Corona-Demos:Da braut sich was zusammen

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Stärke zeigen, aber auch Gesprächsbereitschaft - das ist die Strategie der Polizei: Ein Polizist spricht mit einem Gegner der Corona-Maßnahmen während des Protestzugs am Montagabend in Unterhaching. (Foto: Sebastian Gabriel)

Nach den Demonstrationen von Gegnern und Befürwortern der Corona-Maßnahmen am Montag befürchtet Bürgermeister Wolfgang Panzer, dass Unterhaching zum Tummelplatz der Auseinandersetzung werden könnte.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

An Weihnachten hatte Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) noch insgeheim gehofft, die sogenannten Spaziergänge montags direkt vor seinem Rathausfenster würden bald einfach von selbst wieder aufhören. Konfliktpotenzial konnte er darin jedenfalls zunächst keines erkennen. Doch da hat sich der Rathauschef offenbar getäuscht: Immer mehr Menschen marschieren unangemeldet gegen die Corona-Maßnahmen und gegen das Impfen durch die Straßen seiner Gemeinde. Und so befürchtet Panzer mittlerweile, Unterhaching sei dabei, sich zu einem beliebten Tummelplatz für diese Art von "Spaziergängen" zu entwickeln. Daher hat er im Landratsamt jetzt eine Allgemeinverfügung beantragt, um Versammlungen jeder Art aus dem Ortszentrum herauszuhalten und auf den Volksfestplatz im Ortspark verweisen zu können.

Die zunächst kleine Gruppe von sogenannten Spaziergängern, die im Ort ihre Protestrunde drehte, war in der vergangenen Woche auf 200 angewachsen. An diesem Montag kamen bereits 300 "Spaziergänger", wie die Polizei am Dienstag mitteilte, nachdem sie am Montag noch von 200 gesprochen hatte. Zugleich waren ebenfalls 300 Menschen dem Aufruf der beiden Studenten Florian und Michael Dietrich gefolgt, den Gegnern der Corona-Maßnahmen mit einer angemeldeten Kundgebung im Ortszentrum etwas entgegenzusetzen. Zwar blieb an dem Abend alles friedlich, die Polizei hielt die beiden Gruppen durch Absperrungen auseinander. Panzer hatte zuvor nach eigenen Worten Konflikte befürchtet, als er nach der Rückkehr aus dem Urlaub am Wochenende von beiden Veranstaltungen erfuhr. "Die Polizei hat einen gut Job gemacht", lobt er tags darauf. Doch sieht der Bürgermeister nun Handlungsbedarf. "Ich gehe davon aus, dass der Fokus jetzt auf Unterhaching liegt."

Wie es dazu kommt, dass Unterhaching sich zum Hotspot mausert, zumal auch in anderen Gemeinden im Landkreis immer wieder Gegner von Corona-Maßnahmen gemeinsam auf die Straße gehen, darüber kann der Rathauschef nur mutmaßen. "Wir sind die zweitgrößte Kommune im Landkreis, liegen nahe an München und sind verkehrstechnisch gut zu erreichen", so Panzer. Er glaubt daher, dass viele der "Spaziergänger" gar nicht aus Unterhaching kommen. Dass sich am Ort aber eine rechtsextreme Szene entwickelt hat, kann er sich auch nicht vorstellen. Die Tatsache, dass die rechtsextreme Kleinpartei "Der III. Weg" mit Flugblättern zu der Veranstaltung aufgerufen hat, hält Panzer eher für Zufall.

Auch der Leiter der Polizeiinspektion Unterhaching, Siegfried Graf, sieht in Unterhaching keine aktiven rechtsextremen Gruppen am Werk. "Es gibt in der Umgebung einige Personen, die den Reichsbürgern zuzuordnen sind", sagt er. Hinter der Verteilungsaktion von "Der III. Weg" in Unterhaching vermutet er eine Reaktion auf die angekündigte Kundgebung mit prominenten Rednern und Politikern aller größeren Parteien.

Teilnehmer der Kundgebung für Wissenschaft, Solidarität, Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Unterhaching machen deutlich, was sie von den Spaziergängen der Impfgegner halten. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Unterhachinger Polizei hatte am Montagabend Verstärkung vom Polizeipräsidium München bekommen. Auch Beamte des Staatsschutzes waren zugegen und warfen laut Inspektionsleiter Graf "ein Auge auf die Versammlung". Graf spricht von "subjektiv örtlichen Personen und einem bürgerlichen Klientel" unter den Teilnehmern. Von den Rechtsnationalen des "III. Weg" sei am Montag niemand in Unterhaching gewesen, in der Vergangenheit sei das dagegen vereinzelt der Fall gewesen.

Unterhaching ist in der Pandemie schon einmal in Zusammenhang mit der rechtsextremen Kleinpartei genannt worden. Nach einer Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag antwortete das Justizministerium im Januar vergangenen Jahres: "Ab 19.03.2020 bot die Partei an verschiedenen Standorten im Bundesgebiet eine Nachbarschaftshilfe an, darunter auch im Raum Bamberg, Nürnberg und Fürth sowie in Unter- und Oberschleißheim und Unterhaching."

Bürgermeister Panzer weiß davon nichts. Er stellt aber klar: "Ich will auf keinen Fall, dass Rechtsradikale und Reichsbürger durch Unterhaching marschieren. Da würde ich in jeder Art und Weise dagegen vorgehen." Dass er nicht wie andere Politiker der demokratischen Parteien am Montagabend auf dem Rathausplatz das Wort ergriffen hat, begründet er damit, dass er sich eher als "Vertreter der Sicherheitsbehörde" gesehen hat, "und da hält man sich raus". Für die Unterhachinger SPD habe ja auch die Ortsvorsitzende Sabine Schmierl geredet, sagt Panzer. Er wolle eher deeskalierend wirken. "Wir haben eine Demokratie und da sind andere Meinungen zulässig." Seine ganz persönliche Meinung: "Ich bin für eine Impfpflicht."

Wie das auf dem Volksfestplatz werden soll, wenn wieder Gegner und Befürworter der Corona-Maßnahmen gleichzeitig auf die Straße gehen wollen, weiß Panzer noch nicht so genau. Florian und Michael Dietrich, die Initiatoren der Gegenkundgebung am Montag, planen jedenfalls weitere Aktionen. "Wir möchten auch in Zukunft regelmäßig ein Zeichen der Solidarität aus dem Landkreis München senden." Klar sei aber auch: Man wolle Polizei und Verwaltung nicht übermäßig belasten und sich wegen der "Gefahr von Ansteckungen" nicht wöchentlich versammeln.

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