Peter Paul Gantzer:Absprung

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Nach 40 Jahren als Abgeordneter der SPD im Landtag endet für den Haarer seine politische Karriere. Weggefährten würdigen den Einsatz des 79-Jährigen für die Polizei und auch seine Partei

Von Martin Mühlfenzl

Wie sicher kann sich ein Kind fühlen, das auf einem Pritschenwagen die Heimat verlassen muss? Sieben Jahre ist Peter Paul Gantzer alt, als die Mutter wie so viele entscheidet, mit den Kindern aus Breslau und Schlesien wegzugehen - es ist das Jahr 1945, in dem sich die Flüchtlingszüge auf den Weg nach Westen machen.

Auf der Pritsche findet der Junge dort Platz, wo einem Kriegsversehrten das amputierte Bein fehlt. Franz Maget berichtet von dieser Begebenheit - Peter Paul Gantzer muss sie ihm selbst erzählt haben. "Denkbar, dass damals seine zutiefst humane Grundeinstellung ihren Anfang genommen hat", sagt Maget über Gantzer - und er sagt noch etwas darüber, was sie verbindet: "Eine lange Freundschaft." Das ist nicht selbstverständlich in der Politik.

Sieben Mal wurde er über die Liste gewählt

Wenn sich an diesem Montag, 5. November, der neu gewählte Bayerische Landtag konstituiert, geht nichts anderes als eine "bemerkenswerte politische Karriere" zu Ende, sagt Maget.

Insgesamt 40 Jahre lang gehörte der Haarer Sozialdemokrat Peter Paul Gantzer dem Parlament an, sieben Mal wurde er über die Liste ins Maximilianeum gewählt - 23 der 40 Jahre teilte er mit seinem Freund Franz Maget, der Fraktionsvorsitzender und damit Gantzers Chef sowie 2003 und 2008 Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen war.

Mit 79 Jahren geht einer in den Ruhestand, den auch Haars ehemaliger Bürgermeister Helmut Dworzak als "meinen Freund" bezeichnet. Und das nicht nur, weil Gantzer ihm nach seiner "ersten Operation" einen Schachcomputer ans Krankenbett gebracht hat. "Damit mir nicht so langweilig wird", sagt Dworzak und lacht.

Aber vielleicht beschreibt die kleine Geste gut, welchen Ruf sich Gantzer, der aufgrund seines Faibles für sein Gefährt schon mal "Porsche-Paul" geschmäht wurde, erarbeitet hat. "Er war und ist ein unermüdlicher Arbeiter, der immer für die Bürger da war und sich eingesetzt hat", sagt Helmut Dworzak. "Er hat immer an das geglaubt, was er getan hat, und sich als Abgeordneter der Bürger verstanden."

Gantzer ist aber auch immer ein Parteimensch geblieben - und nach Wahlniederlagen, von denen auch er eine ganze Reihe erdulden musste, einer, der die eigene Partei mit offenem Visier kritisiert. Im Jahr 1968 tritt Gantzer der SPD bei, ein wirklicher 68er aber war er nie und wurde er es auch nicht. Kommunalpolitisch stark verwurzelt führt er den SPD-Kreisverband von 1974 bis 1989, wird mehrmals in den Kreistag gewählt - und 1978 erstmals auch ins Maximilianeum. Dort widmet er sich - was ungewöhnlich für einen bayerischen Sozialdemokraten ist - bis heute vor allem dem Thema Sicherheit.

"Das liegt nicht nur an seinem Faible für Uniformen", sagt sein Weggefährte Franz Maget. "Bestimmt gibt es niemanden, der so viele Polizeireviere und Bundeswehreinrichtungen von innen kennt, wie er. Ich vermute, es sind alle, die es überhaupt gibt." Mehr Polizisten, bessere Ausstattung der Polizei, bessere Arbeitsbedingungen - das ist bis heute die politische Agenda von Peter Paul Gantzer. Franz Maget glaubt, hätte die SPD in Bayern bessere Wahlergebnisse eingefahren, Gantzer wäre Innenminister geworden: "Und zwar ein guter."

Haltung und Offenheit

Sein Einsatz für die Polizei, sagt Bela Bach, habe sicher auch zur Folge gehabt, dass "ihn so viele Polizisten in Oberbayern gewählt haben". Bach und Gantzer pflegen ein besonderes und auch inniges Verhältnis - sie bezeichnet ihn als "Vorbild", er gilt als ihr Mentor. "Ich bewundere ihn dafür, dass er so vielen Menschen geholfen hat, egal wie klein das Anliegen war", sagt Bach. "Und als Notar und Jurist hat er eine ganz besondere Kompetenz eingebracht." Was ihn zum Vorbild macht? "Dass er Dinge offen angeht und immer Haltung zeigt", sagt Bach.

"Er ist wirklich ein ganz großer Sozialdemokrat."

"Seine Leidensfähigkeit", sagt Helmut Dworzak. "Da sitzt so ein cleverer Mann so lange auf der Rückbank im Parlament, muss immer wieder zusehen, wie die CSU Positionen übernimmt und Monate später als eigene Inhalte verkauft." Das habe ihn aber nie daran gehindert weiter zumachen - und weiter zu streiten, sagt Dworzak.

Diese Streitbarkeit hat auch Ingrid Lenz-Aktas kennen- und auch schätzen gelernt. Zweimal ist die Fraktionssprecherin der SPD im Kreistag gegen Gantzer um die Kandidatur für den Stimmkreis München-Land Nord ins Rennen gegangen. Zweimal ist sie ihm unterlegen. "Ich habe nicht immer alle Positionen von Peter Paul geteilt, aber es war immer möglich, mit ihm darüber zu diskutieren", sagt Lenz Aktas.

Der Träger des Bundesverdienstkreuzes hat allerdings immer auch darauf achten müssen, nicht zu viel Last zu tragen. Dann nämlich, wenn es steil nach oben und im Sturzflug nach unten ging: Für den begeisterten Fallschirmspringer war es immer wichtig, sein Gewicht zu halten, fand er sich als Leichtgewicht in den Formationen doch meist ganz außen.

Gantzer selbst sagt, er verspüre keine Wehmut. Für den Ehemann und Vater zweier Söhne endet jetzt ganz einfach ein politisches Leben als Abgeordneter - ein politischer Mensch aber wird er immer bleiben. Und ein weltläufiger, der perfekt Spanisch und Englisch spricht, in der Kindheit nach der Flucht in Spanien gelebt hat. Es fehle also nichts zu einem erfüllten und verdienten Ruhestand, sagt Franz Maget: "Wir werden sehen."

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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