Jugendgericht:Zwei Versionen eines Eifersuchtsdramas

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Die Arbeit am Gericht in München könnte durch den Einsatz von KI erleichtert werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Weil er dachte, dass sie fremdgeht, soll ein 19-Jähriger seine Freundin brutal vergewaltigt und mit dem Tod bedroht haben. Vor Gericht räumt er nur Schläge ein. Es steht Aussage gegen Aussage.

Von Andreas Salch, München/Brunnthal

Schon bei der Ankunft in München hatte Ken F. ein schlechtes Gefühl. Er glaubte, Sarah L. ( beide Namen geändert) würde ihn betrügen. Im Februar vergangenen Jahres war der damals 18-Jährige extra ihretwegen von Berlin nach Valley gezogen. Nur knapp zwei Wochen nach seinem Umzug wurde er von der Polizei vorläufig festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft F. vor, er habe Sarah L., die 13 Jahre älter ist als er, in der Nacht auf den 11. März vergangenen Jahres auf unvorstellbare Weise erniedrigt und vergewaltigt. Ken F., der sich seit Dienstag vor der 4. Jugendkammer am Landgericht München II verantworten muss, weist dies zurück. Es steht Aussage gegen Aussage.

Es ist kurz nach 9 Uhr, als der mittlerweile 19-Jährige von zwei Justizwachtmeistern in den Sitzungssaal B 166 am Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße geführt wird. Ken F. macht dabei einen eher lässigen Eindruck. Er grinst und mustert die Anwesenden. Als der Vertreter der Staatsanwaltschaft die Anklage verliest, schüttelt er mehrmals leicht den Kopf. In jener Nacht vom 10. auf den 11. März vergangenen Jahres soll er Sarah L. unter anderem Wasser über den Kopf geschüttet und ein Feuerzeug an ihre Haare gehalten haben, damit sie ihm sagt, was sie mit dem vermeintlichen Nebenbuhler "im Bett gemacht habe", heißt es in der Anklage.

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Ken F. äußerte sich zum Auftakt der Verhandlung weder zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft noch zu seiner Person. Richter Martin Hofmann verliest deshalb eine schriftliche Aussage, die der 19-Jährige in der Untersuchungshaft verfasst hat. Darin räumt er ein, dass es am Abend des 10. März zwischen ihm und Sarah L. Streit gegeben habe, als sie von Ottobrunn Richtung Faistenhaar fuhren. Auslöser soll eine Whatsapp-Nachricht gewesen sein, die er auf ihrem Handy entdeckt hatte. Sie habe von einem Unbekannten gestammt. Dieser habe Sarah L. geschrieben: "Es war schön." Daraufhin, so Ken F., sei er wütend geworden. Bei einem Stopp in einem Waldstück kurz vor Faistenhaar bei Brunnthal soll er seiner Partnerin seinen Daumen ins linke Auge gedrückt und sie massiv eingeschüchtert haben, ehe sie nach Valley weiterfuhren.

Sarah L. wohnte dort mit Ken F. in einem Zimmer im Haus ihrer Tante. Er habe die 31-Jährige dort auch geschlagen, räumt der 19-Jährige ein. Zwei Schläge mit der Hand, einen Schlag mit der Faust ins Gesicht - L. sei zu Boden gefallen. Er habe ihr aufgeholfen, behauptet F. In diesem Moment soll Sarah L. gesagt haben: "Ich habe es verdient." Danach sei es zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen. Am Morgen seien plötzlich ihr Cousin, der ebenfalls im Haus wohnt, und Sarah L.s Tante ins Zimmer gekommen. Diese habe ihm vorgeworfen, er habe ihre Nichte vergewaltigt. Dann habe L.s Cousin ihm eine "Klatsche" versetzt und die Polizei sei gekommen.

Die Freundin hofft, dass der Angeklagte seine "Dämonen" bekämpft

Von der Vernehmung Sarah L.s im Zuge der Ermittlungen gibt es ein Video. Auf die Angaben, die sie dort machte, stützt sich die Anklage der Staatsanwaltschaft. Sie geht von einem mehrstündigen qualvollen Missbrauch aus, den die 31-Jährige erleiden musste. Bevor Ken F. Sarah L. vergewaltigt habe, soll er sie mehrfach heftig geschlagen und ihr mit dem Tod gedroht haben. Rechtsmediziner diagnostizierten bei Sarah L. nach der mutmaßlichen Tat unter anderem ein Schädelhirntrauma sowie Schädel- und Rippenprellungen und ein Monokelhämatom. Die Schläge, die ihr Ken F. versetzt haben soll, haben laut Anklage dazu geführt, dass L. unter Gleichgewichtsstörungen litt und mehrere Tage nicht in der Lage war, geradeaus zu laufen.

Richter Hofmann verlas auch einen Brief, den die 31-Jährige an Ken F. während dessen Untersuchungshaft geschickt hat. Darin schrieb sie, dass sie ihn liebe, und fügte hinzu: "Ich hoffe, dass du deine Dämonen bekämpfst." Der Prozess wird fortgesetzt.

Hinweis der Redaktion: Die Verteidigerin der Nebenklägerin legt Wert auf die Feststellung, dass es sich bei dem im Text erwähnten Brief von Sarah L., der in der Verhandlung verlesen wurde, nicht um einen Brief handelte, den sie dem Angeklagten in die Untersuchungshaft geschrieben habe, sondern um einen Abschiedsbrief, den Sarah L. bereits vor jenem im Gerichtsverfahren verhandelten Gewaltexzess verfasst habe.

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