Landsberger Straße:Wie rasant sich München wandelt

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Die Landsberger Straße, ein Ort des Wandels: Das AOK-Haus und der Central Tower. (Foto: Robert Haas)

Noch in den Neunzigern war es zum Teil so hässlich, dass man dort nicht tot überm Zaun hängen wollte. Heute wuchern Gründerzentren und Shopping-Malls. Unterwegs entlang der Landsberger Straße.

Reportage von Wolfgang Görl

"Räumungsverkauf" steht auf großen Plakaten neben den leeren Schaufenstern des Möbelhändlers Who's Perfect, und vor dem Gebäuderiegel der ehemaligen Tengelmannzentrale, deren Fassade die Street-Art-Künstler des Zwischennutzungsprojekts "Kunstlabor" mit fulminanten Riesenbildern bestückt haben, schleppen ein paar Männer in Bauarbeiterkluft irgendwelche Schrottteile zu ihrem Transportauto, laut palavernd und halb heruntergerauchte Zigaretten im Mundwinkel. Ein paar Autos stehen noch herum, ansonsten wirkt das Areal wie die Kulisse eines Kriminalfilms, an dessen Beginn rauchende Bauarbeiter unter Gerümpel eine blutverkrustete Leiche finden.

Aber nein, das sind Fantasien, ganz passend eigentlich, denn Fantasie ist ohnehin nötig, will man sich die, nun ja, exquisite Zukunft dieses abgenutzten Geländes vorstellen. Im Frühjahr sollen die Demoliergeräte anrücken, und wenn alles nach Plan läuft, wird hier in wenigen Jahren ein Bürokomplex stehen, der die Landsberger Straße auf einer Länge von 200 Metern säumt.

Blick aus der ehemaligen Tengelmann-Zentrale. (Foto: Robert Haas)

Dann werden 2000 Menschen hinter den zahllosen Fenstern des bis zu acht Geschosse hohen Gebäudes werkeln, und sollte sich dereinst ein Pizzabote in dem Schöner-arbeiten-Palast verlaufen, könnte es Stunden dauern, bis er in dem Konstrukt aus Längs- und Querriegeln den Besteller gefunden hat. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, würde bei der Eröffnung der schicken Immobilie nicht wenigstens ein Festredner die Aufwertung des ganzen Viertels feiern, und sollte er den Marktwert meinen, hätte er in jedem Fall recht.

Was an dieser Stelle - Stadtteil Laim, Landsberger Straße 350 - passiert, ist die ins Spektakuläre gesteigerte Spielart einer Metamorphose, welche diese lärmumtoste, gut sechseinhalb Kilometer lange Ein- und Ausfallstraße seit Jahrzehnten durchläuft. Noch in den Neunzigerjahren waren etliche Abschnitte der Landsberger Straße so hässlich, dass man dort nicht tot über dem Zaun hängen wollte - Zäune übrigens, hinter denen meist mehr oder weniger alte Autos sämtlicher Marken standen, angeboten von Gebrauchtwagenhändlern, deren Büros aussahen wie ein Verschlag in einer texanischen Geisterstadt. Doch dann begann auf den Flächen zwischen der Straße und den Bahngleisen das große Versilbern, es war, als hätten Investoren aller Art einen neuen Kontinent entdeckt, der nun so rasch wie möglich von der Gebrauchtwagenkultur in die smarte Welt der Arbeit 4.0 zu transformieren wäre.

Und so kam es dann auch: Die alte, wegen ihres Straßenstrichs übel beleumdete und von Handschlaggeschäften mit eingerollten Geldscheinen geprägte Landsberger Straße sieht heute vielfach so aus wie eine Mixtur aus Hightech-Campus, Gründerzentrum, Edellimousinen-Showroom und Outlet-Shopping-Paradies. Nicht unbedingt schön, aber anders, kein Boulevard der Träume, auf dem man gepflegt flanieren möchte, aber ein interessantes Sammelsurium aus abbruchgefährdetem Alten und dynamischer Moderne.

Einen Fußmarsch entlang der Landsberger Straße beginnt man um der dramaturgischen Steigerung willen am besten am Pasinger Marienplatz, den sie mal wieder umgemodelt und mit mäßigem Erfolg verkehrsberuhigt haben. Dort, wo die Ladenzeile "Pappschachtel" stand, klafft eine Baugrube - ein gewohnter Anblick für die Bewohner Pasings, wo die Groß- und Riegelbauten, oft ohne Rücksicht auf die bescheidene Nachbarschaft, aus dem Boden schießen wie Pilze nach einem warmen Regen. Das neobarocke Gebäude mit der Hausnummer 529, in dem es eine Lotto-Annahmestelle und einen türkischen Schnellimbiss gibt, ist der Schlusspunkt der Landsberger Straße, die von da an stadtauswärts als Bodenseestraße firmiert. In alten Zeiten verlief hier der Salz- und Handelsweg ins Lechrain und nach Schwaben, und wo sie über Pasinger Flur führte, hieß sie Münchner Straße.

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Es ist ein kalter Wochentag, trüb und windig, die Menschen haben warme Klamotten anzogen, meist solche, die nur halb so modisch sind wie die Montur der Flaneure in der Maximilianstraße. Sie haben es eilig, sie wollen heim oder einen der Läden entlang des Gehwegs besuchen, den Callshop, den kleinen Supermarkt, das Wettbüro, den Waschsalon, die Imbissbude. Allerweltsgeschäfte, aber die brauchen die Leute ja auch, wenngleich nicht jedes, wie man an den aufgegebenen Läden sieht, deren Fenster mit Pappe zugeklebt sind. Kaum einer, der übers Trottoir hastet, hat einen Blick für das säulenbestückte Kreuzerhaus, in dem früher die Bauspenglerei Kreuzer und Söhne residierte. Auf der anderen, nördlichen Seite der Straße macht sich das 1937 vollendete Rathaus breit, ein Bau im Nazigeschmack, der die Pasinger aber auch nicht vor dem Schicksal bewahrte, schon ein Jahr später der "Hauptstadt der Bewegung" zugeschlagen zu werden - eine Schmach, die manche Ortspatrioten bis heute nicht verwunden haben.

Die Fassade der ehemaligen Tengelmann Zentrale sind mit Riesenbildern bestückt. (Foto: Robert Haas)

Aber das sind alte Geschichten, ansonsten befindet sich Pasing auf den Sprung in eine lukrative Zukunft, die im monströsen Shopping-Komplex der Pasing-Arcaden eindrucksvolle Gestalt angenommen hat. Ein paar Hausnummern weiter, zwischen Offenbachstraße und dem Pasinger Knie, ist die Straße gewissermaßen im Wartestand: Noch sehen die Brachen hier aus wie eine Landschaftsimpression des Planeten Mars, doch dies wird sich ändern. Auf dem ehemaligen Stückgutgelände entsteht ein Wohnviertel, und das denkmalgeschützte Gebäude der stillgelegten Kuvertfabrik Kupa, errichtet 1906 nach Plänen des Baulöwen Leonard Moll, der später den Nazis gute Dienste geleistet hat, wird in wenigen Jahren von Neubauten umzingelt sein.

Städte sind organische Wesen, die sich ständig erneuern müssen, um nicht abzusterben - so ist es auch auf dem Kupa-Gelände: Es verwandelt sich vom Industriestandort alten Stils in einen, wie der Investor fabuliert, "Ort visionärer Vielfalt, der mit der ikonischen Architektur als Basis seinen Bewohnern einen optimierten Lebensstil ermöglicht". Bis 2021 sollen dort 175 Wohnungen entstehen, wobei die Fassade zur Straße an ein Gebilde aus versetzt übereinander gestapelten Schachteln erinnert - eine Architektur, die jedenfalls nicht monoton ist, und dem Quartier gewiss einen weiteren Kick ins Gehobene versetzt.

Etwas bodenständiger ist da schon der "Münchner Dampferhimmel", ein Fachgeschäft, das sich dem Handel mit E-Zigaretten verschrieben hat; und wer wissen will, was Männer wirklich lieben, findet im Anwesen Nummer 426 Beispiele zärtlichster Leidenschaft. Hier ist die Autowäscherei Mr. Wash, ein magischer Ort voll rotierender Bürsten und schäumender Wasserfälle, die dem Autofahrer das erhebende Gefühl verleihen, seinem Blechliebling eine Deluxe-Behandlung im Beautysalon zu spendieren. Vollendet wird das Wellnessprogramm an den Staubsaugerplätzen, wo Männer und ja, auch Frauen ihr Auto mit einer Hingabe streicheln und wienern, als zelebrierten sie eine Hochzeitsnacht.

Ein paar Schritte weiter, gleich nach der Aral Tankstelle auf der gegenüberliegenden Seite, haben sie eine Lärmschutzwand gebaut, hinter der sich die Reihenhäuser entlang der Veldener Straße ducken. Das Dröhnen des Verkehrs kommt hinter dem Wall als ein gedämpftes Rauschen an, so als läge die Landsberger Straße irgendwo in der Ferne. Die Schutzwand ist wie eine gut gesicherte Grenze: Jenseits der Befestigung beginnt eine andere Welt.

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Vor einem trendigen Einrichtungshaus kurz vor dem Ortsschild "Laim" - in alten Zeiten stand hier ein Zollhaus, an dem die Fuhrwerke Pflasterzoll entrichten mussten - liegt auf dem Grünstreifen ein großer Haufen Müll. So sieht es auf den ersten Blick aus, aber dann bewegt sich der Müll. Da ist jemand drin. Ein Mensch. Ein Mann mit verschmutzter Jacke, einer Mütze und grauem Bart. Liegt da in eisiger Kälte in einem Haufen blauer und schwarzer Abfallsäcke, neben sich eine Krücke. Warum er da gestrandet ist? "Es ist so gekommen", sagt er. Er spricht klar, mit fester Stimme, die nicht mal sonderlich bitter klingt, wenn er Bitteres erzählt. "Früher ist es mir gut gegangen. Ich war Unternehmer." Dann aber hätten ihn seine Partner übers Ohr gehauen, und es ging bergab. Jetzt ist er hier, im Müll. Leere Plastikflaschen sind sein Kissen, die Landsberger Straße singt das Morgen- und das Abendlied. Autos brausen vorbei, Motorenlärm, Hupen, Gasgeben. Wie lange das schon so geht, mag er nicht sagen. Nur so viel: Er will bleiben. Er muss bleiben. "Wo sollte ich denn hin?"

Nimmt man es nicht allzu genau, lässt sich sagen: Auf der Bahnseite arbeiten und kaufen die Leute, auf der gegenüberliegenden Seite wohnen sie. Dort, vor den Wertstoffcontainern bei den Wohnblöcken, deren Höfe als Privatgrund markiert sind, ratschen zwei Damen des Typs "Bodenständige Münchnerin". Sie haben nichts dagegen, wenn man sie mit Fragen belästigt.

"Ich wohn' schon seit 50 Jahren in der Straße", sagt die eine.

"Ich seit 30 Jahren", sagt die andere.

"Ich wohn' hinten raus, da hört man nix von dem Lärm."

"Ich auch, es ist sehr angenehm."

"Aber es ist schon sehr laut und schmutzig an der Straße."

"Ja, ich geh' da gar nicht gern raus."

"Zum Einkaufen aber schon."

Jetzt aber müssen die beiden freundlichen Damen wirklich weiter, sie sind Rentnerinnen, und als solche haben sie nicht ewig Zeit. Ihre Namen behalten sie lieber für sich. "Man weiß ja nie, heutzutage."

Die Laimer Unterführung sah schon immer aus wie ein Durchschlupf aus der Zeit Heinrichs des Löwen, seit sie aber von hippen Neubauten flankiert wird, wirkt die finstere Röhre noch älter. Die Landsberger Straße haut hier besonders kräftig auf den Putz: mit dem 44 Meter hohen Laimer Würfel, dem ewiglangen Büro- und Technologiezentrum Nummer 302-312, dem Gewerbehof Laim und anderen Superriegeln, hinter deren Glasfassade man junge Menschen im Fitness-Center sieht, die auf Laufbändern joggen oder in Ergometer-Pedale treten. Dies ist längst nicht mehr die alte schmuddelige Landsberger Straße, dies ist ein Ort der Selbstoptimierung. Die dazugehörigen Automobile sind auch nicht fern: Volkswagen, BMW, Mercedes, Seat, Toyota, Skoda et alii - der lässige Autohandel auf unkrautübersäten Brachflächen hat sich in kühl gestylte Autohäuser verlagert.

Der Laimer Würfel. (Foto: Robert Haas)

Wer hier entlang geht, sieht Gärten hinter haushohen Glaswänden, Schaufenster voller edler Motorräder, mondäne Bars, und dann, ein paar hundert Meter vor der Friedenheimer Brücke, ist es plötzlich so, als wäre hier eine Veränderungssperre aus alter Zeit wirksam. Mit einem Mal sieht die Landsberger Straße aus wie früher. Es beginnt mit einer bretterverkleideten Werkhalle, in der Autos repariert werden, wobei der Kunde in der Imbissbude namens "Wie zu Hause" gegebenenfalls Stärkung erfährt, dann die Hinterhöfe, in denen Baracken, Autos, Schilder und Zäune sich zu einem melancholisch geprägten Stillleben formieren, bis man endlich den FKK-Club "Fantasy", den Nightclub "The Red 1" ("Lass Deinen Stress & Alltag hinter Dir und entfliehe in einen Rausch aus Lust und geiler Erotik") und schließlich den Club "1001 Nacht" erreicht, der "ein unvergessliches Erlebnis ohne Reue" verspricht. Ein Auto-Ankauf mit klassischem Bürocontainer rundet das Nostalgie-Ensemble ab.

Mit einem Mal sieht die Landsberger Straße aus wie früher: die Nightclubs. (Foto: Robert Haas)

An der Barthstraße, knapp hinter der Eisenbahnbrücke, ist der Eingang zur Schwanthalerhöhe, dem alten Arbeiterviertel. Auch hier hat die wirtschaftliche Dynamik die letzten Brachflächen der Maximalverwertung preisgegeben. Diverse Büropaläste säumen die Straße, das Gebäude der AOK-Direktion beispielsweise, das den Stelzenbau eines ehemaligen Musikgeschäfts umringt, oder der Glaskasten Nummer 155 mit Christel Lechners saukomischen Graue-Männer-Skulpturen. Okay, nicht ganz neu, aber immer wieder erheiternd, jedenfalls verschaffen sie dem Landsberger-Straße-Flaneur neue Kraft, den Weg fortzusetzen, der bald zu einer Ladenzeile führt.

Christel Lechners Graue-Männer-Skulpturen. (Foto: Robert Haas)

Dort die Überraschung, das beunruhigende Gefühl, einer Vision zu verfallen: Im Zigarrenladen "Tabak Sommer" steht ein Indianer in voller Indianermontur und erkundet das Angebot an Pfeifen. Beim zweiten Hinsehen wird die Sache insofern plausibel, als es sich um Willy Michl handelt, also um jenen tapferen Sänger und Gitarristen, der als Isarindianer in München weltberühmt ist. Offenbar hält er Ausschau nach einer neuen Pfeife, vielleicht einer Friedenspfeife.

Um die Rothaut-Erscheinung zu verkraften, geht es erst einmal schräg hinüber auf die andere Straßenseite, wo sich der 1912 eingeweihte Gebäudekomplex des Hauptzollamts befindet. Großartig das Portal, das zwei steinerne bayerische Löwen bewachen, ein wenig furchteinflößend die Wegweiser "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" oder "Zollfahndungsamt München", beinahe romantisch der kleine baumbestückte Garten, in dem ein Eichkatzl nach Nahrung sucht. Die gläserne Kuppel des Jugendstilbaus entfaltet ihre Schönheit am deutlichsten, wenn man sie von der Bahnseite betrachtet, und irgendwann überfällt einen der laienhafte Gedanken, dass es früher offenbar möglich war, Behördenbauten von veritablen Meistern errichten zu lassen. Hugo Kaiser hieß der Architekt.

Tabakhändler Harald Sommer. (Foto: Robert Haas)

Zurück zu "Tabak Sommer", den der Isarindianer Willy inzwischen verlassen hat, wahrscheinlich Richtung wildes Westend. Harald Sommer aber ist noch da, Inhaber des Familienbetriebs, den sein Großvater 1936 gegründet hat. Aus dem Stammhaus in der Dachauer Straße, wurden sie rausgekündigt, erzählt er, seit dem Jahr 2000 befindet sich das Hauptgeschäft in der Landsberger Straße 139. Klar, das ist nicht unbedingt eine Gegend, in der die Münchner vorzugsweise ihren Einkaufsbummel machen. Aber, sagt Sommer, "wenn man Stammkundschaft hat, kann man es sich hier erlauben". Und Harald Sommer hat Stammkundschaft, Männer und Frauen, die edle Zigarren schätzen, etwa solche der Marke Alec Bradley, die derzeit besonders en vogue sei.

Hin und wieder veranstaltet er Tastings, da können die Zigarrenfreunde Stumpen probieren, in einem der letzten Refugien ungestörten Tabakgenusses. In den knapp 20 Jahren, in denen Sommer hier seinen Laden betreibt, habe sich die Gegend "deutlich verbessert". "Nur die Infrastruktur ist noch nicht ganz auf der Höhe." Um sich etwa beim Bäcker eine Semmel zu holen, müsse er weit laufen. Ansonsten blickt er mit Wohlgefallen auf die Straße. "Schauen Sie mal, wie dick ich bin. Wenn man es richtig macht, läuft es."

Bierfabrik aus bestem Münchner Backstein: Augustiner. (Foto: Robert Haas)

Die Donnersbergerbrücke ist ein prima Resonanzraum, der das Tosen der Motoren ins Ohrenbetäubende verstärkt. Links der 85 Meter hohe Central Tower, der zusammen mit dem kleineren Turm der Mercedes Niederlassung auf der anderen Seite des Bahnkörpers ein miniaturweltstädtisches Eingangstor zur Innenstadt bildet. Der folgende Abschnitt der Straße ist geprägt von den Altbauten auf der Südseite und den gegenüberliegenden Büroriegeln, die im Silberpalast des Europäischen Patentamts ihren Abschluss finden. Die Gehsteige sind belebt, Touristen sind unterwegs, die eine Kneipe ansteuern, Büromenschen, Behördengänger, Frauen, die ihren Hund ausführen, Flaschensammler.

Alte Ansichten aus Büchern gehen einem durch den Kopf, Szenerien, die abbilden, was die Landsberger Straße im Laufe eines Jahrhunderts alles verloren hat: die Alleebäume in Pasing, Bauernhäuser, die Leistenfabrik Fritz Berne, die Ofenfabrik Wamsler, den Großwirt Laim, das Gebäude des Iro-Verlags - schade drum, wenn auch nicht um alles.

Eines aber ist geblieben. Die Augustiner-Brauerei, die Ende des 19. Jahrhunderts aus der Altstadt in die Landsberger Straße gezogen ist, wo Brauereichef Joseph Wagner mit bestem Münchner Backstein eine Bierfabrik errichten ließ, an deren erlesener Industriearchitektur man mit Ehrfurcht entlang geht. Auf dem Werksgelände wuseln Männer herum, die, so stellt man sich vor, Hopfen, Malz, Hefe und Wasser in Bier verwandeln können, mit derselben magischen Kraft, mit welcher der Druide Miraculix aus Misteln einen Zaubertrank zu brauen vermochte. Kann aber nicht sein. So zauberhaft ist die Landsberger Straße dann doch nicht.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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