Roman mit autobiografischen Zügen:"Ich habe mir nichts gefallen lassen"

Lesezeit: 4 min

Marian Offman, interreligiöser Beauftragter der Stadt München (Foto: Stephan Rumpf)

Seitdem Marian Offman nicht mehr im Stadtrat sitzt, schreibt er Romane - vier Manuskriptseiten täglich. Jetzt ist "Mandelbaum" erschienen.

Interview von Anna Hoben

18 Jahre saß Marian Offman im Münchner Stadtrat, er galt als profilierter Sozialpolitiker, kämpfte gegen Rassismus und Antisemitismus. Nachdem die CSU ihn für die Kommunalwahl 2020 nicht mehr aufgestellt hatte, wechselte er zur SPD, wurde aber nicht wiedergewählt. Seit dem vergangenen Jahr ist er interreligiöser Beauftragter der Stadt. Nun hat er einen Roman mit autobiografischen Zügen geschrieben. "Mandelbaum" handelt von einem jüdischen Stadtrat, den die Polizei bei einer Demonstration von Rechtsextremen festnimmt, weil er einen Neonazi lebensgefährlich verletzt haben soll. In der Zelle erinnert er sich an seine Lebensgeschichte.

SZ: Wer schreibt, macht sich auch verletzlich. Wie ging es Ihnen, als Ihr Buch herauskam?

Marian Offman: Es war schön, das Buch in der Hand zu halten, meine eigenen Texte zu lesen. Ich hatte mit einem Aufschrei von einigen gerechnet, nach dem Motto: "Um Gottes willen, was hast du da geschrieben und behauptet? Das stimmt doch überhaupt nicht." Es gab aber überhaupt keine Reaktion - außer der, dass es spannend zu lesen sei. Inhaltlich hat niemand was dazu gesagt. Es ist aber erst seit wenigen Wochen auf dem Markt.

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Die Frage, ob etwas wirklich so gewesen ist, interessiert die Menschen bei Büchern wie Ihrem heute oft am meisten. Fürchten Sie diese Frage?

Ich werde sie nicht beantworten. Weil ich oft selbst zweifle, was wahr und was nicht wahr ist. Ich weiß nicht, warum die eine oder andere Erinnerung sich mir aufgedrängt hat, die andere nicht. Das Leben war für mich durch meine Herkunft, den Holocaust, die Scheidung meiner Eltern als Jugendlicher, aber auch später in der Politik, schwierig. Gelegentlich habe ich mich in eine fiktive Welt geflüchtet, die aber für mich von der Empfindung her fast die gleiche Bedeutung hatte wie die reale. Das war auch der Grund, warum ich einen Roman geschrieben habe.

Wie entstand die Idee dazu?

Ich wollte schon immer etwas schreiben. Der Plot mit dem Gefängnis ist mir in Stadtratssitzungen eingefallen. Als ich dann nicht mehr im Stadtrat war, habe ich angefangen. Es schrieb sich fast von allein, ich hatte kein Konzept. Jeden Tag saß ich drei, vier Stunden, nachmittags ab drei Uhr, und habe mindestens vier Manuskriptseiten geschrieben. Ich habe ein Diktierprogramm genutzt und dann verbessert. In drei Monaten war das Buch fertig. Neben den Geschichten waren mir der Rhythmus der Sprache und auch die Poesie wichtig.

Was war das Schwierigste am Schreiben?

(Überlegt länger.)

Es lief einfach?

Es lief. Ich habe auch schon ein zweites Buch geschrieben, das liegt in der Schublade. Und das dritte Buch habe ich im Kopf. Ich glaube schon, dass ich da eine gewisse Neigung habe. Ich bin jetzt 74, habe viel erlebt und gesehen. Da hat man natürlich etwas zu erzählen.

"Mandelbaum" ist in zwei Teile geteilt: erst Entwicklungsroman, dann eine Art politischer Schlüsselroman. Da wird sich der eine oder andere wiedererkennen. Der frühere Münchner CSU-Chef Peter Gauweiler etwa kommt nicht so gut weg, als Max Zwickner, wie er im Buch heißt.

Ich werde mich dazu nicht äußern (lacht). Da bitte ich um Verständnis.

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Marian Offman, einer der profiliertesten Lokalpolitiker Münchens, war 18 Jahre lang im Rathaus, 17 davon für die CSU. Nun ist er für die SPD knapp gescheitert und wird mit Lob überhäuft. Wer glaubt, er schmeiße jetzt hin, kennt den 72-Jährigen schlecht.

Von Bernd Kastner

Der Ich-Erzähler will unbedingt in die Politik. Er wird vom Präsidenten der jüdischen Gemeinde dazu gedrängt, der konservativen Partei beizutreten, und hat daraufhin Gewissensbisse.

So war es bei mir tatsächlich. Andererseits haben wir jetzt die Synagoge, das Gemeindezentrum, das Jüdische Museum, das NS-Doku-Zentrum. Ich habe nicht allein dafür gesorgt, aber ich glaube, das eine oder andere habe ich schon beigetragen.

Aber ein bisschen fremd haben Sie sich immer gefühlt?

Ja. Von dem Augenblick an, da ich als bekennender Jude in die Politik ging, zeigte sich gelegentlich dieses Fremdeln mit dem Jüdischen, diese Distanz und auch Ablehnung, wie unter einem Brennglas.

Ist das Zugehörigkeitsgefühl in der CSU mit der Zeit gewachsen?

Es war personenbezogen. Mit manchen gab es Freundschaft. Und ich habe mir nichts gefallen lassen, bin Konfrontationen nicht aus dem Weg gegangen. Das hat mich und andere Nerven gekostet und mir auch schlaflose Nächte bereitet. Aber ich hatte immer ein Ziel vor Augen: das zu erreichen, was wir in Teilen auch erreicht haben. Ich habe versucht, als Lobbyist des jüdischen Lebens und der kleinen Leute aufzutreten.

Sie beschreiben die Kommunalpolitik teils schonungslos, von einem "Sumpf" ist einmal die Rede. Gerade haben Sie in einem Interview gesagt, dass Sie vielleicht ja schon bald zurück sind im Stadtrat - bei den SPD-Nachrückern stehen sie auf Rang eins. Wollen Sie das wirklich nochmal?

Ja. Erstens bin ich ein politischer Mensch. Zweitens glaube ich, dass ich mit meiner Lebenserfahrung und meinem Wissen in meiner Fraktion einiges Gutes beitragen kann. Auch die Referentinnen und Referenten sagen mir: "Herr Offman, Sie fehlen uns."

Klingt, als vermissten Sie das Rathaus.

Momentan bin ich froh, dass ich Zeit habe, andere Dinge zu machen. Aber beim Thema der steigenden Energiekosten zurzeit, da würde ich zum Beispiel schon gern mitmischen. Da gehöre ich zu denen, die sich sehr gut auskennen. Man kann der Politik viel Negatives nachsagen, aber sie hält einen am Nachdenken, und sie hält einen wach. Gelegentlich döst man in den Sitzungen ein, weil es langweilig ist. Aber ansonsten ist es spannend.

Worum geht es in Ihrem nächsten Buch?

Das ist etwas völlig anderes, eine Roadstory im Mittelalter. Es beginnt 1285 in München beim Judenpogrom. Ein junger Jude überlebt, weil er mit seiner christlichen Freundin im Bett liegt. Die beiden fliehen aus München nach Bozen. Unterwegs treffen sie Süßkind von Trimberg, das war der einzige jüdische Minnesänger in der Zeit. Es gibt eine Ménage à trois. Auf dem Rückweg retten sie das Kind einer Sinti-Familie. Eine abenteuerliche Geschichte.

Marian Offmans Roman "Mandelbaum" ist erschienen im Volk Verlag. Am 14. Juni stellt der Autor sein Buch im Jüdischen Museum am Sankt-Jakobs-Platz vor. Beginn ist um 19 Uhr, der Eintritt ist frei. Anmeldung unter www.juedisches-museum-muenchen.de/kalender .

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