Organisierte Kriminalität:München, Umschlagplatz der Mafia

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  • Einer der Schwerpunkte der Mafia in Bayern ist in München, neben Nürnberg und dem Allgäu. Insgesamt soll es im Freistaat 135 Mafiosi geben.
  • Mafiosi haben zum Beispiel Wirte gezwungen, den vom Clan importierten Wein zu kaufen. Darüber hinaus sind Mietfahrzeuge verschwunden. Mindestens indirekt ist die Mafia auch in Herstellung und Vertrieb von Falschgeld involviert.
  • Die organisierte Kriminalität in Bayern ist aber nicht "made in Italy". Die meisten der bayernweit ermittelten Tatverdächtigen stammen aus Deutschland, Syrien und Rumänien.

Von Martin Bernstein, München

Schlechter Wein im Glas, Falschgeld im Kofferraum, Mietautos im Nirgendwo: Dahinter steckt oft das organisierte Verbrechen. Auch in München. "Die Mafia spricht Deutsch", so überschrieben die Georg-von-Vollmar-Akademie und der Verein "Mafia - nein, danke!" vor drei Jahren einen Informationsabend. Großrazzien wie die am vergangenen Mittwoch zeigen, dass 'Ndrangheta und Cosa Nostra, Camorra und Sacra Corona Unita in München einen ihrer Schwerpunkte im Freistaat haben - neben Nürnberg und dem Allgäu. Ein aktueller Lagebericht des bayerischen Landeskriminalamts (LKA) spricht von etwa 135 Mafiosi im Freistaat.

Die tatsächliche Zahl dürfte indes viel größer sein. Zahlenmäßig größte Gruppierung ist die kalabrische 'Ndrangheta. Sie ist in Familienverbänden organisiert. Die Razzia am vergangenen Mittwoch richtete sich gegen die "'Ndrina" - also den Clan - Pelle-Vottari aus der kalabrischen Mafiahochburg San Luca. In München wurden eine Pizzeria und zwei Wohnungen in Riem und Daglfing durchsucht. Eine ähnliche Aktion gab es bereits im Januar, damals unter dem Namen "Styx".

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Elf mutmaßliche Mafiosi, die dem 'Ndrangheta-Clan Farao-Marincola zugerechnet werden, der aus Crotone in Kalabrien stammt, wurden damals in Deutschland festgenommen. Laut LKA reichten die Vorwürfe von versuchtem Mord und Erpressung über Geldwäsche und Verstoß gegen das Waffengesetz bis hin zu unlauterem Wettbewerb. Vor allem ging es um Wein. Wirte wurden gezwungen, das zu kaufen, was der Clan importiert hatte.

Eine Unterorganisation soll es in München gegeben haben. "Hier in Deutschland können wir alles tun", hatte der Sohn eines Bosses in einem von Ermittlern abgehörten Telefongespräch getönt. An der Isar wurde ein 'Ndrangheta-Logistiker festgenommen. Nach LKA-Erkenntnissen arbeitete der 48-Jährige in einer kleinen Firma, die hochwertige Pkw längerfristig vermietet. Mindestens 18 Fahrzeuge waren in den Monaten vor der Razzia abhanden gekommen. In Italien verschwunden. Oder angeblich bei einem Unfall zerstört. Oder die vereinbarten Raten waren nicht mehr gezahlt worden. Die Ermittler fanden laut LKA heraus, "dass die Fahrzeuge über mehrere Zwischenhändler in Italien zu den tatsächlichen Nutzern aus Mafia-Kreisen gelangt waren".

Auch der Gallico-Clan aus Palmi verlor in diesem Jahr in München ein aktives Bandenmitglied: Der wegen Erpressung gesuchte Vincenzo M., 29, wurde im Februar am Flughafen festgenommen, nachdem er vier Monate zuvor in Italien untergetaucht war und München offensichtlich als "Rückzugsraum" genutzt hatte.

Der 'Ndrangheta rechnet die Polizei bayernweit etwa 80 Mitglieder zu. Sie ist aber nicht die einzige in München aktive Mafia-Organisation. Sechs Mitglieder soll die apulische Mafia in Bayern haben, etwa 20 sollen nach LKA-Erkenntnissen der auf Sizilien beheimateten Cosa Nostra angehören und 30 der Camorra. Letztere mischt laut LKA in der Landeshauptstadt mit, auch dabei ging es 2017 um verschwundene Mietwagen.

Die beiden - eigentlich verfeindeten - Clans Di Lauro und Licciardi aus Secondigliano im Norden Neapels rekrutierten nach Erkenntnissen der Ermittler mehrere in München lebende Italiener, die als so genannte teste di legno ("Holzköpfe"), also Strohmänner, mit gefälschten Ausweisen, Führerscheinen und in Rumänien gekauften Kreditkarten Autos mieteten und nach Neapel brachten. Dort wurden die Fahrzeuge dann umfrisiert und weiterverkauft.

In einem Prozess vor dem Landgericht München kamen auch Namen zur Sprache - "Onkel Rafaele" oder "der verrückte Antonio" sollen führende Mitglieder einer neapolitanischen Autoschieber-Bande heißen. Das sei, hieß es, eine bestens strukturierte Familie. Aus einer solchen stammte auch ein 21-Jähriger, den die Polizei Ende April in Traunstein festnahm: der in Deutschland als Koch und Barkeeper arbeitende Arcangelo C. gilt als Mitglied des Mazzarella-Clans aus Neapel.

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Involviert ist die Camorra - zumindest indirekt als Finanzier - auch in die Herstellung und den Vertrieb von Falschgeld. Ermittler nennen die hochprofessionell gemachten Scheine aus der Campagna "Napoli-Group". Nach Expertenschätzungen stammt jede zweite Euro-Blüte (etwa 300 000 Scheine pro Jahr) aus Neapel. Ein Italiener, 48 Jahre alt, und ein Grieche, 50, wurden im Mai in Unterföhring geschnappt. In ihrem Audi hatten sie 1500 Scheine im Nennwert von 100 000 Euro mit dabei - und einen 25 Jahre alten Kellner aus Neapel, bei dem sie das Falschgeld gekauft hatten.

Ein Clan-Boss der apulischen Mafia Sacra Corona Unita, wurde vor drei Jahren in der Münchner Paul-Heyse-Unterführung geschnappt. Für Patrizio P. aus Squinzano bei Lecce war München ein ganz persönlicher "Rückzugsraum" gewesen: Der damals 44-Jährige hatte eine Freundin an der Isar. "Er war einmal unvorsichtig", erzählte ein Fahnder nach der Festnahme, "und das hat uns gereicht".

Zum Bild gehört aber auch, dass die organisierte Kriminalität in Bayern keineswegs "made in Italy" ist. Acht Verfahren mit insgesamt 40 italienischen Tatverdächtigen führt das LKA in seinem Lagebild für 2017 auf. Die Mehrzahl der bayernweit ermittelten 905 Tatverdächtigen im Bereich der organisierten Kriminalität (OK) stammen indes aus Deutschland, gefolgt von Syrien und Rumänien. In Bayern wurde bundesweit die zweithöchste Anzahl der OK-Ermittlungen geführt, 13 Verfahren allein in München. Den in Bayern angerichteten Schaden beziffert das LKA auf 308 Millionen Euro.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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