Band "Milliarden" in München:Konzert für einen einzigen Zuschauer

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Die Berliner Band "Milliarden" tourt gerade trotz Lockdown durchs Land - in einem zum Ein-Zuschauer-Saal umgebauten Van. Auch in München haben die Musiker Station gemacht.

Von Dirk Wagner

So weit ist es also gekommen. Die Berliner Band Milliarden landete vergangene Woche mit ihrem neuen Album "Schuldig" auf Platz 7 der deutschen Album-Charts. Trotzdem saß am Freitag in ihrem Münchner Konzert nur ein einziger Fan. Mehr Zuschauer waren allerdings auch nicht zugelassen in jenem Kleintransporter, den die Band zusammen mit zwei befreundeten Innenarchitektinnen zu einer mobilen Konzerthalle umgestaltet hatte.

Um darin auch einen Schutz vor Infektionen zu garantieren, wurde der Laderaum des Kleinbusses mit einer durchgehenden Plexiglasscheibe zweigeteilt. Im vorderen Bereich wurde die Bühne eingerichtet, auf der Sänger und Gitarrist Ben Hartmann und Johannes Aue am Keyboard unter einem Papierrosen-Himmel spielen. Im hinteren Teil jenseits der Plexiglasscheibe kennzeichnen derweil Konzerthallen-typische Tournee-Plakate an den Wänden den Zuschauerraum, in dessen Mitte ein einzelner Zuschauer auf einem breiten Sessel während der zwanzig-minütigen Konzertdauer regelrecht thront.

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Da reguläre Konzerthallen ja derzeit nicht bespielt werden dürfen, tourt Milliarden anlässlich ihrer neuen Veröffentlichung nun mit einer solchen mobilen Halle durch Deutschland. Maximal zwei Städte pro Tag fährt die Band an. Pro Stadt spielt sie fünf kurze Konzerte mit großzügigen Pausen dazwischen, damit der Bus für das jeweils nächste Konzert ausreichend durchlüftet und desinfiziert werden kann.

Die eingeladenen Zuschauer wurden über eine Verlosung im Internet auserkoren. Um Menschenmengen zu vermeiden, wurden die Gewinner persönlich und mit Bitte um Verschwiegenheit informiert, wo und wann genau die Konzerte stattfinden. Etwa in München vergangenen Freitagmittag auf einem verwaisten Parkplatz hinter dem Backstage-Werk. Nicht einmal die nähere Umgebung bekam dort mit, mit welcher Begeisterung zum Beispiel eine junge Frau im Inneren des Busses ein Konzert erlebte. Selbst die Songs, die gespielt wurden, durfte sie bestimmen. So, wie auch ihren Vorgängern eine ganz persönliche Setliste geboten wurde.

Die Band hingegen genießt es vor allem, mit ihren Fans ins Gespräch zu kommen. Dabei würden sie sehr berührende und persönliche Geschichten ihres Publikums erfahren, die sie letztlich auch wieder in ihrem Tun bestätigen, sagt Sänger Ben Hartmann: "Wenn wir normalerweise vor vielen Zuschauern spielen, bekommen wir sehr viel Energie zurück. Aber unsere Begegnungen nun mit den einzelnen Fans sind ganz besonders magische Augenblicke."

Dafür allein habe sich diese ungewöhnliche Tournee schon gelohnt, bestätigt auch Keyboarder Johannes Aue. Geld war damit nämlich nicht zu machen. "Aber ums Geldverdienen geht es uns mit der Musik auch gar nicht", räumt Hartmann ein: "Bei Musik ist die Ökonomie nur ein Abfallprodukt. Das kommt, wenn man es tut. Das wichtige sind die Rituale, die sozialen Kontakte. Die Kohle werden wir irgendwann schon wieder reinholen."

Weil sie für ihr neues Album das eigene Label "Zuckerplatte" gegründet hatten, kommt Milliarden jetzt auch noch für ihre Tour-Kosten selber auf: für das Benzin also, für die Übernachtungen und für das Essen. Dabei können die Musiker letzteres wegen der Pandemie aber noch nicht einmal in gemütlichen Restaurants genießen. "Selbst auf der Autobahn sind die Raststätten zu. Da kriegst du höchstens mal an der Tankstelle eine Wurst", sagt Aue. Und statt nach den Konzerten wie sonst auf geselligen After-Show-Partys zu feiern, fährt die Band weiter zur nächsten von Corona narkotisierten Großstadt.

Während also ihre Münchner Zuschauer am Freitagnachmittag wieder in den Alltag verschwanden, machte die Band sich auf den Weg nach Köln. "Unterwegs werden wir noch einen Fan überraschen", verriet Aue zum Abschied: "Sie lebt auf einem Dorf in der Nähe von Frankfurt, hat sie uns geschrieben. Also machen wir einen Zwischenstopp direkt vor ihrer Haustür."

© SZ vom 16.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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