Die Weghalbe:Auf dem Biergersteig

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Die Weghalbe gehört inzwischen in den Ausgeh-Ablauf der Generation U25. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Der Weg ist das Ziel? Dann ist manchmal das Ziel weg. Über die schlimme und längst fest etablierte Unsitte der Weghalben.

Glosse von Philipp Crone

Der Weg ist eben nicht immer das Ziel. Und das gilt nicht nur für Rad- oder Autorennen. Wenn man sich derzeit zum Beispiel abends auf einen Innenstadtbürgersteig in der Nähe belebter Kneipen stellt, wird schnell klar, dass das Phänomen des Wegbiers, das vor Jahren aufkam und durch Corona nun endgültig in den Ausgeh-Ablauf der Generation U25 integriert ist, zwar die Heiterkeit am Zielort erhöhen mag, aber doch nicht die unterwegs.

Eine Weghalbe ist letztlich nur die Abmilderung dessen, was Triathleten an ihren Versorgungsstationen vorführen. Druckabfüllung von Nahrung. Und das in einer Stadt, in der die bierselige Gemütlichkeit und die Braukultur mindestens an Bierbänke, wenn nicht an diesig dunkle Bierhallen geknüpft ist. Warum um Himmels Willen muss denn im Gehen Bier getrunken werden?

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Natürlich sagt der Lateiner, von denen es in dunklen Bierhallen jede Menge gibt, dass es doch schon früher hieß: Solvitur ambulandum. Es löst sich beim Gehen. Da waren aber eher Probleme gemeint, die im Kopf gewälzt wurden. Nicht Gebrautes, dass im Stechschritt geschluckt werden muss. Andererseits ist das Wegbier nur halb so schlimm wie die Wegzigaretten, immerhin kann man beim Schlucken noch atmen. Das Wegbier oder die Weghalbe sind aber nicht nur beim Schluckvorgang problematisch und zu verurteilen, auch muss jeder Brauer die Hände über dem Kopf zusammen schlagen. Da bringt man das Getränk mühsam zur Vollreife, der Kiosk kühlt die Flasche auf ideale Trinktemperatur, und dann hält der Bier-Banause seine Hand dran, dass es schon nach zwei Blocks schal und warm ist.

Muss denn wirklich der Weg nun auch noch vollends durchfunktionalisiert werden und bleiben? Nahrungsaufnahme über Döner und Co, Trinken der Wegbiere. Reicht es nicht, dass offenbar kein Betreten eines Münchner Bürgersteiges mehr gestattet ist, ohne den Kopf schlagartig auf das nächste leuchtende Display zu halten? Bitte dann nicht auch noch eine Halbe in der anderen Hand, die wartet doch am Ende, dem Ziel, in einem warmen Wirtshaus, frisch gezapft und mit Schaumkrone. Es heißt, wie selbst Fredl Fesl weiß, ja Bürgersteig, und nicht Biergersteig. Spätestens, wenn der erste 2025 in seinen Weg-Schweinsbraten beißt, werden die Lateiner aus allen Lokalen der Stadt rufen: O Tempora, O Mores.

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