Hochwasserschutz:"Es gibt eigentlich keine Lösung, die alle Bachanlieger schützt"

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Das lange erwartete Grundwassergutachten zu den geplanten Rückhaltebecken im Hachinger Tal liegt nach sieben Jahren vor. Doch die Daten sind inzwischen veraltet - und die Unterhachinger befürchten, dass sie für einige Anwohner alles noch schlimmer machen.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Der Hachinger Bach ist bei normalen Wetterlagen kein Gewässer, vor dem sich jemand fürchten würde. Allenfalls knietief fließt er durchs Hachinger Tal. Dass er auch ganz anders kann, zeigt er immer mal wieder bei Starkregen oder lange anhaltenden Niederschlägen. Wenn dann wie in Unterhaching noch das Grundwasser von unten drückt, bekommen die Anwohner mehr als nur nasse Füße. Seit vielen Jahren stellt sich die Frage: Lässt sich so ein Hochwasser durch Baumaßnahmen irgendwie verhindern oder würde dadurch für einige alles nur noch schlimmer? Jetzt schien mit dem lange erwarteten Grundwassergutachten Bewegung in die Sache zu kommen. Doch die Ergebnisse lassen die Betroffenen eher ratlos zurück.

Unvergessen ist in Unterhaching das Pfingsthochwasser vor zehn Jahren, ein Jahrhunderthochwasser mit Überschwemmung und voll gelaufenen Kellern. Seither bekräftigten alle Gemeinden entlang des Bachs bis hin zur Landeshauptstadt München, gemeinsam etwas für den Hochwasserschutz tun zu wollen. Die Münchner haben wegen der Bauvorhaben am südlichen Stadtrand ein Interesse daran, dass ihnen das Wasser nicht aus Richtung Süden entgegenschwappt. Seinerzeit wurde ein gemeindeübergreifendes Hochwassermanagement in Auftrag gegeben, das als Lösung verschiedene Rückhaltebecken vorsieht, allerdings nur für das Oberflächenwasser.

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Unterhaching monierte daher, dass das nur die halbe Wahrheit sein könne, weil insbesondere im Bereich des Wasserturms an der Südstraße und Hauptstraße vor allem das Grundwasser ein Problem ist, das sich dort näher an der Oberfläche befindet als an anderen Stellen entlang des Baches. Bevor also das nach dem Pfingsthochwasser 2013 erstellte Konzept umgesetzt werden kann, bestand die Gemeinde auf eine Expertise zum Grundwasser. Die wurde von der Stadt München 2016 in Auftrag gegeben. Nach sieben Jahren stellte Ingenieur Sebastian Weise vom Büro Björnsen am Dienstagabend in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses die Ergebnisse vor.

Doch die bringen Gemeinderat und Anwohner nicht wirklich weiter. Auch weil die verwendeten Daten aus dem Jahr 2014 stammen und Weise selbst zugab, "dass sich die Situation inzwischen anders darstellt". Die gute Nachricht: Eine Aktualisierung wäre möglich, eine Neuberechnung kein Problem. Die schlechte: Das kostet nicht nur Geld, sondern würde auch wieder mindestens ein Jahr dauern. Die Entwurfs- und Genehmigungsplanung für die Rückhaltebecken wären dann etwa für Ende 2025 terminiert. So lange wollen die Betroffenen aber eigentlich nicht warten. "Wir sind schon dreimal abgesoffen", sagte ein Anwohner in der Sitzung.

Die Berechnungen des Ingenieurbüros haben ergeben, dass im Bereich des geplanten Beckens an der Tegernseer Landstraße der Grundwasserpegel bei einem Jahrhunderthochwasser sehr wohl etwas steigen würde, wenn man das Becken baut. Nördlich davon hingegen sinke der Pegel dadurch. Ein kurzer Starkregen über mehrere Stunden hätte keinen Einfluss, mehrtägige starke Regenfälle wie 2013 hingegen schon. Das Fazit des Gutachters: "Aus unserer Sicht spricht nichts gegen die Umsetzung der geplanten Maßnahmen."

"Ich bin genauso schlau wie vorher, das war für die Katz"

Aus Unterhachinger Sicht hingegen schon. "Wenn wir schon keine Verbesserung bekommen, dann wollen wir wenigstens keine Verschlechterung", sagte Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD). Die Frage sei doch, was genau passiere, wenn das Becken an der Tegernseer Landstraße gebaut würde. Die Nutznießer seien die Münchner, die bauen wollten. "Doch wir brauchen Schutz für unsere Leute, die schon da sind", sagte der Bürgermeister. So detailliert ist die vorliegende Untersuchung nicht, dass man sagen könnte, welche Keller volllaufen. "Ich bin genauso schlau wie vorher, das war für die Katz", befand daher Sebastian Ruppert von den Freien Wählern.

Ruppert ist aktiv bei der Feuerwehr und weiß noch genau, wie er und seine Kollegen 2013 die Keller ausgepumpt haben. Auch Panzer erinnert sich: Beim Hochwasser 1990 habe man das Wasser aufs Feld geleitet und die Keller seien vollgelaufen, sagte der Bürgermeister. 2013 habe man das Wasser auf die andere Seite der Straße gepumpt und nach zwei Tagen seien die Keller ebenfalls vollgelaufen. Klar ist nach der Studie, auch wenn sie auf alten Daten basiert: Gibt es dieses Becken, laufen die Keller wieder voll, allerdings noch um zehn Zentimeter höher als bisher. Panzer schließt daraus: "Es gibt eigentlich keine Lösung, die alle Bachanlieger schützt." Gertraud Schubert von den Freien Wählern, die sich schon seit vielen Jahren intensiv mit dem Hachinger Bach beschäftigt und auch ein Buch über das Gewässer verfasst hat, findet: "Da würden wir den Teufel mit dem Beelzebub austreiben."

Der Hachinger Bach kann bei starken Regenfällen schnell über die Ufer treten. (Foto: Claus Schunk)

Nun wollte man sich im Ausschuss nicht damit abfinden, dass manch einer dann eben mit dem Grundwasser im Haus leben muss. Die Vorschläge reichten von wasserundurchlässigen Becken bis hin zu unterirdischen Rohren, um die Wassermassen gegebenenfalls bis in den Landschaftspark umzuleiten. Man könne die Becken schon abdichten, sagte Ingenieur Weiser. Doch gab er zu bedenken, dass dies nicht nur umwelttechnisch zweifelhaft, sondern auch teuer sei. Eine unterirdische Ableitung schätzt er als ähnlich aufwendig ein wie die zweite Stammstrecke. "Jede andere Maßnahme als ein Rückhaltebecken kostet sehr viel mehr Geld", sagte er. Der Bürgermeister stellte auch klar: "Wir können nicht den Grundwasserstrom abschotten."

Jetzt gilt es erst einmal wieder abzuwarten. Denn das Gutachten wird in den kommenden Wochen zunächst in den anderen Gemeinden vorgestellt. Danach will man darüber reden. Denn auch in Unterhaching ist man nach wie vor der Ansicht, dass der Hochwasserschutz nur gemeinsam gelingen kann. Die Frage ist nur, wann und wie viele Untersuchungen noch notwendig sind.

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