Konzert:Ausgerechnet in München

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Im Pullacher Bürgerhaus hat die Band "Agratt" bisher nur geprobt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Pullacher Band "Agratt" hat beim Corso Leopold ihren ersten großen Auftritt. Drei ihrer Musiker arbeiten sonst fürs Rathaus.

Von Michael Morosow, Pullach

Dutzende Musikbands werden an diesem Wochenende beim Corso Leopold in Schwabing auftreten. Die meiste Bühnenerfahrung bringt dabei zweifelsohne die Pullacher Band "Agratt" mit. Der Sänger ist Bühnentechnikmeister im Bürgerhaus Pullach, die Gitarre zupft der Beleuchtungsmeister, für das Wummern des Basses zeichnet der Beschallungstechniker verantwortlich und komplettiert wird die Musikband durch einen Bauhofmitarbeiter und die Tochter eines Gemeinderats. Es versteht sich, dass Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund der Musiktruppe für ihren Auftritt die Daumen drückt, ist sie doch von dreien die Arbeitgeberin. Wenn die Band am Samstag "Du bist die Blume aus dem Gemeindebau" von Wolfgang Ambros in den Schwabinger Nachthimmel singt, ist sie aber dennoch nicht gemeint.

Softrock werden sie auf die MuThaRy-Bühne auf der Leopoldstraße, Höhe Ohmstraße, bringen, die ihnen von 22 Uhr an für eine Stunde gehören wird. Elvis Presley, Spider Murphy, STS, Peter Cornelius stehen unter anderem auf ihrer Liste. "Wir sehen uns als Betriebsband", sagt Bassist Michael Burger, der Beschallungstechniker, der als Jugendlicher mit klassischem Gesang auf der Bühne des Münchner Kongresssaales stand, bis ihn der Stimmbruch ereilte und er jetzt der Einzige sei, dem kein Mikrofon hingestellt werde, wie er schmunzelnd sagt.

60 Songs hat "Agratt" bereits im Repertoire, was durchaus erstaunlich ist für eine Band, die seit ihrer Gründung im Oktober 2020 nicht viel Gelegenheit zum Üben hatte und über einen Auftritt bei einer Open-Air-Veranstaltung im Juli 2021 auf der Liegewiese des Pullacher Schwimmbads nicht hinausgekommen ist. Denn - agratt - kurz darauf brachte das Coronavirus alle Live-Bands zum Verstummen.

Corona hat Veranstaltungen mit Publikum bisher verhindert

"Agratt" ist ein bayerisches Synonym für "ausgerechnet", dass sich die Musiker diesen Namen gegeben haben, liegt an einer Häufung von Zufällen, die zu der Bandgründung geführt hatte, wie Bandleader Sigi Reiner (Gesang, Cajon) berichtet. Er habe eigentlich nur mit einem Freund, dem Bauhofmitarbeiter Thomas Schwarze (Gitarre, Gesang) auf der Bühne des Bürgerhauses ein wenig musizieren wollen, berichtet der Bühnentechniker, als ihn beim Aufstellen der Notenpulte "agratt" der Beschallungstechniker Burger (Bass, Keyboard, Maultrommel, bloß kein Gesang) über den Weg gelaufen und kurz darauf mit der Bassgitarre wiedergekommen sei. Im nächsten Moment sei "agratt" der neue Beleuchtungsmeister Arthur Zacharias in den Saal gekommen. Ja, er spiele Gitarre, habe er geantwortet, und damit sei der harte Kern der Band schon gestanden, erinnert sich Reiner.

Hinzu stieß schließlich noch Nadja Ptacek, jüngste Tochter von SPD-Gemeinderat Holger Ptacek. Die Musikschülerin sprang kurzfristig für einen mit dem Motorrad verunglückten Schlagzeuger ein und ist seither Bandmitglied, mit 14 Jahren, wohlgemerkt, weshalb sie für ihren Auftritt eine Einverständniserklärung ihrer Eltern mitbringen muss. Die sitzen aber eh im Publikum. Das Mädchen ist Allrounderin, spielt Klavier, Schlagzeug, Keyboard, Klarinette, Saxophon und singt in einem Chor.

Natürlich seien alle nervös vor ihrem ersten großen Auftritt am Samstag, sagt Michael Burger, der seit zehn Jahren auf den Bühnen des Corso Leopold als Bühnentechniker im Einsatz ist, so auch an diesem Wochenende. "Wenn ich nicht mehr nervös werde, dann höre ich sofort auf", sagt er. Schief gehen könne vieles. So etwa sei er schon einmal vor einer fünf Meter breiten Bühne gestanden, die in ein drei Meter breites Zelt hätte passen sollen. Aber dass ihre Musik bei den Leuten gut ankommt, das habe man beim ersten öffentlichen Auftritt bei der Open-Air-Veranstaltung im Freibad gesehen. Sie seien danach von Besuchern angesprochen worden, die sie gerne für einen Auftritt gebucht hätten. "Agratt dann kam Corona", berichtet Burger.

Für diesen Samstag sagt der Wetterdienst böige Winde und Regen voraus. Aber vielleicht hat die Pullacher Band das Glück, dass agratt während ihres Auftritts Petrus die Schleusen schließt.

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