Unterhaching:Das opulente Leben der Bajuwaren

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Einblick in das Leben hochgestellter Bajuwaren: Harald Nottmeyer vom Heimatmuseum eröffnete die neu konzipierte Dauerausstellung. (Foto: Claus Schunk)

Das Heimatmuseum zeigt in einer neuen Ausstellung Gräberfunde aus dem Frühmittelalter, die Archäologen als sensationell bezeichnen.

Von Michael Morosow, Unterhaching

Heute ist Unterhaching eine von 29 Kommunen im Landkreis München, mit 25 000 Einwohnern immerhin die zweitgrößte. Dass der Ort vor circa 1500 Jahren ein Machtzentrum ersten Ranges war, das hätten wohl wenige vermutet. Wohl auch nicht der Archäologe Hans-Peter Volpert, als er im Dezember 2004 zum Huberhof am Glonner Weg gerufen wurde, wo Architekt Peter Jenkel bei einem Erdaushub Verfärbungen im Kiesboden entdeckt hatte, woraufhin auf einem 4300 Quadratmeter großen Areal ein Reihengräberfeld mit zehn Gräbern freigelegt wurde und die Gebeine und Grabbeigaben nach eingehender Untersuchung in die Zeit zwischen 480 und 520 nach Christus datiert wurden. Also in die Zeit der frühen Merowinger, in der sich allmählich der Stamm der Bajuwaren formte.

Der Fund war eine Sensation. Die Geschichte der Bajuwaren muss deshalb zwar nicht neu geschrieben werden, aber die Funde haben die wissenschaftliche Erkenntnis über diese Epoche auf eine neue Basis gestellt. Seide aus China, Edelsteine aus Rajasthan (Indien) und Schmuckstücke, die in den exklusivsten Goldschmiedewerkstätten Italiens hergestellt worden waren, holte das Team um Hans-Peter Volpert in mühevoller Kleinarbeit ans Licht.

Ein Schwert mit textilen Resten und einer Schnalle. (Foto: Claus Schunk)

Ihre außergewöhnliche und wertvolle Ausstattung ließen auf sozial sehr hoch gestellte Persönlichkeiten schließen, die offensichtlich Verbindungen zu den Machtzentren südlich der Alpen hatten, sagte Harald Nottmeyer, der Chef des Heimatmuseums, am Donnerstag bei der Eröffnung der Dauerausstellung "Die ersten Bajuwaren im Hachinger Tal" im bis auf den letzten Platz gefüllten Museum. Seide, Gold und Edelsteine bekamen die Besucher dabei freilich nicht zu Gesicht. Die Funde sind Teil einer Dauerausstellung in der Archäologischen Staatssammlung in München und waren dort von Januar bis Juli 2010 erstmals öffentlich zugänglich. Seit August 2016 aber hat die Staatssammlung geschlossen, deshalb habe sie gedacht, sie könne alle Funde zur Leihe bekommen, sagte Cornelia Renner vom Förderverein des Heimatmuseums. "Wir haben aber nur die billigsten Funde gekriegt, weil die Versicherung der teuren Stücke nicht zu stemmen ist."

Gold, Schmuck und Seide fanden die Archäologen im Grab der Prinzessin. (Foto: Claus Schunk)

So etwa sehen die Besucher von der "Prinzessin" aus "Grab 5" lediglich eine maßstabsgetreue Fotografie ihrer Gebeine und wenige unspektakuläre Grabbeigaben. Dabei hatten die Archäologen bei der im Alter zwischen 20 und 25 Jahren gestorbenen Frau Gold, Silber, Bronze Perlen und Bernstein gefunden. Auf Schautafeln mit Skelettskizzen findet man Steckbriefe zu den sieben Frauen und Mädchen sowie drei Männern, die hier, einen Steinwurf vom Hachinger Bach entfernt, ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Nur in "Grab 2" fand das Grabungsteam keine Beigaben. Wie akkurat die Archäologen bei der Freilegung der Grabstellen hatten vorgehen müssen, zeigt eine Goldnadel, "sehr, sehr dünn", wie Cornelia Renner sagte. Auch vom Gewand eines Mädchens fand man nur noch eingearbeitete Goldfäden, mit bloßem Auge kaum zu erkennen.

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Dass die Überreste der Toten von hochgestellten Persönlichkeiten stammen müssen, steht nach den Worten Nottmeyers außer Zweifel: "Wir wissen aus Überlieferungen dieser Zeit, dass es bei Todesstrafe verboten war, Gold und Seide öffentlich zu tragen, wenn man nicht zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht gehörte oder einen hohen militärischen Rang einnahm." Welche gesellschaftliche Stellung die Toten zu Lebzeiten hatten, bleibt vorerst im Dunkeln. Im Gegensatz zu anderen Stämmen wie etwa den Goten, Langobarden und Alamannen gibt es bei den spätantiken Schriftstellern bis in die Mitte des 6. Jahrhunderts über die Bajuwaren keine schriftlichen Hinweise - weder auf Wanderbewegungen noch auf eine Einwanderung mit einer Landnahme. Zum ersten Mal überhaupt sei der Stammesname der Bajuwaren im Jahre Jahr 551 bei dem römisch-gotischen Geschichtsschreiber Jordanes genannt worden.

Harald Nottmeyer im Museum, wo die Dauerausstellung seit Donnerstag zu sehen ist. (Foto: Claus Schunk)

Die Bedeutung Unterhachings in der Forschung zeigt sich laut Nottmeyer auch durch weitere Entdeckungen, so nur 50 Meter entfernt vom dokumentierten Gräberfeld, wo im Winter 2020 weitere zehn Grablegen gefunden wurden, die noch früher zu datieren seien. Hinzu kommen zwei Siedlungen: eine auf dem Grund des ehemaligen Straßmayrhofes und des alten Glonnerhofes, die beide dem 7. Jahrhundert, wenn nicht sogar dem späten 5. Jahrhundert zuzurechnen seien. Südlich davon sei ein weiteres Gräberfeld entdeckt, aber noch nicht ausgegraben worden.

Das Unterhachinger Heimatmuseum hat in der Zeit bis Weihnachten an jedem Sonntag von 14 Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet.

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