Debatte um Entwicklung im Stadtbezirk:Weniger Bewohner, mehr Natur

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Die Stadt plant im Münchner Nordosten ein Siedlungsgebiet für 30 000 Menschen. Viele Anwohner fordern dagegen, nur Platz für 10 000 neue Bewohner zu schaffen. (Foto: rheinflügel severin/bbz landschaftsarchitekten/LHM)

Bei der Bürgerversammlung in Bogenhausen fordert eine Mehrheit der Anwohner die Reduzierung der Pläne für die SEM Nordost und den schnellen barrierefreien Umbau der S-Bahnhöfe. Eine Steuer auf private Swimmingpools dagegen findet keine Zustimmung.

Von Patrik Stäbler

Schon der zweite von knapp 40 Anträgen bei dieser Bürgerversammlung sorgt für reichlich Heiterkeit in der Turnhalle des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums - vermutlich, weil er ein Klischee wiedergibt, das viele Menschen mit Bogenhausen verbinden. Der Antragsteller fordert eine Steuer auf private Swimmingpools, da diese - Stichwort Energiekrise - in den aktuellen Zeiten nicht mehr vertretbar seien.

Während dieser Vorstoß durchaus überraschend kommt, dreht sich das Gros der Anträge um erwartbare Themen. Allen voran ist dies die sogenannte Stadtentwicklungsmaßnahme (SEM) - jenes 600 Hektar große Areal östlich von Daglfing und Englschalking, wo laut Stadtratsbeschluss ein neues Stadtquartier für bis zu 30 000 Menschen entstehen soll. Zwar wird es noch viele Jahre dauern, bis die Bagger dort rollen, jedoch bereitet die Aussicht auf dieses Großprojekt vielen Bewohnerinnen und Bewohnern im Münchner Nordosten Sorgen. Einige von ihnen haben sich in der Initiative Bündnis Nordost vereint, dessen Vorsitzende Daniela Vogt bei der Bürgerversammlung fordert, das Neubaugebiet auf 10 000 Menschen zu begrenzen, um Raum für "Natur und Pferdesport sowie wichtige Kalt- und Frischluftschneisen" zu lassen.

Ihr Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen - wohl auch, weil Daniela Vogt darin eindringlich warnt, mit der SEM zu starten, bevor die Bahnstrecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen viergleisig ausgebaut und im Tunnel verschwunden ist. Hierzu erläutert ein Vertreter des Planungsreferats, dass sowohl eine Tunnellösung - hierfür hat sich der Stadtrat mehrfach ausgesprochen - als auch eine oberirdische Variante derzeit untersucht würden. Die Ergebnisse sollen Anfang 2023 vorliegen, dann müsse der Stadtrat entscheiden, sagt der Behördenvertreter. "Es geht hier um sehr viel Geld." So rechnet eine Grobkostenschätzung der Bahn mit 2,4 Milliarden Euro für die Tunnellösung und 0,9 Milliarden Euro für eine oberirdische Trasse.

In Zusammenhang mit der SEM und dem geplanten Bahnausbau steht auch ein Ärgernis, das viele Menschen in Bogenhausen umtreibt - der Zustand der S-Bahnhöfe. So müsse man in Johanneskirchen 50 Stufen bewältigen, um zum Bahnsteig zu gelangen, ärgert sich eine Bürgerin. Für viele Menschen mit Behinderung oder Eltern mit Kinderwagen sei das eine enorme Herausforderung. Ihr Antrag, an den Bahnhöfen durch kurzfristige Renovierungsmaßnahmen "ein Mindestmaß an Sicherheit und Barrierefreiheit" herzustellen, wird nahezu einstimmig befürwortet. Allein Florian Ring (CSU), der Vorsitzende des Bezirksausschusses Bogenhausen, gibt sich da wenig zuversichtlich: "Die Bahn sagt, sie will damit warten, bis die SEM kommt. Deshalb fürchte ich, dass wir auf einen barrierefreien Ausbau der Bahnhöfe noch relativ lange warten müssen."

Doch nicht nur an die Bahn richtet sich Kritik bei dieser Bürgerversammlung, sondern auch ans Rathaus. So bemängelt ein Mann, dass die Infoveranstaltung zur geplanten Tram-Nordtangente nur eineinhalb Wochen vor dem zugehörigen Stadtratsbeschluss stattgefunden habe. Eine Berücksichtigung der Einwände aus der Bürgerschaft sei so unmöglich gewesen. Ein weiterer Antragsteller regt sich über die "sinnlose Sommerstraße" in der Stuntzstraße auf. "Da wird Geld zum Fenster rausgeworfen und ein enormer Aufwand betrieben für gerade mal 250 Quadratmeter." Seinem Antrag, der sich gegen eine Neuauflage der Sommerstraße richtet, stimmt eine Mehrheit der knapp 200 Anwesenden zu. Keinen Erfolg hat dagegen der erwähnte Vorstoß gegen den "Swimmingpool-Wahnsinn" in Bogenhausen. Der Antrag für eine Besteuerung von Privatpools wird von der Mehrheit der Anwesenden abgelehnt.

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