"Oktober Folk Club":Traditionelles Setting - neue Popmusik

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Mikrofone werden nur in größeren Konzerträumen genutzt: Der Oktober Folk Club setzt auf unverstärkten Akustik-Sound. (Foto: Privat)

Die Zeiten, in denen der Bassist sich an einem Drahtseil abarbeitete, sind vorbei. Der Münchner "Oktober Folk Club" klingt auf seinem neuen Album wie eine richtige Jug-Band der Zwanzigerjahre - aber ohne bloß zu reproduzieren.

Von Dirk Wagner

Spätestens mit Lonnie Donegans Single-Hit "Rock Island Line" brach 1956 in England eine Skiffle-Begeisterung aus, die Jazzmusiker wie Ken Coyler, Chris Barber oder Alexis Korner dort kurz zuvor geweckt hatten. Inspiriert waren sie von der US-amerikanischen Musik der Zwanzigerjahre. In Folge gründeten viele junge Musiker in Großbritannien nun ihre eigenen Skiffle-Bands. So auch John Lennon, dessen Skiffle-Band The Quarrymen als Ursprung der späteren Beatles gilt. Der Rest ist die ausreichend oft erzählte Geschichte vom Erstarken einer englischen Popmusik, die nicht nur den Rock'n'Roll wieder zurück nach Amerika transportiert hatte, sondern auch eine europäische Popkultur prägte. So gesehen, darf man auch Münchner Bands wie Der Englische Garten oder Die Moulinettes als die Spätfolgen einer englischen Skiffle-Begeisterung begreifen.

Nun treffen sich Musiker dieser verschiedenen Münchner Formationen in der gemeinsamen Band Oktober Folk Club. Die gewinnt, wie dereinst auch die englischen Skiffle-Bands, ihre Bassklänge über eine umgestülpte Blechwanne samt eingerammtem Besenstiel und einem gespannten Hanfseil. Und sie bezieht sich wieder auf die afro-amerikanischen Jug-Bands der Zwanzigerjahre. Auf Straßenmusiker also, die sich keine teuren Instrumente leisten konnten.

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Dass die schwere deutsche Zinkwanne dabei ganz anders klingt als die US-amerikanischen Weißblechwannen, hielt die Münchner nicht davon ab, es anfangs mit eben jener deutschen Schwermetall-Ausgabe samt Drahtseil zu versuchen. "Das klang freilich mehr nach Einstürzende Neubauten als nach den Vorläufern einer Rock'n'Roll-Musik", erinnert sich der Violinist und Harmonika-Spieler Martin Lickleder. Und auch daran, wie viele Handschuhe der Bassist Christian Salz damit während der Proben zerfetzt hat.

"Ob so eine elektronische Tonaufnahme überhaupt ins Bandkonzept passt?"

Mittlerweile hat Salz jedoch eine echte US-amerikanische Weißblechwanne, womit die Band um den Banjo-Spieler Axel Koch endlich wie eine richtige Jug-Band klingt. Nur dass sie damit nicht die Musik der Zwanzigerjahre reproduziert. Oktober Folk Club nutzt das traditionelle Setting vielmehr, um damit eine neue Popmusik mit überwiegend eigenen Kompositionen zu schöpfen. Nur in größeren Konzerträumen benützt die Band Mikrofone. Dergestalt konnten sie sogar in einem Rocker-Club in Kiew punkten.

Weil der Oktober Folk Club sich vorrangig als Live-Band versteht, hat er bislang nur sehr wenige Tondokumente veröffentlicht. Die letzte Veröffentlichung ist mehr als zehn Jahre her. "Für eine Band, die von sich selbst behauptet, dass sie gemeinhin ohne Strom auskommt, ist es ohnehin fraglich, ob so eine elektronische Tonaufnahme überhaupt ins Bandkonzept passt", räumt Lickleder ein.

Trotzdem ist heuer endlich wieder ein neues Oktober-Folk-Club-Album erschienen: "Big ol' Caravan". Neben einer Coverversion des John-Mayall-Songs "Crawling Up A Hill" sind darauf diesmal nur Eigenkompositionen zu hören. Dank der dreistimmigen Harmoniegesänge klingen diese dennoch wie Klassiker. Da werden zum Beispiel auch Erinnerungen wach an jene Chöre in "Three Cool Cats", wie es die Beatles auf dem legendär verschmähten Demo-Tape für die Plattenfirma Decca intoniert hatten. Gleichwohl Decca damals die Beatles zum großen Vergnügen späterer Rockhistoriker abgelehnt hatte, ist jenes Tape mittlerweile als CD und LP veröffentlicht.

Gelegentlich wähnt man die Oktober-Folk-Club-Musiker aber auch von Country-Legenden wie Townes Van Zandt beeinflusst. Oder auch von einer Psychedelic-Bewegung der Sechziger Jahre, in der sich US-amerikanische Bands wie Lovin' Spoonful oder The 13th Floor Elevators ebenfalls inspirieren ließen. Das auf dem bandeigenen Label Folkclub Records erschienene Album ist unter anderem über die Web-Seite der Gruppe erhältlich: www.oktoberfolkclub.de

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