Literatur für Kinder:Tierisch unkorrekt

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Meike Haas (links) und Annette Roeder mit Hund Gusti auf dem Wiener Platz in Haidhausen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Münchner Kinderbuchautorinnen Heike Maas und Annette Roeder haben ihre Geschichten um Hetty Fledermaus und den Weltraumzoo fortgesetzt. Sie stellen sie auf der Bücherschau junior vor

Von Barbara Hordych

Überraschenderweise war es nicht das Lektorat, sondern die Leserschaft, die Einwände zu ihrem Buch "Hetty Flattermaus fliegt hoch hinaus" äußerte. Das erzählt die Architektin und Autorin Annette Roeder bei einem Treffen im Vorfeld ihrer Lesung bei der Münchner Bücherschau junior. Roeder lebt mit Familie und Hund am Stadtrand. Mischling Gusti hat sie zu dem Treffen am Wiener Platz, an dem auch die Münchner Journalistin und Kinderbuchautorin Meike Haas teilnimmt, mitgebracht. Wie lautete die Kritik konkret? "Meine Heldin, die Hummelfledermaus Hetty, fliegt trotz der Warnungen ihrer überängstlichen Helikopter-Mutter alleine hinaus in den Park", sagt Roeder. Den Peilsender, den die Mutter der unternehmungslustigen Hetty um den Hals gehängt hat, verstaut sie klammheimlich in der Tasche ihrer Freundin Fidelia. Dort soll er ihre scheinbare Teilnahme am gemeinsamen Flötenunterricht vermelden. Die so gewonnene Freiheit nutzt Hetty, um die heimische Dachgaube zu verlassen und hinaus in die Welt zu flattern.

"Kritik gab es zum einen, weil Hetty nach ihrem Ausflug ihrer Mutter nicht beichtet, wo sie wirklich war und was sie erlebt hat", sagt Roeder. Zum anderen beanstandete ein Vater in einer Online-Leserunde, dass er sehr hoffe, dass seine Söhne das Spiel "Regenwurm verknoten" nicht nachmachen würden. Das spielen in Roeders Buch die eher antiautoritär erzogenen Raupen-Kinder mit einem Regenwurm. "Ich hätte gedacht, dass wenigstens bei Tierkindern, denn mein Buch erzählt nur von tierischen Figuren und ihren Abenteuern, nicht so strenge erziehungspädagogische Richtlinien angelegt werden", sagt Roeder.

Meike Haas schüttelt schmunzelnd den Kopf, führt das Thema "unkorrektes Handeln" weiter. "Wenn man sich mal überlegt, was alleine der Pumuckl für ein Held war: Der Kobold trinkt Bier und spielt Streiche. Der würde heute wahrscheinlich gar nicht mehr durchgehen als Held einer Kinderserien." Das sei schon "eine Katastrophe", wie sehr da auf die Einhaltung von Regeln und bestimmten Vorstellungen gepocht würde. Das betreffe gar nicht so sehr das Lektorat, sondern oft seien es die Vorstellungen der Marketing-Abteilungen, sagt Haas. Als sie etwa die Idee zu ihrem Buch "Der wundersame Weltraumzoo" vorschlug, gab es zweierlei Bedenken: "Weltraum" sei schwierig als Stoff, und dann auch noch mit einem Mädchen als Hauptfigur? Trotzdem beharrte Haas darauf und bat den Illustrator Nicolai Renger, einige Weltraum-Tiere zu zeichnen.

Kennengelernt hatte sie ihn bei einer früheren Zusammenarbeit. Dabei waren ihr die witzigen Aliens auf Rengers Homepage aufgefallen. "Damals dachte ich mir schon, ich muss unbedingt einmal eine Geschichte schreiben, für die er solche Wesen zeichnen kann", sagt Haas. Renger willigte in den Probelauf ein, und so entstanden verrückte Figuren wie die gepunkteten "Rüsselschnüffelchen" (Mini-Schweine mit sechs Beinen und langen Rüsseln), das weißhäuptige "Hurgelot" (eine Art punkig frisiertes Schaf) oder die bisonartigen "Zottelmoks". Auch der Verlag zeigte sich von diesen Entwürfen überzeugt, und so kam es dann doch zu einem Vertrag für den "Wundersamen Weltraumzoo". Aus dem Buch liest die Autorin, ebenfalls im Rahmen der Bücherschau junior, passender Weise in der Volkssternwarte vor. Nach der Besichtigung des Planetariums erfahren die Zuhörer, wie die neunjährige Nelly und ihr Klassenkamerad Julius im Weltraumzoo von Professor Tull landen, wo Tiere in Not aus dem ganzen Universum ein sicheres Zuhause finden. Womit sich Nellys Herzenswunsch, Tierpflegerin zu werden, erfüllt. Vielleicht ist auch der Planet Wummerding dort irgendwo zu entdecken?

Trotz der geschilderten Bedenken erwiesen sich die Bücher der beiden Autorinnen als so erfolgreich, dass jede von ihnen bereits eine Fortsetzung geschrieben hat. Die Folge-Bände erscheinen im März parallel oder kurz nach der Münchner Bücherschau junior. "Bei mir hebt dann die ganze Klasse 4b in den Weltraum ab", erzählt Meike Haas. Eindringlinge hätten sich im Weltraumzoo versteckt, weshalb Professor Tull dieses Mal die Hilfe der gesamten Klasse für eine große Suchaktion benötige.

Und auch Hetty Fledermaus wagt allen Unkenrufen zum Trotz einen weiteren Ausflug. "Sie stellt fest, dass sich im Park alle Insekten versteckt haben vor einem schrecklichen Ungeheuer", sagt Roeder. Das vermeintliche Monster ist die sogenannte "Schwarzenegger-Mücke", die mittels eines Schattentheater-Tricks viel größer wirkt, als sie in Wahrheit ist. "Diese winzige Mücke gibt es wirklich, die wurde von ihrem Entdecker nach Arnold Schwarzenegger benannt, weil sie im Verhältnis zu ihrem Körper so dicke Beinchen hat", sagt Roeder und lacht. Überhaupt recherchiert die "Geschichten-Architektin", wie sie sich selbst nennt, leidenschaftlich gerne. Viele Informationen über das Leben der Fledermäuse in ihren Hetty-Bänden entsprächen der Wahrheit, sagt sie. Die Fledermaus-Mütter, die Einzelkinder oder höchstens Zwillinge hätten, lebten tatsächlich ohne die Väter in Gruppenverbänden zusammen und seien sehr fürsorglich und reinlich, was ihren Nachwuchs betreffe. Auch die "Gespensterfledermaus", vor der die Mütter ihre Kinder warnen, gebe es tatsächlich. "Sie ist weiß und sehr groß und frisst andere Fledermäuse", erklärt Roeder. Sie liebe es, sich von solchen Informationen zu eigenen Geschichten inspirieren zu lassen. Diese dichterische Freiheit ist es auch, warum sich die Germanistin Meike Haas für die Kinder- und Jugendliteratur entschieden hat, anstatt sich beim Schreiben weiter streng journalistisch an Fakten zu halten.

In einem Punkt müssen sie die Vorstellungen von Marketingexperten allerdings bestätigen: beim Leseverhalten ihrer eigenen Kinder. "Meine Tochter ist 15, liest viel und auch wirklich das, worauf die Verlage so setzen. Bei ihr sollte also beides enthalten sein: Fantasy und Liebe", sagt Haas. Und der zwölfjährige Sohn von Roeder "liest nur dicke Fantasy-Romane, egal, was ich ihm sonst noch anbiete".

Der wundersame Weltraumzoo , Lesung mit Meike Haas, Sonntag, 15. März, 15 Uhr, Volkssternwarte; Hetty Fledermaus , Lesung mit Annette Roeder, Sonntag, 15. März, 11 Uhr, Pasinger Fabrik

© SZ vom 11.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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