Streit zwischen Haar und München:Hart an der Grenze

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Münchner Stadträte verbannen Schwerlaster aus der Bahnstraße in Trudering und erhöhen damit den Druck auf die Gemeinde Haar. Bürgermeisterin Gabriele Müller reagiert empört, das Kieswerk will klagen.

Von Bernhard Lohr und Renate Winkler-Schlang, Haar/München

Zwischen der Stadt München und der Gemeinde Haar ist ein handfester Nachbarschaftsstreit entbrannt. Haar hat scharf auf einen Beschluss des Planungsausschusses des Münchner Stadtrats reagiert, die Bahnstraße und angrenzende Straßen in Trudering für Schwerlastverkehr über 3,5 Tonnen zu sperren. Im Haarer Rathaus sieht man sich brüskiert. Sollten tatsächlich Durchfahrt-Verbotsschilder aufgestellt werden, müssten sich die Lkw vom Quetschwerk Mühlhauser in Salmdorf zulasten vieler Haarer einen anderen Weg suchen. Die Gemeinde und das Kiesunternehmen erwägen zu klagen.

Für die Bewohner der kleinen Anliegerstraße Bahnstraße, die seit Jahrzehnten vor allem unter den Kieslastern vom Quetschwerk Mühlhäuser im Haarer Ortsteil Gronsdorf leiden, ist dies "ein Wahnsinn", sagt Anliegerin Michaela Müller zu dem Beschluss. Sie könne es kaum glauben. Die Gemeinde Haar jedoch reagierte postwendend: Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) versandte eine geharnischte Presseerklärung. Man sei "schlichtweg fassungslos" über das einseitige Vorpreschen der Münchner Stadträte. "Jetzt hat das Tischtuch einen Riss."

In Haar befürchtet man nun, dass die Lastwagen allesamt über Ottendichl abfahren und über die B 471 und die Vockestraße auf die Wasserburger Straße gelangen. Allenfalls als theoretische Möglichkeit sehen es die Haarer an, den Verkehr über die Keferloher Straße zu leiten, weil die schmale Lorenz-Huber-Straße in Gronsdorf für den Schwerlastverkehr nicht ausgebaut ist. Bisher hätten sich Stadt und Gemeinde das Leid geteilt, sagt Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD). Dies habe man aufgekündigt. "Sollte das durchgehen, werden wir uns nicht kampflos beugen und umgehend Klage einreichen." Haar werde sich "nicht kampflos beugen".

Markus Wahl, Geschäftsführer der Glück Kies-Sand-Hartsteinsplitt GmbH in Gräfelfing, zu der das Quetschwerk in Salmdorf gehört, kündigt ebenfalls an, den Beschluss juristisch prüfen zu lassen. "Für uns ist das nicht akzeptabel", sagt er und gibt sich zuversichtlich, das Lkw-Verbot kippen zu können. Es gehe um elementare Rechte: "So einfach wird das nicht gehen. Man muss schauen, dass ein Betrieb zu seinem Grundstück kommt."

Schwarzer Peter beim Nachbarn

Der Bezirksausschuss-Vorsitzende von Trudering-Riem, Otto Steinberger (CSU), sieht den Schwarzen Peter in der Nachbargemeinde: Sie solle erst einmal "ihren eigenen Laden in Ordnung bringen". Auch die Anlieger der Bahnstraße verweisen darauf, dass es östlich der Bahnstraße, auf Haarer Flur, potenzielle Verbindungen vom Quetschwerk zur Münchner Hauptverkehrsachse Wasserburger Landstraße gebe wie die Keferloher Straße, immerhin Zubringer zum Haarer Wertstoffhof. "Aber diese Möglichkeiten hat die Gemeinde Haar ja für Güterverkehr gesperrt, seit ich denken kann", bemängelt die Anliegerin.

Die Münchnerin Michaela Müller erinnert auch an den Kampf gegen den Verkehr, den schon ihre Eltern und deren Nachbarn begonnen hatten. Die ersten Aktiven dieser Initiative seien bereits gestorben. Hunderte Unterschriften habe man gesammelt, Ortstermine absolviert, Bürgerversammlungsanträge gestellt, den Bezirksausschuss um Hilfe gebeten, denn die Situation sei dramatisch: "Stoßstange an Stoßstange" führen die Laster durch. Lärm, Dreck, Feinstaub, Gefahrensituationen, alles nehme zu. Die CSU forderte nun, München müsse sich für Münchner Bürger einsetzen. Man könne sich nicht von Umlandgemeinden "über viele Jahre hin- und aufhalten lassen", erklärte der Truderinger Stadtrat Hans Podiuk. München habe immer wieder versucht, mit Haar verträgliche Lösungen zu finden.

Freilich ist ein Grund für die harsche Reaktion auf Haarer Seite abgesehen von der Sorge vor Mehrbelastung auf den Ortsstraßen die Enttäuschung darüber, dass interkommunale Gespräche über eine Lösung der vielen Konflikte im Bereich Gronsdorf und Trudering einen Rückschlag erlitten haben. Müller weist den Vorwurf von Podiuk zurück und sagt, seit mehr als einem Jahr sitze die Gemeinde mit München an einem Tisch, um ein interkommunales Strukturkonzept zu erarbeiten, damit Schulcampus, Wohnungsbau und eine Lösung der Verkehrsfragen vorankämen. Dazu komme ein Arbeitskreis mit Stadt, Planungsverband und Nachbarorten. Man habe gedacht, man befinde sich auf Augenhöhe im Austausch miteinander, sagt Müller.

Karten werden neu gemischt

Dabei geht es um weit mehr als nur die Bahnstraße und das Quetschwerk. Zur Debatte steht der gesamte Verkehr, der entstehen wird, wenn Haar einen Schulcampus baut. Die Rede war zunächst von Fachoberschule, Pflege- und Realschule, inzwischen steht letztere infrage. Hinzu kommen künftige Bewohner eines Wohngebiets an der Haarer Schneiderhofstraße - auf einer Fläche, die der Stadt gehört. München setzte dafür ursprünglich auf eine Verbindung übers illegale Gewerbegebiet Rappenweg und die Schwablhofstraße. Inzwischen haben Wohnbauträger Flächen am Rappenweg gekauft, es ist die Rede von einem möglichen Neubaugebiet. Offenbar werden die Karten ganz neu gemischt.

Haar hat 2016 eine eigene Verbindung zum Rappenweg entlang der Bahn gebaut - doch die Straße war zu eng für Schwerlaster, was damals großen Ärger auf Münchner Seite provozierte.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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