Bürgerversammlungen für Kinder:Wie Demokratie mit Leben gefüllt wird

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In der Bürgerversammlung für Kinder in der Isarvorstadt dürfen die Kinder eigene Anträge vorbringen und (wie im Bild) darüber abstimmen. (Foto: Catherina Hess)

Bisher machen sich nur einige der 25 Bezirksausschüsse die Mühe, in ihren Vierteln eigene Kinderforen abzuhalten. Das soll sich ändern.

Von Ellen Draxel

Mehr Bäume, sichere Verkehrswege, längere Ampelphasen, mehr Platz auf der Straße - Kinder, weiß Michael Schelle (Grüne), "wissen ganz genau, was geht und was nicht". Mädchen und Jungen hätten sehr geerdete Vorstellungen, sagt der Kinder- und Jugendbeauftragte des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe. Nur haben die jungen Leute selten Gelegenheit, ihre Wünsche auch zu artikulieren.

Zwar gibt es im Münchner Rathaus in regelmäßigen Abständen Kinder- und Jugendforen, welche die Kinder- und Jugendbeauftragte der Stadt in Kooperation mit der Stadtverwaltung und Münchner Schulen organisiert. Da werden Ideen gesammelt, städtische Paten bekommen Taschentücher mit Knoten überreicht, damit sie nicht vergessen, die Vorschläge der Kinder weiterzutragen. Darüber hinaus aber machen sich lediglich einige der 25 Münchner Bezirksausschüsse die Mühe, in ihren Vierteln eigene Kinderforen abzuhalten. Das soll künftig besser werden.

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Denn ein Stadtratsantrag von Grünen und Rosa Liste sowie der SPD-Fraktion dürfte gute Aussichten haben, zumindest als Pilotprojekt realisiert zu werden - zumal sich die Stadt mit der kürzlich erfolgten Etablierung eines Kinder- und Jugendrathauses, angesiedelt direkt bei Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), die Stärkung von Kinderrechten auf die Fahnen geschrieben hat. In dem Antrag bitten insgesamt 17 Stadträte - die grün-rote Stadtratsmehrheit im Rücken - die Verwaltung, von 2024 an Pilotprojekte in ausgewählten Stadtvierteln zu unterstützen: Modellhaft will man Kinder- und Jugendeinwohnerversammlungen für alle Einwohnerinnen und Einwohner unter 18 Jahren am gleichen Tag und am selben Ort wie die regulären Bürgerversammlungen für Erwachsene abhalten. Die Einladung dazu soll durch das Direktorium erfolgen, analog zu den regulär jährlich stattfindenden Bürgerversammlungen.

Der logistische Vorteil liegt auf der Hand. Die Bürgerversammlungen für die 25 Münchner Stadtbezirke finden ohnehin mindestens einmal jährlich statt, dafür stehen Schulfoyers oder eigens angemietete Hallen zur Verfügung, die Einladungen werden durch die Post versandt, die Verwaltung organisiert Ablauf und Nachverfolgung, außerdem sind Vertreter der Referate präsent. Konkret könnte eine solche Kinder- und Jugendversammlung zum Beispiel am Tag der Bürgerversammlung von 16 bis 18 Uhr stattfinden, anschließend würde die Bürgersprechstunde folgen, ab 19 Uhr dann die reguläre Bürgerversammlung für alle Erwachsenen.

"Das soll ein Automatismus werden für jedes Stadtviertel", erläutert Grünen-Stadträtin Sibylle Stöhr, zugleich Vorsitzende des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe. Die initiierenden Stadtratsfraktionen wollten der Idee der beiden Kinder- und Jugendbeauftragten von der Schwanthalerhöhe und aus Sendling "Rückenwind geben" - nicht zuletzt, um die mit erheblichem Aufwand verbundenen ehrenamtlichen Initiativen in den Stadtteilgremien zu fördern. So wurden in den vergangenen zwölf Monaten lediglich in sechs von 25 Stadtbezirken Kinder- und Jugendeinwohnerversammlungen abgehalten - denn die ehrenamtlich arbeitenden Bezirksausschüsse haben auch ohne solche freiwilligen Veranstaltungen sehr viel zu tun.

"Durch regelmäßige Kinderversammlungen in ganz München könnte sich dieses Format langfristig in der Breite etablieren und wirkliche Partizipation von klein auf gelebt werden", hofft Sahra Aboudarar (Grüne), die Kinder- und Jugendbeauftragte des Sendlinger Bezirksausschusses, die für ihren Versuch einer Jugendversammlung im Sommer 2022 "bestimmt 30 Stunden" Arbeitszeit aufgewandt hat. Auch Michael Schelle hat 2023 zum ersten Mal eine Einwohnerversammlung für Kinder und Jugendliche organisiert, "das war sehr arbeitsreich". Immerhin: 17 Anträge seien gestellt worden.

Man könne den Kindern so sehr gut zeigen, wie Demokratie und Partizipation auf kommunaler Ebene funktionierten. Er verspricht sich von dem neuen Projekt vor allem schnellere Ergebnisse, sodass die Kinder auch zeitnah erlebten, "dass ihr Aktivsein etwas bewirkt". Bislang, so Schelle, sehe die Praxis anders aus: "Die Mädchen und Jungen wünschen sich was im Kindergarten-Alter und erleben die Umsetzung dann kurz vor dem Abitur."

Das neue Format, das bestehende Demokratie-Elemente wie die Foren im Rathaus oder auch den Kinderaktionskoffer ergänzen soll, könnte die institutionalisierte Partizipation Minderjähriger verbessern helfen. Details sind noch nicht ausgearbeitet. Im Januar wollen die Politiker das städtische Direktorium, die Stabsstelle des Oberbürgermeisters, ins Boot holen. Auch die Altersgrenzen sind noch nicht in Stein gemeißelt. Christl Feiler (Grüne) vom Westschwabinger Bezirksausschuss etwa kann sich durchaus auch vorstellen, die neuen Einwohnerversammlungen bis zum Alter von 21 Jahren zu öffnen. "Weil es für viele einfacher ist, bei so einer Kinder- und Jugendversammlung zu reden als vor Erwachsenen".

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