Landtagswahl 2023:Debakel nach Datenaffäre

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Fairer Gratulant: Der frühere bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (rechts) unterliegt bei der Nominierung des Direktkandidaten für die Landtagswahl dem Grünwalder Marco Deutsch. (Foto: Claus Schunk)

Bayerns ehemaliger Wirtschaftsminister Martin Zeil fällt bei der Nominierung des FDP-Direktkandidaten im Stimmkreis München-Land Süd gnadenlos durch. Der Sieg von Marco Deutsch ist auch ein Erfolg für den Kreisvorsitzenden Michael Ritz.

Von Martin Mühlfenzl, Pullach

Als Martin Zeil auf das Thema Datenschutz angesprochen wird, wird es sehr still im Pullacher Bürgerhaus. Die FDP München-Land sucht an diesem Donnerstagabend ihren Direktkandidaten für den Stimmkreis München-Land Süd und Bayerns ehemaliger Wirtschaftsminister ist einer von zwei Bewerbern. Auf die Frage, ob das Versenden seiner Bewerbung per E-Mail an alle Mitglieder des Kreisverbandes ein Fehler gewesen sei und ihn und die Partei beschädige, weil er die Mail-Adressen gar nicht hätte besitzen dürfen, sagt der 66-Jährige: Er habe das mit dem FDP-Datenschutzbeauftragten in Bayern geklärt, dieser habe ihn abgemahnt. Ein Verstoß gegen Richtlinien aber liege nicht vor. Woher er die Daten hatte, ließ Zeil erneut offen.

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Bayerns ehemaliger Wirtschaftsminister verliert bei der Nominierung des FDP-Direktkandidaten im Stimmkreis München-Land Süd klar gegen den Grünwalder Marco Deutsch.

Von Martin Mühlfenzl

Den Mail-Verteiler, den der Gautinger nach eigenem Bekunden schon längst gelöscht hat, wird er aber ohnehin nicht mehr brauchen. Was Zeil am Donnerstagabend in Pullach erlebte, war - gelinde gesagt - ein Debakel. Vielleicht auch wegen der Datenaffäre. Erst vor gut zwei Wochen hatte sich der 66-Jährige quasi über Nacht selbst als Direktkandidat für den Stimmkreis ins Spiel gebracht und darauf verwiesen, es hätten ihn zahlreiche "Anfragen und Ermunterungen" dazu aus dem FPD-Kreisverband erreicht. In Pullach wiederholte Zeil dies noch einmal, betonte seine enge Verbundenheit mit dem Landkreis München, den er von 2005 bis 2008 im Bundestag vertrat und in dem er noch immer "sehr viele Freunde" habe.

Der FDP-Kreisvorsitzende Michael Ritz hat gut lachen: Seine Bewerber haben die Abstimmungen über die Direktkandidaturen gewonnen. (Foto: Claus Schunk)

So viele waren es dann bei der Abstimmung über die Direktkandidatur aber doch nicht. Lediglich 18 Delegierte stimmten für Zeil, 44 Liberale entschieden sich hingegen für den Grünwalder Unternehmer Marco Deutsch. Ein deutliches Votum, das viele überraschte. Er habe nicht mit einem derart eindeutigen Ergebnis gerechnet, sagte der ehemalige Kreisvorsitzende Rochus Kammer. Dem stimmte auch die Kirchheimerin Katharina Diem zu, die erst vergangene Woche in Grasbrunn in einer deutlich engeren Abstimmung mit 16 zu 14 Stimmen gegen den Unterföhringer Veit Wiswesser zur FDP-Direktkandidatin im Stimmkreis München-Land Nord gewählt worden war.

Populäre Köpfe bringen Stimmen, darum hatte die Partei 2018 auf Helmut Markwort gesetzt

Diem und Deutsch haben eines gemeinsam: Sie sind die Wunschkandidaten des FDP-Kreisvorsitzenden Michael Ritz. Und so stellt vor allem auch der Sieg von Marco Deutsch einen Erfolg für Ritz dar, der damit seine Position innerhalb des Kreisverbandes gestärkt haben dürfte. Denn der Grünwalder Rechtsanwalt hat ein nicht ganz ungefährliches Spiel gespielt. Noch vertritt Focus-Gründer Helmut Markwort den Stimmkreis München-Land Süd im Landtag und amtiert dort als Alterspräsident. Und bei bayerischen Landtagswahlen spielt ein bekannter Name aufgrund der Wahlarithmetik mitunter eine wichtige Rolle: Erst- und Zweitstimmen werden im Freistaat addiert, populäre Köpfe können also als Stimmenbringer darüber entscheiden, ob eine Partei - wie die FDP im Jahr 2018 - knapp den Einzug ins Parlament schafft und der eigene Stimmkreis dann auch im Landtag vertreten ist.

Ritz aber hat sich für einen anderen Weg entschieden und schon vor Monaten intern klar gestellt, dass der FDP-Kreisverband eine erneute Direktkandidatur Markworts nicht mehr unterstützen wird. Stattdessen setzt der Grünwalder auf eine personelle Erneuerung seiner Partei, die auch Niederschlag in der Zahl der Mitglieder und der Altersstruktur der FDP im Landkreis München findet, wie Ritz in Pullach stolz verkündete: Mittlerweile seien die FDP-Mitglieder im Schnitt um zweieinhalb Jahre jünger als noch vor ein paar Jahren, 46,5 Jahr betrage der Altersdurchschnitt. Und mit insgesamt 435 Mitgliedern ist der Kreisverband sogar so stark wie noch nie.

Focus-Gründer Helmut Markwort wird in den Landkreis Freising weiterziehen und dort noch einmal kandidieren. (Foto: Claus Schunk)

Und tatsächlich tummelten sich unter den 62 Stimmberechtigten im Bürgerhaus viele Mitglieder der Julis, der Nachwuchsorganisation der FDP. Zu den Jungen Liberalen zählt auch noch Katharina Diem mit ihren 34 Jahren, die gemeinsam mit Ritz und dem Unterschleißheimer Manfred Riederle die FDP-Gruppe im Kreistag bildet. Sie gilt als enge Verbündete des Kreisvorsitzenden und kommendes Gesicht der Liberalen im Landkreis. Zu den Vertrauten des Kreis-Chefs gehört auch Marco Deutsch, der schon mehrere Untergruppierungen der Partei geleitet hat und aktuell Vorsitzender der Liberalen Senioren Oberbayern ist. Er wolle Politik für "Jung und Alt machen", sagte Deutsch bei seiner Bewerbungsrede in Pullach. Aber auch die Wirtschaftspolitik müsse wieder in den Fokus gerückt werden, er wolle Fachkräfte direkt im Ausland anwerben. Bayern müsse als Standort noch attraktiver werden. Und: "Bayern braucht Politiker, die zu ihrem Handeln stehen und Verantwortung übernehmen."

Martin Zeil hingegen drang mit seinem Dreiklang "Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und soziale Markwirtschaft" bei den Delegierten nicht durch. Seine politischen Ambitionen - auch und gerade im Landkreis München - sind damit wohl vorüber. Und Helmut Markwort, der auch anwesend war, wird bald nach Freising weiterziehen. Der 85-Jährige probiert es dort noch einmal als Direktkandidat.

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