Sterbebegleitung:Mit einem Lachen zum Schluss

Lesezeit: 3 min

Was es bedeutet, einen Menschen die letzten Wünsche zu erfüllen, lernen Teilnehmer beim Hospizverein. (Foto: Norbert Försterling/dpa)

Als Hospizhelferin in Ottobrunn hat der Tod für Petra Frey seinen Schrecken verloren. Darüber hat die Schauspielerin ein gnadenlos ehrliches Buch geschrieben - mit einer großen Portion schwarzem Humor.

Von Franziska Gerlach, Haar

Petra Frey hatte sich auf Händchenhalten eingestellt, denn es sah so aus, als würde der Mann bald sterben: Seine Atmung war flach, die Partie um die Nase blass, immer wieder verlor er das Bewusstsein. Doch plötzlich, so erzählt sie es am Esstisch ihres Hauses nahe der S-Bahn-Station Gronsdorf, erwachte er aus seinem Dämmerschlaf und teilte ihr mit, einen gewissen Appetit zu verspüren. Also sei sie als damals noch wenig erfahrene Hospizhelferin losgelaufen, um eine Suppe zu organisieren. Doch die war unglücklicherweise viel zu heiß. Sie geriet in Panik, fing an zu pusten. Der Mann aber sagte: "Ach, Frau Frey, probieren Sie sich ruhig an mir aus. Da geht nichts mehr kaputt. Ich sterb' jetzt sowieso."

Petra Frey ist seit mehr als zehn Jahren als Sterbebegleiterin aktiv. (Foto: Robert Haas)

Dieser "schwarze Humor" begegnete ihr später noch oft bei Menschen auf den letzten Metern ihres Lebens, doch es war der Mann mit der heißen Suppe, der sie auf die Idee brachte, ihre Erlebnisse mit dem Tod aufzuschreiben. Frey ist Schauspielerin von Beruf und auf Volksbühnen unterwegs, für den Hospizkreis Ottobrunn aber begleitet sie ehrenamtlich Schwerkranke und Sterbende. Gerade ist ihr zweites Buch "Lizenz zum Händchenhalten" erschienen, am 7. März um 19 Uhr wird sie im Kleinen Theater Haar, begleitet von einem Marimbaphon, daraus lesen. "Mit Premierenglitzer", sagt sie, denn nach der Lesung gebe es einen Umtrunk, es hätten sich Schauspielkollegen angekündigt, mit denen sie unter ihrem Künstlernamen Petra Auer in den Fernsehserien "Dahoam is Dahoam" oder den "Rosenheim Cops" vor der Kamera stand. Als Hospizhelferin aber ist sie Frau Frey, manchmal auch Petra. Duzen lässt sie sich allerdings nicht. Sie will die Distanz wahren. Habe was mit Selbstschutz zu tun, sagt sie.

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Frey ließ sich zur ehrenamtlichen Hospizhelferin ausbilden, nachdem sie vor vielen Jahren erlebt hatte, wie liebevoll ihre eigene Mutter auf einer Palliativstation umsorgt worden war. Und wer sich ihre Bücher vornimmt - das neue "Lizenz zum Händchenhalten" genauso wie ihr erstes Buch "Sterbemund" (2019) - der erkennt schon nach den ersten Seiten, dass der Tod gegen ein bisschen Rampenlicht vermutlich gar nichts einzuwenden hätte. Frey bezeichnet ihn darin als "Kumpel", einen selbstgefälligen Typen, der oftmals zu früh komme und nur selten zu spät.

Mit dem Gedanken an das eigene Ableben aber befassen sich die wenigsten in dieser auf Jugendlichkeit getrimmten Gesellschaft, die Alter und Krankheit so gerne wegorganisiert. "Neurologen haben herausgefunden, dass 80 Prozent der Menschen von einem optimistischen Irrglauben an die eigene Unverwundbarkeit betroffen sind", schreibt Frey in ihrem neuen Buch, dessen Produktion im Eigenverlag sie mit einer Crowdfunding-Kampagne finanziert hat. Mit einer angemessenen Portion Humor berichtet Frey in 50 Kapiteln von ihren Erfahrungen, gnadenlos ehrliche Geschichten aus ihrem Alltag als Sterbebegleiterin, manche traurig, manche lustig oder im Fall der Ehefrau, die ihren Mann mit Räucherstäbchen einnebelt, ein bisschen skurril. Um den Sinn von Patientenverfügungen geht es etwa in diesem "etwas anderen Ratgeber", wie es auf dem Cover heißt.

Zuhören mit vollem Herzen

Im Kapitel "Der Krankenhausknigge" spricht Frey sich für mehr Sensibilität beim Besuch schwerkranker Menschen aus. Denn natürlich könne eine solche Begegnung verunsichern. Ein Krankenhausbett sei aber keine Ablage für Handtaschen oder Mäntel, Ratschläge von Dr. Google seien wenig hilfreich und von Studentenfutter habe die Oma mit den dritten Zähnen vermutlich auch nicht viel. Was dagegen hilft: zuhören, berühren, da sein, mit vollem Herzen. Und wenn einem die Worte fehlten, könne man das genau so sagen.

Ein Jahr Arbeit steckt in "Lizenz zum Händchenhalten", es ist ein Familienprojekt. Die Illustrationen stammen von Tochter Lilli Frey, einer angehenden Kunsttherapeutin, ihr Sohn kümmert sich um Social Media und die Internetseite. Und ihr Mann, der Schauspieler Winfried Frey, sei sowieso ihr "bester Kritiker".

Sie trinkt Tee aus einer roten Tasse, eigentlich ist es mehr eine Schale, die da vor ihr auf dem Tisch steht, auch ihre Haare sind rot. 59 Jahre ist die Münchnerin alt. Und während sie von ihrer Arbeit erzählt, die Sprache schnörkellos, die Stimme kraftvoll, da bahnt sich die Erkenntnis den Weg, dass es sich im Bewusstsein um die eigene Endlichkeit irgendwie besser lebt. Weil man die Zeit dann als kostbar erachtet. Und es sich ja eh nicht ändern lässt.

Doch je näher das Ende rückt, desto eher landen kranke oder alte Menschen in der Isolation, weil sich niemand mehr zu ihnen traut. "Sterbende sind Lebende bis zum Schluss", plädiert Frey für weniger Befangenheit im Umgang. Die letzte Lebensphase könne bis zu sechs Monaten dauern. Den Hospizvereinen sei daher daran gelegen, möglichst früh eingebunden zu werden, damit eine Beziehung aufgebaut werden könne. Frey berichtet von Menschen, die sie zum Arzt gefahren hat und bei der Auswahl einer Brille unterstützt. "Das ist nicht nur Händchenhalten in der Horizontalen", sagt sie.

Ehrenamtliche Sterbebegleitung sei nicht ausschließlich traurig, es werde auch viel gelacht, mitunter ereigneten sich komische Dinge. Petra Frey bewirkt mit ihrem mutigen, humorvollen Blick auf das Thema in jedem Fall, dass einem der Schrecken des Todes nicht mehr ganz so schrecklich erscheint. Nur was danach komme, so schreibt sie in "Lizenz zum Händchenhalten", das wisse sie auch nicht. Sie lebe ja noch.

"Lizenz zum Händchenhalten", Lesung mit Petra Frey am Dienstag, 7. März, um 19 Uhr in Kleinen Theater Haar.

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