Parteibasis zur Bundestagswahl:"Ein desaströses Ergebnis für die CSU in Bayern"

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Für Parteimitglieder ist klar: Schuld an der Wahlniederlage sind vor allem die CDU und Kanzlerkandidat Armin Laschet. Aber es gibt auch Kritik an Markus Söder.

Von Protokolle: Irmengard Gnau, Iris Hilberth, Michael Morosow und Martin Mühlfenzl

Mit 32,6 Prozent ist die CSU im Landkreis München noch vergleichsweise glimpflich aus der Bundestagswahl herausgekommen. Im Wahlkreis bleibt sie damit klar stärkste Kraft, ihr Direktkandidat Florian Hahn wurde sogar mit 39,1 Prozent wiedergewählt. Dennoch kann das Ergebnis die Parteimitglieder nicht befriedigen, weder das Ergebnis der CSU im Land noch das der Union im Bund, mit 24,1 Prozent das schlechteste, das beide Parteien je bei einer Bundestagswahl erzielt haben. Wer in die CSU hinein hört, vernimmt auch drei Tage danach noch Worte wie "katastrophal". Auch der Rücktritt von Armin Laschet wird gefordert. Mit Parteichef Markus Söder geht die Basis dagegen überwiegend nachsichtiger um.

Thomas Pardeller, Bürgermeister in Neubiberg: "Das ist eine deutschlandweite schwere Niederlage, man muss es einfach so sagen: katastrophal. Wir haben die Wahl verloren, wenn auch knapp, aber die Union muss anerkennen, dass die SPD diese Wahl gewonnen hat. Die Union im Bund sollte jetzt den Gang in die Opposition zur Erneuerung beschreiten. Es bringt ja nichts, sich irgendwie mit Ach und Krach an der Macht zu halten. Klar ist auch, dass es mit Armin Laschet nicht weitergehen kann, er hat im Wahlkampf nicht alles falsch gemacht, aber er muss für dieses Ergebnis die Verantwortung übernehmen. Stellen Sie sich vor, der würde jetzt Fraktionschef werden und dann in vier Jahren noch mal antreten - das ist doch Schmarrn. Die Bürger erwarten jetzt einen Aufbruch und nicht die Union in der Regierung, sie haben sich für eine Ampel entschieden. An der CSU hat es nicht so sehr gelegen, wir stehen eigentlich gut da und haben mit Markus Söder an der Spitze die Erneuerung personell und inhaltlich ja auch schon eingeleitet."

Annette Reiter-Schumann, Vorsitzende der Frauen Union, Ismaning: "Die Stimmung im Landkreis war gar nicht so schlecht, das sehen wir ja auch am Ergebnis für Florian Hahn. Bei der Zweitstimme aber hat sich das gedreht - gegen Armin Laschet und damit auch gegen die CSU. Einen Wahlkampf kann man nur mit guten Themen führen, die von den Menschen auch verstanden werden. Der Wahlkampf, der ja maßgeblich von der CDU gesteuert wurde, war aber themenlos. Das einzige, was ich gelesen habe, war: Stabilität und Rot-Grün-Rot verhindern. Dass Armin Laschet sich die Niederlage nicht eingestehen kann, wundert mich schon. 2005 bei Angela Merkel und Gerhard Schröder in der Elefantenrunde haben ja auch alle gesagt: Was ist denn mit dem los? Fakt ist: Die Union hat diese Bundestagswahl verloren, und das lag in erster Linie an der Schwäche des Kanzlerkandidaten. Die SPD hat die Wahl gewonnen und ist jetzt erst mal am Zug, das muss man sich einfach eingestehen. Spannend finde ich, dass sich jetzt schon vorab Grüne und FDP zusammentun."

Viele Wähler haben eine Stimme für die CSU nicht als Stimme für die Zukunft empfunden. Seit der Wahlniederlage vom Sonntag hadern Parteimitglieder mit dem Ergebnis. (Foto: Claus Schunk)

Sebastian Westenthanner, Gemeinderat, Pullach: "Mit dem Abschneiden der CSU im Landkreis und in meiner Gemeinde bin ich insgesamt ganz zufrieden, die Ergebnisse liegen klar über dem Bundestrend. Die Union ist aber klarer Verlierer, und ich glaube nicht, dass sie eine Regierung bilden sollte. Es käme bei den Wählern nicht gut an, wenn die Union nun versuchen würde, eine Regierung durchzudrücken. Ich befürchte, dass sich dieses Verhalten auf die Europawahl 2024 und die Landtagswahl 2023 in Bayern negativ auswirken würde. Vielleicht schadet es gar nicht, wenn die Union in die Opposition geht und insbesondere die CDU junge Leute ans Ruder lässt. Die FDP hat sich erneuert und Erfolg damit gehabt. Die SPD stand nicht gut da, hat sich neu ausgerichtet und ist jetzt der Wahlsieger. Ich sehe Probleme vor allem bei der CDU, in Bayern ist das CSU-geführte Kabinett meiner Meinung nach gut aufgestellt mit sehr guten und jungen Leuten. Über die Freien Wähler will ich besser nicht sprechen. Dem Wähler gegenüber wäre sicher eine Ampel besser, inhaltlich wünschen würde ich mir eine Jamaika-Koalition."

Peter Wagner, Bürgermeister in Aying: "SPD und Union liegen mit ähnlich schlechten Ergebnissen gleichauf. Springender Punkt ist jetzt aber nicht, was CDU/CSU wollen, sondern wohin FDP und Grüne tendieren. Die CSU hat fast alle Mandate wiedergewonnen, im Landkreis ist sie trotz Verlusten nach wie vor klar die stärkste Kraft. Bei der CDU aber haben selbst Minister ihre Wahlkreise verloren. Die CDU muss sich erneuern, eine interne Manöverkritik ist jetzt wichtig. Hätten wir einen anderen Kandidaten gehabt, wäre die Union stärker und dominanter geworden in Bayern und im Bund. Ein Söder hätte uns besser gefallen, weil wir einen Macher in der Krise brauchen. Es war ein reiner Personenwahlkampf, wo in allen Schubladen gekramt wurde, um auf den Gegner draufhauen zu können. Themen blieben auf der Strecke."

Anton Stürzer, Kreisrat , Höhenkirchen-Siegertsbrunn: "Für mich persönlich war das Wichtigste bei dieser Wahl, dass es nicht zu einer rot-rot-grünen Regierung kommt, da war ich erleichtert. Abgesehen davon muss man aber ehrlich sagen: Das ist ein desaströses Ergebnis für die CSU in Bayern. Und man muss sich schon fragen, warum es so rapide bergab geht mit der Zustimmung. Gerade die Landwirtschaft hat früher zu 75 Prozent und mehr CSU gewählt, davon sind wir heute weit entfernt. In der Bundeslandwirtschaftspolitik sind in den letzten Jahren viele Fehler gemacht worden, bei denen man sich als Landwirt auch fragt: Warum reden die CSU-Politiker da nicht stärker dagegen? Nehmen wir die Wolfsproblematik oder die geplante Abschaffung der Anbindehaltung - da hat man den Eindruck, die Politik hört die Meinung der Landwirte überhaupt nicht. Wenn wir vorankommen wollen, müssen Klimaschutz, Wohlstand und Wirtschaft ineinandergreifen, wir dürfen nicht nur in eine Seite investieren. Für die CSU ist es wichtig, dass wir dieses Ergebnis jetzt ehrlich aufarbeiten, damit wir bald einmal wieder eine Wahl im Plus abschließen."

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(Foto: Claus Schunk)

Seit der Wahlniederlage vom Sonntag hadern Parteimitglieder wie Anton Stürzer, ...

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(Foto: Claus Schunk)

... Annette Reiter-Schumann und ...

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(Foto: privat)

... Korbinian Rausch mit dem Ergebnis.

Stefan Krimmer, CSU-Fraktionschef in Unterschleißheim: "Das Ergebnis hat ja zwei Dimensionen. Einmal unser Abschneiden vor Ort. Da muss man feststellen, dass wir schon noch den Zuspruch der Menschen erhalten. Aber auf Bundesebene ist klar: Mit diesem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein. Beide Ebenen zeigen auch, dass die Menschen den Kandidaten wählen, den sie kennen und mögen - wie eben Florian Hahn. Das Statement zur Niederlage der Union von Markus Söder kam genau zur richtigen Zeit."

Ursula Mayer, ehemalige Bürgermeisterin von Höhenkirchen-Siegertsbrunn: "Der erste Grundfehler war: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Laschet war der falsche Kandidat. Als zweiten Grundfehler sehe ich das ständige Unterminieren des dann gesetzten Kandidaten. Das war die falsche Taktik der CSU-Führung. Es gab noch einen dritten Grundfehler: Es wird das Original gewählt, nicht die Kopie. Bäume umarmen hilft weder Baum noch dem Ziel Umweltschutz. Was lernen wir daraus: In der Opposition das eigene Personal und die eigenen Werte überprüfen!"

Korbinian Rausch, Fraktionsvorsitzender im Unterhachinger Gemeinderat: "Das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der Union lässt sich aus meiner Sicht auf die Entkoppelung der CDU-Parteispitze von der Bevölkerung und mangelnde Erneuerung zurückführen. Die Verantwortlichen haben gegen den Willen der Parteibasis sowohl auf den falschen Kandidaten als auch zu erheblichen Teilen die falschen Inhalte gesetzt. Sie sollten geschlossen die Konsequenzen ziehen und zurücktreten. Alles richtig gemacht hat die CSU sicherlich nicht, ich denke da an die Maskenskandale oder die höchst fragwürdigen Vorgänge im Verkehrsministerium, aber in Belangen der Modernisierung der Partei und der Programmatik hat die CSU bereits einige - wenn auch teilweise nicht formvollendete Konsequenzen gezogen. Ich bin absolut überzeugt, dass die Politik auf Landesebene unter Markus Söder mit einer Forcierung der Innovationskraft, Infrastrukturausbau, engagierten Klimaschutzzielen sowie den Schlagworten jünger, weiblicher, digitaler der einzig richtige Weg ist. Den Löwenanteil am desaströsen Wahlergebnis dieser Bundestagswahl hat meiner Ansicht nach aber ohne jede Frage die CDU-Parteispitze. Ich sage ganz bewusst Parteispitze, hier haben nicht wenige ihren Zenit überschritten und die Demut vor Bevölkerung und Basis verloren."

© SZ vom 30.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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