Geothermie:Der Schatz unter dem Schotter

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Das Kraftwerk in Sauerlach produziert derzeit aus heißem Wasser vor allem Strom. (Foto: Claus Schunk)

In Sauerlach sollen mit neuen Bohrungen gewaltige Mengen an heißem Wasser für die Fernwärme gewonnen werden. Davon könnte nicht nur der Ort profitieren, sondern auch die Stadt München - mit mehr als 100 000 Haushalten.

Von Martin Mühlfenzl, Sauerlach

Unter der Gemeinde Sauerlach lagert ein gewaltiger Schatz, auf den es auch die Landeshauptstadt München abgesehen hat. Ein riesiger Vorrat an Heißwasser mit einer Temperatur zwischen 140 und 145 Grad Celsius, das sich in der Münchner Schotterebene in einer Tiefe von mehr als 4000 Metern befindet. Und dieses "große Reservoir", wie es Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner (UBV) nennt, soll der Stadt München dabei helfen, ihr selbst gestecktes Ziel der Klimaneutralität bis ins Jahr 2035 zu erreichen. Aber ohne Eigennutz wird die Gemeinde Sauerlach es nicht zulassen, dass die Stadtwerke München (SWM) das Heißwasser zur Fernwärmeversorgung mit neuen Bohrungen anzapft, denn auch die kleine Kommune im Münchner Süden hat Großes vor: Bis 2033 sollen möglichst alle Haushalte des Hauptortes mit seinen etwa 6000 Einwohnern an das eigene Fernwärmenetz angeschlossen sein.

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Dass sich in den tiefen Schichten des Molassebeckens vor der nördlichen Alpenkette dieses enorme Potenzial zur Erzeugung von Fernwärme und Energie befindet, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Im Jahr 2005 wurden die Bergrechte für das "Feld Sauerlach" erteilt, zwei Jahre später begannen die ersten Bohrungen, die tausende Meter in das Erdreich hineinreichen, und es wurde im Osten der Gemeinde nördlich der Hofoldinger Straße das Kraftwerk errichtet. Im Jahr 2014 ging es in Betrieb. Derzeit versorgt es mehr als 600 Haushalte im Hauptort mit Fernwärme, darunter alle gemeindlichen Liegenschaften wie das Rathaus und die Schulen. "Und es werden täglich mehr", sagt Rathauschefin Bogner. Die SWM stellen der Kommune hierfür eine thermische Leistung von etwa vier Megawatt bereit.

Vor allem aber wird hier mit dem heißen Wasser Strom produziert, der ins Netz eingespeist wird. Der beschauliche Ort gehört damit zu den wenigen, in dem mehr Strom und Wärme erzeugt als verbraucht werden.

So könnte die neue Verteilzentrale aussehen. (Foto: IMN / Ing.-Büro Müller und Nümann GmbH)

Die Vorteile des Heißwassers unter der Gemeinde Sauerlach wollen nun auch die Münchner Stadtwerke verstärkt nutzen. Dahinter steckt der ambitionierte Plan der Landeshauptstadt, bis ins Jahr 2035 die Klimaneutralität zu erreichen - und hierbei setzt München vor allem auf die klimaneutrale Geothermie bei der Wärmeversorgung. Daher wollen die Stadtwerke ihr Engagement auf dem Land massiv ausbauen, konkret plant der Energieversorger in Sauerlach sechs neue Geothermie-Bohrungen in der Gemeinde, die laut Aussage von SWM-Mitarbeiter Benedikt Broda 2028 und 2030 beginnen könnten. Gebaut werden soll, vermutlich nahe dem bestehenden Kraftwerk, eine neue Wärmeverteilerstation, die aufgrund des prognostizierten hohen Ertrags notwendig sein wird. Mit den neuen Tiefenbohrungen könnte eine Einspeiseleistung von bis zu 120 Megawatt erreicht werden.

Um die Wärme auch dorthin zu bringen, wo sie die Stadtwerke benötigen, soll eine etwa 25 Kilometer lange Fernwärme-Transportleitung von Sauerlach aus über den Brunnthaler Ortsteil Hofolding und den Hauptort Brunnthal bis nach München-Perlach gelegt werden. Von dort aus soll die Fernwärme in das Netz der Landeshauptstadt eingespeist werden; laut Stadtwerke kann mit dem angepeilten Volumen der Bedarf von mehr als 100 000 Haushalten in der Stadt München abgedeckt werden.

Die Netzstabilität soll durch Zusammenschlüsse erhöht werden

Aber auch für den südlichen Landkreis München soll die neue Fernwärme-Pipeline Vorteile mit sich bringen. So könnten etwa Hofolding und Brunnthal an das Netz angeschlossen und künftig mit Tiefengeothermie versorgt werden. Zudem würde ein Zusammenschluss der Geothermie-Infrastrukturen, etwa mit dem Brunnthaler Heizkraftwerk in Kirchstockach oder der Anlage im Ayinger Ortsteil Dürrnhaar, die Netzsicherheit und -stabilität stärken.

Denn auch bei Geothermie-Anlagen sind Störungen oder Ausfälle nicht ausgeschlossen. "Es kann immer mal zu Problemen kommen. Das ist heute schon so", sagt Sauerlachs Bürgermeisterin Bogner. Wenn in ihrer Gemeinde die Anlage ausfällt und keine Energie mehr produziert, dann muss der Strom über ein mit Öl betriebenes Redundanz-Kraftwerk hergestellt werden, was aus ökologischer Sicht der Energiewende natürlich diametral gegenüber steht.

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Ob die sechs Bohrungen in Sauerlach tatsächlich die Münchner Stadtwerke übernehmen werden, steht aber noch nicht fest. Diese Entscheidung liegt ausschließlich beim Gemeinderat. "Klar ist aber, wenn es so kommen sollte, wird auch unsere Gemeinde davon profitieren", sagt die Rathauschefin. Offen ist zudem, ob in der flächenmäßig größten Gemeinde des Landkreises München neben dem Hauptort auch die anderen elf Gemeindeteile, die teils weit voneinander entfernt liegen, an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Bogner sagt: "Momentan ziehen wir nur Wärme für Sauerlach."

Ändern könnte sich das aber von 2033 an. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wird die Stromproduktion mit Erdwärme durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet. Mit Wegfall dieser Förderung soll in Sauerlach dann fast nur noch Wärme erzeugt werden. Für die Gemeinde und - kurz vor Erreichen der Klimaneutralität - auch für die Landeshauptstadt.

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