Lieblingsdings:Auge in Auge mit den Kutschpferden

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Manfred Newrzella ist Geschäftsführer des Festring München, der die Festzüge am ersten Wiesn-Wochenende organisiert. Auf seinem Hut steckt ein wichtiges Utensil: das runde Kutscherabzeichen. (Foto: Stephan Rumpf)

Manfred Newrzella ist als Geschäftsführer des Festrings München mitverantwortlich für den Ablauf der Festzüge des Oktoberfestes. Weil es dort auch auf die Pferde ankommt, ist ihm ein kleines Abzeichen besonders wertvoll.

Von Sabine Buchwald, München

Der Hut gehört beim gemeinen Volk längst nicht mehr zum alltäglichen Gewand. Das ist auch bei Manfred Newrzella, 66, nicht anders. Zu besonderen Gelegenheiten aber, da trägt er noch einen. Diesen kleinen Filzhut zum Beispiel, den setzt er vor allem dann auf, wenn er bei den Kutschern der Münchner Brauereien Eindruck schinden will. Die kennen den studierten Juristen wahrscheinlich gar nicht anders als mit dieser Kopfbedeckung. Dabei geht es nicht um den Hut an sich, auch wenn er Newrzella durchaus vor Regen oder Sonne zu schützen vermag. Das Wichtige daran ist ein kleines Abzeichen auf diesem schon etwas verbeulten braunen Filz.

Es ist kaum größer als ein Zwei-Euro-Stück und so unauffällig bräunlich wie der Hut selbst. Die gelb-schwarze Anstecknadel, die ebenfalls daran steckt, ist auf den ersten Blick attraktiver. Sie hat immerhin die Münchner Stadtfarben und verweist auf mehr als 500 Jahre Reinheitsgebot des bayerischen Biers. Auch das ist für Newrzella wichtig, hat er sich doch drei Jahrzehnte lang beruflich mit bayerischem Bier befasst. Er war unter anderem Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds und des Vereins Münchner Brauereien, und er war Justiziar von Tucher Bräu. Zu dem runden braunen Anstecker mit dem angedeuteten, modellierten Pferdegespann aber sagt Newrzella: "Das ist mir absolut heilig."

Das Abzeichen macht Newrzella einer von ihnen

Nur Eingeweihte wissen es sofort zu deuten, etwa eben jene Brauereikutscher, mit denen Newrzella es regelmäßig zu tun hat und vor allem jetzt wieder. Wenn sie das Abzeichen erkennen, dann wird er einer von ihnen, dann wird er zum Rosserer und vom Manfred zum Manni. Dann wird das Sie plötzlich unpassend und fast immer das Du ausgepackt. So erzählt es Newrzella und deshalb ist er auch so stolz auf dieses runde Metallding. Es symbolisiert den Kutscher-Führerschein, offiziell "Das deutsche Fahrabzeichen der Klasse IV". Das erlaubt Newrzella, selbst auf dem Kutschbock zu sitzen und das ist in seiner Funktion als Geschäftsführer des Festrings München sehr viel wert.

"Es ist mir absolut heilig": Das runde Kutscherabzeichen an seinem Filzhut ist Manfred Newrzellas "Lieblingsdings". (Foto: Stephan Rumpf)

Hier nämlich laufen die Fäden für die großen Festzüge am ersten Wochenende des Oktoberfestes zusammen. Seit Monaten schon wird in der Zentrale am Oskar-von-Miller-Ring daran geplant. Auch als noch nicht feststand, ob die Wiesn überhaupt stattfinden wird. Beim Einzug der Wiesnwirte geht es um Zeit, denn die mitfahrende Stadtregierung und der Ministerpräsident müssen pünktlich zum Anstich im Schottenhamel sein. Am Sonntag werden dieses Jahr auch wieder 9000 Leute beim Trachten- und Schützenzug mitfahren.

Wenige Tage davor klingt Newrzella ernst. "Man könnte meinen, dass die Leute nicht mehr daran gedacht haben, dass es diese zwei Festzüge gibt", sagt er ernst auf Nachfrage, wie es denn im Moment um seine Nerven bestellt sei. Von der jahrelangen Routine scheint einiges verloren gegangen zu sein. Dass die Straßen breit genug sind und die Züge nicht von Baustellen behindert werden, das treibt Newrzella derzeit besonders um. Mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr, des Bayerischen Roten Kreuzes und der guten Geister des KVR aber werde es gehen, sagt er.

Die Liebe für Pferde liegt in der Familie

Er fühlt sich verantwortlich für alle Mitwirkenden. Für die Trachtengruppen, die sich schon im Januar angemeldet haben, genauso wie für die Rösser. Sein Großvater hatte Pferde. "Die Liebe für diese Tiere scheint mir im Blut zu liegen", sagt Newrzella. Er ist jemand, der gewählt und viel spricht, wenn man ihn etwas fragt. Mühelos wechselt er vom breiten Münchnerisch ins Hochdeutsche, vom Juristendeutsch zum Kutscherjargon. Vor der Kutscherprüfung, die er am 8. August 2008 in Sindelsdorf abgelegt hat, da habe er erstmal mit den Pferden geredet. "Kinders, i mog net durchfoin", habe er zu den Kaltblütern gesagt und ihnen in die Augen geschaut. Ruhig, aber bestimmt müsse man mit ihnen reden. "Mit Brauereipferden darf's etwas lauter sein." Wie alle Pferde hörten sie besonders gut auf vertraute Stimmen. Die Goaßl, also die Peitsche, die brauche es nicht, die sei doch nur Show.

Bei "Lieblingsdings" erzählen Menschen, woran ihr Herz hängt, was sie durchs Leben begleitet, ihnen Glück bringt und wovon sie sich niemals trennen würden.

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