Protestaktion:Luftballons gegen das Gaskraftwerk

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Ende 2022 soll die Kohleverfeuerung im Heizkraftwerk Nord in Unterföhring enden. Die Stadtwerke München wollen die Anlage durch ein Gaskraftwerk ersetzen, was Umweltschützer und Kommunalpolitiker entsetzt. (Foto: Robert Haas)

Am Freitag wollen Umweltschützer und Aktivisten gegen den Bau von Turbinenblöcken in Unterföhring demonstrieren. Sie sind überzeugt, dass die Anlage weder für die Strom- noch für die Fernwärmeversorgung in München und dem Umland erforderlich ist.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Für die Unterföhringer Lokalpolitiker ist es ein Unding: Nach Jahrzehnten der Schadstoffbelastung durch die Steinkohleverfeuerung im Block 2 des Heizkraftwerks München-Nord soll nun nach dem Willen der Stadtwerke München (SWM) auf eben diesem Gelände auf Gemeindeflur ein Gaskraftwerk errichten, das gekoppelt Strom und Wärme liefern soll. Und das alles gegen den Willen der Sieger des Bürgerentscheids und gegen den Widerstand des Gemeinderats in der Stadtrandkommune.

Massiver Widerstand gegen diese Absichten kommt auch vom örtlichen Aktionsbündnis "Raus aus der Steinkohle in Unterföhring", das für diesen Freitag, 29. Januar, eine Demonstration beim Heizkraftwerk organisiert. Um 9 Uhr wollen sich Gegner der fossilen Anlage aus Unterföhring, aber auch Mitstreiter aus München, darunter unter anderem Vertreter von Fridays for Future und Fossil Free München, an der Ringstraße zum gemeinsamen Protest treffen.

Die Teilnehmerzahl ist nicht beschränkt

Coronakonform unter allen Hygieneauflagen, wie die Veranstalter mitteilen. Anschließend soll gegen 11 Uhr am Münchner Marienplatz weiter demonstriert werden. Die Kundgebung in Unterföhring hat Helmut Paschlau beim Landratsamt für 30 Teilnehmer angemeldet. Seinen Worten zufolge gibt es keine Beschränkung nach oben.

Anlass für die Demo ist nach Angaben der Sprecher des Aktionsbündnisses, Wolfgang Stubenrauch, und Unterföhrings Drittem Bürgermeister Johannes Mecke (Grüne), dass die Stadtwerke München Mitte Dezember offiziell bei der Regierung von Oberbayern ein sogenanntes Scoping-Verfahren für das neue Gaskraftwerk eingereicht haben.

Erstes Ziel dieses Verfahrens ist die Ermittlung umweltrelevanter Themen und insbesondere die frühzeitige Unterrichtung des Vorhabenträgers, welchen Inhalt, Umfang und welche Detailtiefe die Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens haben müssen.

Die Gegner des Projekts sind überzeugt davon, dass diese Anlage weder für die Strom- noch für die Fernwärmeversorgung in München und dem Umland erforderlich sei. Das Gaskraftwerk wird vom Bürgermeister und Gemeinderat der Gemeinde Unterföhrings abgelehnt, weil es für die nächsten 30 Jahre auch nach Abschaltung des Kohleblockes große Mengen CO₂ in die Atmosphäre blasen, die Luft weiter mit schädlichen Abgasen belasten und die Isar als Kühlwasser für die Gas-und Dampfturbinen missbrauchen würde, heißt es im Aufruf zur Demonstration

Mehr als drei Jahrzehnte Kohleblock, Müllverbrennung, Gaskraftwerk in Freimann, Autobahnen und Straßenverkehr "reichen uns in unserer Region klimapolitisch nun wirklich und müssen auf diesem Niveau nicht für Jahrzehnte in die Zukunft weitergeführt werden, zum Schaden unserer Kinder/Enkelkinder und auch nur, weil SWM aus kurzsichtigen Profitgründen an der fossilen Stromerzeugung festhält", schimpfen die Organisatoren der beiden Protestveranstaltungen.

Derzeit ist unklar, ob und wie schnell sich das von den Stadtwerken gewünschte Ersatzkraftwerk in Unterföhring überhaupt realisieren lassen könnte. Klar sein dürfte allerdings eines: Bis zum im Bürgerentscheid von 2017 festgelegten Ausstieg aus der Steinkohle am 31. Dezember 2022 kann es in keinem Fall in Betrieb gehen.

Eine gerichtliche Auseinandersetrzung zeichnet sich ab

Zudem müssen sich die Stadtwerke auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Gemeinde Unterföhring einstellen. Diese hatte sich Anfang Oktober erneut festgelegt, auf keinen Fall den Bau des Gaskraftwerks auf ihrem Gebiet zulassen zu wollen. Der Gemeinderat hat einen Bebauungsplan für das Areal auf den Weg gebracht, der dort ausschließlich regenerative Energien zulässt.

Unterföhring untermauert damit sein Nein zu einer Gas- und Dampfturbinenanlage neben dem Heizkraftwerk München-Nord. Weil das Areal auf Gemeindeflur liegt, wollen die Unterföhringer von ihrer Planungshoheit Gebrauch machen. Nach Beschluss der Lokalpolitiker soll mithilfe der Bauleitplanung für die fraglichen 32 Hektar verhindert werden, dass eine weitere fossile Anlage in direkter Nachbarschaft entstehen kann.

Unterföhring sei daran gelegen, aus Gründen des Klimaschutzes dort nur noch Anlagen zu fördern, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Und: "An unserer Haltung hat sich nichts geändert, ein Gaswerk wird es mit uns nicht geben", sagte der Unterföhringer Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft). Doch die Stadtwerke gehen offenbar davon aus, dass sie keine Zustimmung der Nachbargemeinde benötigen, wenn sie den Kohleblock im Heizkraftwerk stilllegen und dafür dort eine weniger umweltschädliche Anlage errichten.

Bei den Protestveranstaltungen am Freitag wollen die Veranstalter nach eigenen Angaben mittels schwarzen Luftballons die 54 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen sichtbar machen, für welche die Stadtwerke mit einem Gaskraftwerk in Unterföhring und ihrer Beteiligung an Spirit Energy, einem Unternehmen, das Öl und Gas in Nordeuropa fördert, verantwortlich zeichnen. Allein die Unterföhringer Anlage würde 22,5 Millionen Tonnen CO₂ produzieren, heißt es im Aufruf zu den beiden Demonstrationen.

© SZ vom 25.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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