SPD München-Land:Florian Schardt will neuer Chef werden

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Florian Schardt tritt am Mittwoch zur Wahl an. Er will Vorsitzender SPD München-Land werden. (Foto: Claus Schunk)

Florian Schardt will sich diese Woche zum neuen Kreisvorsitzenden der Sozialdemokraten wählen lassen. Der 37-jährige Unternehmer aus Ottobrunn versteht sich als kreativer Vermittler und strebt kein Mandat an.

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Eine am Boden liegende Partei wieder aufzurichten, kommt einer Herkulesaufgabe gleich. Das haben unzählige Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren leidvoll erfahren müssen. Nicht nur die Bundes-SPD steht nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als Vorsitzende von Partei und Bundestagsfraktion vor dem personellen Umbruch. Auch im Kreis formieren sich die Sozialdemokraten in dieser Woche neu.

Florian Schardt will sich von Mittwoch an daran versuchen, eine Partei wieder aufzubauen, die auch in einer ihrer einstigen Hochburgen in Trümmern zu liegen scheint - der 37-jährige Ottobrunner bewirbt sich am 5. Juni beim Parteitag des Unterbezirks München-Land als neuer Kreisvorsitzender. Er will Nachfolger der Planeggerin Bela Bach werden, die Anfang Mai nach vier Jahren im Amt überraschend angekündigt hatte, nicht mehr kandidieren zu wollen.

Eine Parteikarriere wie die von Bela Bach kann Schardt bislang nicht vorweisen

ist bisher in der Partei ein relativ unbeschriebenes Blatt; er kann nicht auf eine klassische Parteikarriere wie die noch amtierende Kreis-Chefin zurückblicken. Der verheiratete Vater zweier Kinder trat 2006 in die SPD ein, damals in den Münchner Ortsverein (OV) Haidhausen Ost. "Und wie das bei der SPD oft so ist, du bist dabei und dann wirst du sofort gefragt, ob du ein Amt übernehmen könntest", sagt Schardt und lacht. Er wurde dann sehr schnell Revisor, Kassier und für kurze Zeit auch OV-Vorsitzender. Nach seinem Umzug nach Neubiberg 2014 ging wieder alles sehr schnell und Schardt wurde zum stellvertretenden OV-Vorsitzenden gewählt. Seit 2018 gehört er der Ottobrunner SPD an.

Die Welt des Diplom-Volkswirts ist aber ohnehin nicht jene der verdunkelten Hinterzimmer. Sein Schreibtisch steht in einem hell erleuchteten Büro im markanten Eckhaus des Werksviertels am Münchner Ostbahnhof. Hier im kreativen Szeneviertel, das sich in den vergangenen Jahren stark verändert hat, hat die von ihm und einem Kollegen gegründete Azubiyo GmbH ihren Sitz, ein ehemaliges Start-up, das Jugendliche "bei der Berufswahl und Ausbildungsbetriebe bei der Stellenbesetzung unterstützt". Seit 2009 ist Schardt neben Joachim Geitner einer von zwei Geschäftsführern - noch. Denn nach zehn Jahren zieht sich das Duo zurück, weil sie sich "neuen Herausforderungen widmen möchten". Eine davon wird für Schardt die SPD. "Und ich kann das auch nur machen, weil ich ab Herbst mehr Zeit haben werde", sagt der Ottobrunner.

Schardt wird, so er denn gewählt wird, einen Unterbezirk übernehmen, der turbulente Zeiten hinter sich hat. Mit desaströsen Wahlergebnissen und innerparteilichen, persönlichen Konflikten, die den Kreisverband zu zerreißen drohten. Bei der Kreistagswahl 2014 kam die SPD im Landkreis noch auf 23,5 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2014 waren es 14 Prozent der Zweitstimmen. Bei der Landtagswahl 2018 erreichte die Partei im Stimmkreis Süd gerade einmal 8,6 Prozent der Zweitstimmen, im Norden waren es elf. Und bei der Europawahl vergangenen Sonntag erlitt die Partei mit zehn Prozent im Landkreis das nächste Debakel.

Vor allem die Ergebnisse bei der Bundes- und Landtagswahl - verbunden damit, dass Bela Bach den Einzug in den Bundestag und die stellvertretende Landrätin Annette Ganssmüller-Maluche den Sprung in den Landtag verpasst hatten - führten zu innerparteilichen Machtkämpfen und massiven Attacken auf persönlicher Ebene. Es waren Scharmützel zwischen Bach und Ganssmüller-Maluche auf der einen und Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen sowie der Fraktionssprecherin im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas, auf der anderen Seite, die auch einen SPD-Bürgermeister entsetzten: "Kein Wunder, dass sich die Menschen entsetzt abwenden."

Der Konflikt gipfelte in einem Personalvorschlag Kohnens für den SPD-Kreisverband mit Florian Schardt als neuem Vorsitzenden - wer aber fehlte war die bisherige Stellvertreterin Annette Ganssmüller-Maluche. Erneut geriet die Partei derart in Wallung, dass eine Befriedung kaum mehr möglich zu sein schien. "Wir haben dann aber sehr schnell sehr viele Gespräche geführt", sagt Schardt. "Und ich glaube, es ist dabei auch gelungen, Gräben zuzuschütten. Wir müssen jetzt auch aufhören, übereinander zu reden. Wir müssen miteinander reden." Mit Annette Ganssmüller-Maluche habe er das intensiv getan. Sie soll wieder zur stellvertretenden Kreisvorsitzenden gewählt werden - und erneut als Landratskandidatin. "Mit meiner und unser aller Unterstützung", sagt Schardt.

Die Digitalisierung liegt ihm am Herzen

Sein besonderes Augenmerk gelte jetzt den Kommunalwahlen im kommenden Frühjahr. Er selbst will sich dabei als Kommunikator verstanden wissen, der "den Laden auch zusammenhält". "Wir haben so erfolgreiche Bürgermeister, die wir unterstützen müssen, und die wirklich tolle Arbeit leisten", sagt der Ottobrunner. "Wir haben tolle Köpfe im Kreistag, die inhaltlich so viel bewegen." Er selbst, sagt Schardt, könne als Kreisvorsitzender sicher seine Erfahrungen als Unternehmer einbringen, der sich auch im Wirtschaftsforum der SPD in München oder der Industrie- und Handelskammer engagiere. Natürlich müsse sich die SPD auch auf kommunaler Ebene - vor allem in einem derart prosperierenden Landkreis - neu und anders aufstellen.

"Mir liegt vor allem das Thema Digitalisierung am Herzen. Wir brauchen einen digitalen Wandel, an dem alle teilhaben können", sagt er. "Hier darf es keine Gewinner und Verlierer geben." Als Partei der sozialen Gerechtigkeit müsse die SPD aber auch Konzepte entwickeln, wie bezahlbarer Wohnraum schnell geschaffen werden könne, wie die Mobilität der Zukunft aussehe. "Ich stelle mir vor, dass wir uns als Partei bei diesen Diskussionen öffnen, mit Fachleuten und Experten aus der Wirtschaft, auch aus Gewerkschaften und Kirchen und Kultur ins Gespräch kommen", sagt der designierte Vorsitzende. Auch müsse sich der Unterbezirk dem großen Thema der Zeit stellen: dem Klimawandel.

Er selbst, sagt Schardt, strebe kein Mandat an, weder im Kreistag noch im Gemeinderat. "Aber wenn mein Ortsverein meine Hilfe anfragt, etwa bei der Aufstellung der Liste, werde ich nicht nein sagen", stellt er klar. Vielleicht müsse die Partei, etwas lockerer werden, kreativer und nicht so verbissen, findet er. "Ich will da meinen Beitrag leisten. Gemeinsam im Team mit allen anderen", sagt Schardt. Neben Annette Ganssmüller-Maluche werden Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier und Ramona Greiner aus Grünwald für die Posten der Stellvertreter kandidieren.

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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