Toiletten für alle:Ein dringendes Bedürfnis

Lesezeit: 3 min

Im Landkreis gibt es bisher keine einzige öffentliche Toilette, die barrierefrei und hygienisch einwandfrei ist. Viele Behinderte verzichten daher unterwegs aufs Trinken. Interessenvertreter fordern Abhilfe.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Spätestens nach dem zweiten Kaffee drückt die Blase. Und unterwegs ist es nicht immer einfach, rasch ein Klo, ein Pissoir oder Häusl zu finden. Öffentliche Toiletten sind mitunter rar, wer S-Bahn fährt und an mancher Station schon vergebens Ausschau nach einem stillen Örtchen gehalten hat, weiß das.

Auch wessen Bitte in einer Gastwirtschaft nach Nutzung der Toilette mit den barschen Worte "Nur für unsere Gäste" abgewiesen wurde, kennt die Nöte, in die einem das in dringendem Fall bringen kann. Noch viel schwieriger ist es für Menschen mit Behinderung, eine öffentliche Toilette zu finden, die sie einigermaßen problemlos und möglichst ohne fremde Hilfe benutzen können. Darauf macht anlässlich des Welttoilettentags an diesem Mittwoch die bundesweit tätige "Stiftung Leben Pur" aufmerksam. Sie fordert schon lange mehr "Toiletten für alle". Bayernweit werden am 19. November vier weitere barrierefreie Toiletten eröffnet, eine davon am Münchner Marienplatz.

Der Welttoilettentag weist seit 2001 jährlich global auf das Fehlen ausreichender hygienischer Sanitäreinrichtungen und die gesundheitlichen Folgen diese Mangels hin. In Deutschland betrifft dieses Problem insbesondere Menschen mit komplexer Behinderung, die laut Stiftung oftmals unhygienische und gesundheitsschädliche Situationen auf sich nehmen. Etwa weil mangels geeigneter Sanitäreinrichtungen das Wechseln von Inkontinenzeinlagen auf öffentlichen Böden oder Parkbänken stattfinden muss.

So vorbildliche behindertengerechte und saubere Toiletten wie in der Oberhachinger Gemeindebibliothek wünschen sich nicht nur körperlich Beeinträchtigte. (Foto: Claus Schunk)

Eine "Toilette für alle" ist wesentlich besser ausgestattet als das, was viele sich unter einem Klo für Menschen mit Behinderung vorstellen. Wo der Platz mitunter bei weitem nicht ausreicht, um den Rollstuhl zu wenden, die Haltegriffe nicht verstellbar sind und die Barrierefreiheit, um dort ohne Hilfe hinzugelangen, nicht gegeben ist. "Häufig gibt es auch keine elektrischen Türen, dann wird es ohne Begleitung auch schwer", sagt Uta Schulz, Mitglied in den Behindertenbeiräten von Unterhaching und des Landkreises München.

Die Lage im Landkreis - ein Armutszeugnis

"Toiletten für alle" sind zusätzlich mit einem Personenlifter, einer Pflegeliege sowie einem luftdicht verschließbaren Abfallbehälter ausgestattet. Der Raum ist etwa zwölf Quadratmeter groß und bietet genügend Platz für den Wechsel von Inkontinenzeinlagen. Laut Stiftung Leben Pur sind deutschlandweit mittlerweile 62 solcher Toiletten errichtet worden. "Im Landkreis München gibt es keine einzige", kritisiert Uta Schulz, "ein Armutszeugnis."

Denn selbst wenn das Rollstuhlfahrer-Symbol auf der Klotür signalisiert, dass eine Toilette für Menschen mit Behinderung vorhanden ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sie diese auch tatsächlich nutzen können. Bestes Beispiel für eine solche Fehlplanung ist für Uta Schulz das Dixi-Klo am Bahnhof in Unterhaching. Lange hattet es gedauert, bis überhaupt eine öffentlichen Toilette an der S-Bahnstation aufgestellt wurde. "Aber leider ist die extrem verschmutzt und steht auch leicht abschüssig, sodass man wegrollt", sagt Schulz, die selbst im Rollstuhl sitzt. Man hätte also erst einmal den Boden ebnen müssen, bevor man das Klo aufstellt.

Toiletten im Grünwalder Bürgerhaus. (Foto: Claus Schunk)

Die Verschmutzung von Behindertentoiletten ist eines der großen Probleme für die eigentlichen Nutzer dieser Anlagen. "Viele Rollstuhlfahrer müssen sich auf die Toiletten setzen, das geht gar nicht anders", erläutert Bettina Endriss-Herz, Vorsitzende des Behindertenbeirats Haar die Problematik. Es würden leider häufig Nichtbehinderte die Toiletten nutzen und so verschmutzt hinterlassen, dass der Rollstuhlfahrer hier wieder kehrt macht. "Da will man sich doch nicht draufsetzen!"

Eine Lösung dafür gibt es längst, doch die wird laut Bettina Endriss-Herz noch zu selten umgesetzt. Verschlossene Behindertentoiletten, die nur mit einem 1986 eingeführten einheitlichen Euroschlüssel geöffnet werden können, seien viel sauberer. Den Schlüssel können Menschen mit Schwerbehindertenausweis beantragen.

Die mangelnde Möglichkeit, eine Toiletten aufzusuchen, führt nach den Erfahrungen von Endriss-Herz oftmals dazu, dass körperlich eingeschränkte Menschen vermeiden, ausreichend zu trinken. Schulz hält das für besonders problematisch, weil viele von ihnen eigentlich angehalten sind, viel zu trinken. Das habe zur Folge, dass die Betroffenen entweder zu Hause bleiben oder Windelhosen tragen müssen. "Das kann ja auch nicht sein", so Schulz. Auch Endriss-Herz berichtet: "In den sechs Jahre im Gemeinderat in Haar habe ich nie etwas getrunken, um ja nicht aufs Klo zu müssen."

Inzwischen ist die Toilette im Haarer Rathaus umgebaut. Ganz optimal sei sie noch immer nicht, sagt die Beiratsvorsitzende, denn die Griffe könne man nicht elektrisch verstellen, woran man sehe, dass "nicht jede Behindertentoilette für jeden Rollstuhlfahrer geeignet ist".

© SZ vom 18.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: