Eigentlich hat Amazon schon seit Monaten zwei Kühlschränke in München stehen. Ein wenig wie Astronauten sehen die Mitarbeiter dann aus, wenn sie in ihren dicken Anzügen in diesen Kühlboxen hin und her gehen, die Einkäufe zusammenpacken. Amazon verschickt in der Stadt schon seit vergangenem Sommer Lebensmittel, mit seinem Dienst Prime Now.
Jetzt aber will der Konzern das Ganze noch einmal größer angehen, an diesem Mittwoch startet in München Amazon Fresh. Und weil amerikanische Konzerne bei Händlern vor Ort meistens nicht allzu beliebt sind, hat sich Amazon Verbündete gesucht - Traditionsfirmen zum Beispiel, wie Alois Dallmayr in der Dienerstraße.
Lebensmittel:So macht Amazon den Münchner Supermärkten Konkurrenz
Trotz Boykotts durch Edeka und Rewe: Prime Now liefert Tausende Lebensmittel. Neuer Partner ist das Allgäuer Familienunternehmen Feneberg.
Nach Berlin und Hamburg ist München die dritte Stadt, in der Amazon in großen Mengen Lebensmittel ausliefern will, erst einmal nur im Stadtgebiet. Bei Prime Now wird aus einem Lager in der Innenstadt alles Mögliche innerhalb von einer Stunde geliefert, auch Windeln oder Schrauben. Amazon Fresh beschränkt sich ebenfalls nicht auf Lebensmittel, darum überschneiden sich die beiden Dienste. Teils machen die gleichen Läden mit, der Metzger Vinzenz Murr zum Beispiel oder der Bäcker Rischart.
"Amazon Fresh richtet sich vor allem an die Leute, die den großen Wocheneinkauf online erledigen wollen", sagt Florian Baumgartner, der Deutschland-Chef von Amazon Fresh. Dort biete man mehr als 300 000 Produkte, bis zum Abend geliefert, wenn bis zum Mittag bestellt, sonst bis zum nächsten Tag. Im Osten der Stadt hat Amazon im vergangenen Jahr eigens eine neue Lagerhalle gebaut, in Daglfing.
Allerdings ist bei Amazon nicht zu erfahren, wie viele Münchner bisher überhaupt eine sogenannte Prime-Mitgliedschaft besitzen, nur als Prime-Kunde nämlich kann man Amazon Fresh nutzen. Diese Mitgliedschaft kostet 69 Euro im Jahr beziehungsweise 7,99 Euro im Monat, Amazon Fresh dann noch einmal 9,99 Euro im Monat. Für jede Lieferung fallen zudem 5,99 Euro Gebühren an, ab einem Bestellwert von 50 Euro keine mehr.
Das Ganze also hat seinen Preis - und ist insofern überraschend, als dass Amazon seinen Lieferdienst Fresh in manchen Vororten in den USA gerade erst wieder eingestellt hat. Von Deutschland dagegen scheint man sich noch viel zu versprechen.
Im Großraum München könnte der Online-Verkauf von Lebensmitteln im Jahr immerhin 40 bis 50 Millionen Euro Umsatz einbringen, schreibt die Unternehmensberatung Oliver Wyman. Wenn der Konzern Amazon erfolgreich mit einsteige, könnte die Summe auf bis zu 400 bis 500 Millionen Euro allein in München steigen, schätzt man dort optimistisch. Beim Handelsverband Bayern dagegen weist man darauf hin, dass bisher nur ein Prozent aller Lebensmittel im Internet gekauft werde - Amazon setze die Supermärkte aber unter Druck, sie müssten sich noch mehr um ihre Kunden bemühen, ihnen besten Service bieten.
Dem Konzern nämlich geht es vor allem darum, sich bei den Kunden unverzichtbar machen. Sie sollen alles auf dieser einen Webseite kaufen können, selbst Dinge, von denen sie dachten, die gebe es nur in ihrer Stadt, in ihrem Viertel. Doch wenn man selbst die Brezen vom Bäcker ums Eck bei Amazon bestellen kann - nehmen sich die Läden nicht den einzigen Vorteil den sie gegenüber den großen Konzernen noch haben?
Leiden die Traditionsmarken? Bei Dallmayr glaubt man: nein
Florian Randlkofer zumindest glaubt das nicht, er ist der Chef von Dallmayr. Der Kaffee zum Beispiel werde erst einmal genau so viel kosten wie bei ihnen im Laden, man habe selbst über die Preise bestimmen können, sagt Randlkofer. Das Ganze sei ein Test. Dallmayr hat zwar auch seinen eigenen Onlineshop, nach dem aber müssen die Leute gezielt suchen, während sie bei Amazon vielleicht anderes einkaufen und dann spontan noch etwas von Dallmayr mitnehmen. Ähnlich wie in den Regalen kurz vor den Kassen im Supermarkt.
Randlkofer glaubt auch nicht, dass eine Kooperation mit einem solch großen und durchaus umstrittenen Konzern dem Image eines Münchner Traditionshauses schaden könne - "Ich sehe den Vorteil für den Kunden."
Den würden manche Kunden wahrscheinlich noch viel mehr sehen, wenn Amazon auch am Sonntag die Einkäufe nach Hause bringen würde, da aber macht es der Lieferdienst wie der Supermarkt. Am Sonntag geht nichts. Von Montag bis Samstag klingeln die Boten zum letzten Mal aber nicht um 20 Uhr. Sondern um 22 Uhr.