Verlierer auf dem Wohnungsmarkt:Hohe Mieten bringen Menschen in Not

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Obdachlosigkeit ist auch im reichen Landkreis München ein drängendes Thema. (Foto: Catherina Hess)

2300 Menschen drohte 2015 im Landkreis die Obdachlosigkeit. Die Arbeiterwohlfahrt bietet Betroffenen Hilfe - und ruft die Kommunen zum Handeln auf.

Von Marie Ludwig, Landkreis

"Es begann mit zwei Tischen und zwei Kisten", sagt Stefan Wallner. Er erinnert sich noch gut an die Anfänge der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit vor fast neun Jahren. Seitdem haben Wallner und sein mittlerweile fünfköpfiges Team etwa 8600 Haushalte auf den Weg zurück in ein eigenständiges Leben begleitet.

2015 waren 2300 Menschen im Landkreis von Obdachlosigkeit betroffen

Die Beratungsstelle ist eine Abteilung der Wohnungsnotfallhilfe des Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und hilft Bürgern, die mit drohendem Wohnraumverlust durch Mietschulden, Kündungen und Räumungsverfahren konfrontiert sind. Allein 2015 waren etwa 2300 Menschen im Landkreis von Obdachlosigkeit betroffen, darunter 750 Kinder.

"Wir haben ein absolutes Wohnungsproblem", sagt Max Wagmann, Vorsitzender der Awo München-Land. Es werde zwar immer wieder vom Bedarf gesprochen, aber sobald die Gemeinden das Wort "sozialer Wohnungsbau" hören würden, stoße er auf taube Ohren: "Dabei benötigen wir dringend bezahlbare Wohnungen in den 29 Gemeinden des Landkreises."

Obdachlos zu sein, entspricht heutzutage nicht mehr nur dem Bild eines Bettlers auf der Straße. "Viele Menschen leben einfach in keinem richtigen Mietverhältnis oder sind bei Verwandten untergekommen", erklärt Wallner. Und das, obwohl die meisten sogar eine Arbeit haben: "Das Geld reicht für eine stadtnahe Wohnung oft nicht mehr aus." Hohe Mietpreise stellen viele Familien vor ein ausgewachsenes Problem.

In anderen Fällen führt auch die Missachtung von Regeln zur Kündigung. "Das fängt beim Treppenputzplan an und hört beim regelmäßigen Überweisen der Miete auf", sagt Wallner. Einmal da habe er einen Fall gehabt, in dem eine Frau mit Tochter ihre Wohnung wegen Zwangsräumung habe verlassen müssen. Wallner suchte tags darauf das Gespräch mit dem Vermieter, erklärte die Lage und wenige Tage später konnten Mutter und Tochter wieder einziehen. "Es fehlt einfach an Kommunikation", sagt Wallner und beklagt, dass sich viele erst melden würden, "wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht."

Doch selbst dann steht Wallner den Betroffenen zur Seite. Er und sein Team bieten Workshops zu Rechten und Pflichten für Mieter an, unterstützen bei der Anerkennung von Ausbildungen, die im Ausland erworben wurden, oder richten auch Mailadressen und Handynummern für die Wohnungssuchenden ein. Und das alles kostenlos.

"Wir haben ein absolutes Wohnungsproblem"

Finanziert wird die Fachstelle durch den Landkreis. Unter den Betroffenen sind außer Rentnern und alleinerziehenden Frauen auch Asylbewerber mit Bleiberecht. "Natürlich gibt es zwischen diesen Gruppen auch Spannungen auf dem freien Wohnungsmarkt", sagt Wallner. Aber er gebe trotzdem nicht auf. Allerdings sei das Sich-Selbst-Motivieren nicht immer leicht. Man müsse einfach individuell auf die Menschen und ihr Schicksal zugehen.

"Und man lernt bei der Arbeit, den Menschen ihren freien Willen zu lassen", fügt Angela Pfister-Resch hinzu. Sie ist seit 2009 in der Beratungsstelle tätig und vor allem in drei Obdachlosenunterkünften in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Planegg und Gräfelfing unterwegs. Beratung hält sie vor allem für "Beziehungsarbeit". "Natürlich gibt es auch Sorgenfälle, aber wir geben die Menschen nicht auf."

Pfister-Resch nickt. Vor einigen Wochen habe sie solchen Sorgenfall gelöst: "Ich konnte einem Ende 20-Jährigen endlich eine Wohnung vermitteln." Durch einen Schicksalsschlag sei der junge Mann zum Alkohol gekommen und habe darauf Wohnung und Arbeit verloren. Mehr als zwölf Jahre war er obdachlos. Für Pfister-Resch ist die Vermittlung ein Erfolg: "Wenn man so etwas schafft - das macht zufrieden."

Die Erfolgsquote der Fachhelfer liegt bei 75 Prozent

Freilich gibt es auch die noch bestehenden Sorgenfälle: "Ein Rentnerehepaar, keine eigenen Rücklagen und der Vermieter meldet Eigenbedarf an", sagt Wallner, die Stirn in Falten. Im Moment setze er sich dafür ein, eine neue Bleibe für das über achtzigjährige Ehepaar zu finden. Meist gelingt ihm das auch: In drei viertel aller Fälle ist er erfolgreich.

Er und sein Team von der Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit gehen ihre Aufgabe motiviert an. "Die Wohnungssuche bleibt eine Glückslotterie", sagt Wallner. Mal habe es mit der ausgehängten Anzeige im Supermarkt geklappt, mal mit einem Inserat in der Zeitung. In einem, da ist er sich jedoch sicher: "Eine Lösung gibt es immer."

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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