sieht er, wie Menschen in Seilen hängen, wie sie an kleinen Griffen aus Plastik Halt suchen, wie sie sich langsam eine steile Wand nach oben schieben. Besonders abends sieht der Betriebsleiter der Kletterhalle Thalkirchen viele, die sich an den bis zu 18 Meter hohen Wänden versuchen. 700 Besucher kommen im Schnitt täglich, 250 000 waren es im Jahr 2015. Fast dreimal so viele wie Anfang 2000, erzählt Eisele. Klettern boomt, besonders in München.

Die Halle in Thalkirchen gilt als weltweit größte ihrer Art: 6540 Quadratmeter Kletterfläche mit etwa 555 Routen. In München gibt es zudem noch sechs weitere, durchaus stattliche Anlagen. Der Deutsche Alpenverein (DAV) hat ausgerechnet, dass im Stadtgebiet mehr als 50 000 Menschen klettern. Wenn an diesem Freitag und Samstag die weltbesten Kletterer der Disziplin Bouldern im Olympiastadion ihr Saisonfinale begehen, werden wohl wie im Vorjahr wieder 12 000 Zuschauer mitfiebern.

Vor zwei Jahren wurde hier sogar die Weltmeisterschaft ausgetragen. "München ist Deutschlands Bergsteigerhauptstadt", sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Der Begriff ist ihm lieber als "Kletterhauptstadt".

Dieser Titel ist schließlich etwas umstritten. Im fränkischen Jura, zwischen dem Dreieck Nürnberg, Bayreuth, Bamberg, befinden sich weltweit sehr bekannte Routen. Damit kann München nicht aufwarten. Aber die Anzahl der Aktiven und der Hallen - "das gibt es in keiner deutschen Stadt".

Der Kletter-Boom ist ein relativ junges Phänomen, Mitte der 1990er Jahre ging es los. Geklettert wird in München allerdings schon seit dem 19. Jahrhundert. Alpinisten und Bergsteiger übten an Felsen bei Buchenhain für ihre Touren im Gebirge. Es war eine kleine Szene. Tausende Hände, Griffe und Kletterzüge haben den einst grobkörnigen Stein über die Jahre langsam glatt geschliffen. Inzwischen klettert dort kaum noch jemand. Ein Indiz, dass die Idee vom Klettern nicht mehr an den Fels gebunden ist.

Als Vorbereitung für den natürlich Fels gedacht - dann kam der Boom

"Man muss mindestens eine Stunde fahren, um in die Berge zu kommen", sagt Eisele. Das ist nichts, was sich nach Feierabend schnell erledigen lässt - anders als ein Besuch in der Kletterhalle. Früher nur als Vorbereitung für den natürlichen Fels gedacht, hat sich das Indoor-Klettern emanzipiert. Die Hallen in München sind gut besucht, erst im April wurde eine neue Anlage in Neuperlach eröffnet.

Bisher war es immer so, dass mit jeder neuen Halle auch neue Kletterer gekommen sind. "Es trägt sich", meint Eisele. Schaut der Betriebsleiter genauer hin, wenn er aus seinem Bürofenster blickt, erkennt er auch den aktuellen Kletter-Trend: Viele, die sich da versuchen, tun dies nicht angeseilt in luftiger Höhe. Sie klettern an kleineren, viereinhalb Meter hohen Wänden; ohne Seil, Stürze werden von Weichbodenmatten abgefedert.

Bouldern - Klettern in Absprunghöhe - heißt die Variante, die dem Kletterboom den finalen Schwung gegeben hat. In München gibt es sogar zwei große Hallen, die ausschließlich diese Variante anbieten: die Boulderwelt West in Neuaubing und die Boulderwelt Ost am Ostbahnhof.

Bouldern ist eine Teamsportart

Bouldern, sagt Bucher, "das ist die Essenz des Kletterns". Man brauche nur ein paar Schuhe und einen Magnesiabeutel. "Der Einstiegswiderstand ist gleich Null." Vor allem aber stiftet der Sport ein neues Gemeinschaftsgefühl. Beim klassischen Klettern, auch Lead-Klettern genannt, sind die Sportler als Tandem unterwegs: Einer klettert, der andere sichert.

Im Boulder-Bereich einer Halle sieht man hingegen kleinere Gruppen vor der Wand stehen. Die Kletterer, in der Regel junge Sportler, diskutieren das Problem, sie probieren es der Reihe nach aus, schauen, was der andere macht. "Es ist ein bisschen wie beim Skateboardfahren", findet Bucher: "Einer versucht einen Trick. Wenn er gelingt, jubeln die anderen."

Der Klettersport in München ist mit den Hallen und dem Bouldern in gewisser Weise zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt. Denn an den fünf Meter hohen Felsen im Buchenhain wird ja schon immer "gebouldert".

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