Maxvorstadt:Angst um das Zuhause

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  • Ein Investor will die Schellingstraße 134 sanieren. Die Mieter befürchten, dass sie dadurch ihr Zuhause verlieren.
  • Die Furcht ist begründet, denn der Vermieter hat einigen Mietern bereits fristlos gekündigt.
  • Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist es Vermietern erlaubt, Mietern zu kündigen, wenn sie unberechtigt und unter bestimmten Umständen Modernisierungsmaßnahmen nicht dulden.

Von Stefan Mühleisen

Beim ersten Besuch hatte der Makler eine Flasche Wein dabei. "Der war nicht unfreundlich", erzählt Joana Zenker. Danke für die Umstände, habe er gesagt. Beim zweiten Termin vor einigen Wochen ging es unterkühlter zu. Kiefer & Remberg habe ihn beauftragt, die Wohnung zu veräußern, sagte er wie schon beim ersten Mal, fügte aber hinzu: "Gerne auch ohne uns Mieter", erinnert sich die 29-Jährige Unternehmensberaterin. Fassungsloses Kopfschütteln in der Runde. "Wir sind doch nur lästiges Beiwerk für die", kommentiert Karl Haas, 60, Nachbar aus dem zweiten Stock.

Es herrscht angespannte Atmosphäre in der Erdgeschoss-Wohnung im Haus an der Schellingstraße 134. Wieder einmal. Sieben Bewohner haben sich versammelt, um zum dritten Mal innerhalb knapp eines Jahres der Süddeutschen Zeitung vom Konflikt mit den neuen Eigentümern des Hauses zu erzählen, der Kiefer & Remberg GmbH.

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Es geht in diesem wie in vielen Fällen um ein Bestandsgebäude, in diesem Fall mit 13 Wohnungen, das ein Investor sanieren und aufwerten - im Jargon: "modernisieren" - will. Es geht um Mieterhöhungen und Menschen, die fürchten, ihr Zuhause zu verlieren. Die Furcht ist begründet, denn der Vermieter hat einigen Mietern fristlos gekündigt. Es ist die vorerst letzte Etappe einer Eskalationsspirale - und ein Beispiel dafür, wie der Münchner Immobilienmarkt sich zum Grabenkrieg zwischen Mietern und Vermieter auswachsen kann.

Kiefer & Remberg hatte Mitte Mai 2016, kurz nach dem Kauf des Hauses, die Aufwertung des Gebäudes sowie Mieterhöhungen angekündigt. "In einem ersten Schritt" sollten neue Fenster eingebaut werden. Auf der Internetseite ihres neuen Hausherren lasen die Bewohner: "Kiefer und Remberg ist ihr Bauträger für Luxusobjekte (...) Ziel unserer Arbeit ist es, für Sie ein Eigenheim zu schaffen, in dem Sie sich ein Leben lang wohlfühlen."

Nun wussten die Mieter, dass ihr Vermieter zu den "Aufteilern" zählt, wie die Branche Akteure nennt, die Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln. Ein einflussreicher Makler benutzt diesen Begriff auch für Kiefer & Remberg. Im Portfolio der Münchner Firma sind je ein Haus in Giesing und Neuhausen vermerkt, die gekauft, modernisiert und nach Auskunft des Branchenkenners zumindest teilweise "aufgeteilt" wurden.

Juristisch ist das zunächst nicht zu beanstanden: Hauseigentümer dürfen "Modernisierungsmaßnahmen" vornehmen, elf Prozent der Kosten auf die Mieter umlegen, die Wohnungen verkaufen. Der Mieterverein München vertritt inzwischen stadtweit 300 Hausgemeinschaften, die sich dagegen wehren. Manchmal müssen die Bewohner jahrelang Lärm und Dreck im Haus ertragen - ohne zu wissen, wie hoch die Mieterhöhung letztlich sein wird. Viele geben auf - und ziehen aus.

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Andere harren aus, wie die verblieben Mieter in der Schellingstraße 134. "Die wollen uns als Quertreiber hinstellen, um uns rauszukriegen", sagt Brunhilde Köbbemann, Kundendiendienstleiterin, dritter Stock. Sie sieht gar nicht ein, die Maßnahmen zu "dulden". Auch der Mieterverein München nicht. Als Begründung führt der Verein an, dass Kiefer & Remberg weder formal noch inhaltlich die Modernisierung rechtskonform angekündigt, zudem Fristen nicht eingehalten habe.

Dem widerspricht das Bauunternehmen in einer aktuellen Stellungnahme: "Entgegen den Ausführungen des Mietervereins ist die Modernisierungsankündigung, ebenso wie der gesamte bisherige Ablauf der Maßnahme, rechtlich nicht zu beanstanden."

Ein Ping-Pong-Spiel nimmt seinen Lauf, das sich zu einem Nervenkrieg entwickelt. Eine Dreier-WG, ein Single und ein Paar haben das Feld geräumt, wie Benedikt Meier, der Gastgeber in der Erdgeschoss-Wohnung, berichtet. Nach seinen Angaben begannen im November 2016 die Arbeiten in den leeren Wohnungen, im Treppenhaus wird der Putz abgeschlagen.

Er würde sich so wünschen, Kiefer & Remberg setzte sich mit ihnen allen an einen Tisch. "Doch das wird wohl nicht passieren", sagt er. Dafür passiert kurz vor Ostern 2017 etwas, das mindestens drei der Mietparteien in Panik und den Mieterverein kurz aus der Fassung bringt: Kiefer & Remberg verschickt fristlose Kündigungen - wie viele, will die Firma nicht sagen.

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Mietervereins-Geschäftsführer Volker Rastätter glaubt, dass dies Methode hat. "Es wird versucht, die Mieter dazu zu bewegen, schnell auszuziehen." Baff macht ihn, dass die Firma ein Urteil des Bundesgerichtshofs knallhart anwendet. Demnach ist es nun Vermietern erlaubt, Mietern zu kündigen, wenn sie unberechtigt und unter bestimmten Umständen Modernisierungsmaßnahmen nicht dulden.

Im Schreiben an Mieterin Joana Zenkers Lebensgefährte Jan Dick vom 12. April klingt das so: "Durch Ihre wiederholte Weigerung einen Termin zum Austausch der Fenster zu vereinbaren und dem darauf resultierenden Verstoß gegen Ihre Duldungspflicht bleibt uns nur die sofortige Kündigung." Geschäftsführer Julian Kiefer verteidigt diese Haltung wie folgt: "Die Verweigerungshaltung der vom Mieterverein vertretenen Parteien verhindert den Abschluss der Modernisierungsarbeiten und führt zu einer unnötigen langen Belastung für die gesamte Hausgemeinschaft."

Der Austausch der Fenster habe unter Mitwirkung der Mehrheit der Mieter zwischenzeitlich beinahe vollständig erfolgen können. Kiefer hält dem Mieterverein vor, sowohl konkrete Termine für die Arbeiten, als auch "einvernehmliche Lösungen" wie ein Entschädigungsangebot von 500 Euro für die Duldung abgelehnt zu haben.

Wie die Sache ausgeht, ist offen. Kiefer & Remberg hat angeboten: Falls die betroffenen Mieter einen neuen Termin zum Fenster-Austausch am 15. Mai akzeptieren, sähe man die Kündigungen als gegenstandslos an. Der Mieterverein rät dazu, darauf einzugehen.

Auf der Couch in Meiers Wohnzimmer sagt Brunhilde Köbbemann: "Wir sind wohl gezwungen, darauf einzugehen, angesichts des Wohnungsmarkts in München." Benedikt Meier erzählt zum Abschied noch, er habe gehört: Es stünden inzwischen 150 Interessenten "Gewehr bei Fuß", um die Wohnungen zu kaufen. Dazu äußert sich Kiefer & Remberg in der Stellungnahme nicht.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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