Theaterrevue:Das größte Thema der Weltgeschichte

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Ein Ensemble, beseelt vom Geist der Liebe: Marc-Andree Bartelt, Karin Pagmár, Shantie Langer und Florian Fischbach (von links). (Foto: Kreativ-Akademie)

Mit "The Spirit of Love - Hinter meiner Maske" versuchen Regisseur Bernd Seidel und sein Ensemble in den vielfältigen Kosmos der Liebe zu tauchen. Premiere ist am 18. November in Ottobrunn.

Von Udo Watter, Ottobrunn

Unendliches Wachstum - was als feuchter Traum neoliberaler Gierschlünde gilt, funktioniert eventuell in der Liebe. Schließlich ist sie ja das einzige, was wächst, indem wir es verschwenden. Und das einzige, was sich verdoppelt, in dem wir es teilen.

Aber Liebe ist natürlich nicht gleich Liebe. Da gibt es die erotische Liebe, die Gottesliebe, die Nächstenliebe, begehrende, schenkende Liebe, Agape, Eros, Thanatos, Liebestod. Das größte Thema der Weltgeschichte? Wahrscheinlich.

Inspiriert und befeuert von diesem Gedanken suchen Regisseur Bernd Seidel und sein Ensemble in der Theaterrevue "The Spirit of Love - Hinter meiner Maske" in den vielfältigen Kosmos der Liebe zu tauchen, ihre vielen Formen, Facetten und Nuancen mit klassischen und modernen Elementen auf die Bühne zu bringen. Theaterrevue sei als Bezeichnung eigentlich ein unzureichender Begriff, wie Seidel meint, denn das Stück, welches das Premierenpublikum am Samstag, 18. November, im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus zu sehen bekommt, sei in der "Form völlig neu".

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Die diversen Elemente - Tanz, Gesang, Schauspielerei und Musik - sollen auf verschiedenen ineinander fließenden Ebenen eine theatrale Welt entstehen lassen, welche Sehnsucht, Magie, Begehren und Enttäuschung entfaltet, dabei auch nicht Kitsch und Pathos scheut, freilich mit ironischer Brechung. "Es sind Elemente, die verzaubern und spannend sind", verspricht Seidel. Das Darsteller-Ensemble, bestehend aus Shantie Langer, Marc-Andree Bartelt und Florian Fischbach, spielt unterschiedliche Stationen aus Sicht einer älteren reifen Frau: der erste Kuss, die erste zarte Berührung, wilde Zeiten mit Partnerwechsel, Drogen und Absturz, die Sehnsucht nach Geborgenheit, Sicherheit, dann wieder Reflexion und Selbstzweifel. Es sind die emotionalen Tiefen, Höhen und Sehnsüchte einer reifen Frau. Flankiert wird das Bühnenspiel immer wieder mit abstrakten ("Liebe und Vernunft") und lyrischen Liebestexten. Diese ältere Frau wird von Karin Pagmár verkörpert, einer schwedischen Sängerin und Schauspielerin, die vor allem als Interpretin von Zarah Leander-Liedern oder Marlene Dietrich-Chansons bekannt ist - sie ist schon früher in Ottobrunn aufgetreten und wird dort dieser Tage (10. November) zudem in ihrer Zarah-Leander-Revue "Nach mir ist man süchtig" auf der Bühne des Wolf-Ferrari-Hauses stehen.

Eine Produktion wie "Spirits of Love" ist natürlich auch etwas Neues für sie, sie ist vor allem in den sängerischen Parts gefordert. Zu hören sein werden bekanntere Liebeslieder, dazu kommen aber auch neu geschriebene Stücke, für die der in Wien lebende Komponist und Arrangeur Béla Fischer verantwortlich zeichnet. Seidel, der seit Langem künstlerische Leiter am Wolf-Ferrari-Haus ist, aber schon seit etlichen Jahren in Spanien lebt, schwärmt von ihr: "Sie ist eine tolle Sängerin und sie macht das sehr berührend." Überhaupt ist er von den Proben, die wie immer größtenteils auf seinem Anwesen in Andalusien stattfinden, sehr angetan. "Es ist selten so gut gelaufen wie diesmal. Die Proben sind super, das Ensemble ist toll." Seidel, der für seine unkonventionellen Stücke und Inszenierungen bekannt ist, die auch nicht immer ungeteilten Beifall finden, ist gleichwohl ein Theatermacher, der sich sein Renommee erworben hat. Eine selbst konzipierte und dramatisierte Produktion wie "Spirits of Love" ist natürlich dennoch ein gewisses Wagnis. "Nicht Mainstream, aber ansprechend", wirbt er.

"Das Ganze ist auch für mich etwas Neues, aber trotzdem findet sich darin meine Theatersprache wieder." Bei allem Sinn für experimentelle Ästhetik, auffällige Kostüme oder anmutig fließendes Bewegungstheater ist Seidel indes kein Künstler, der komplett unpolitisch dächte. Man darf ihm schon noch einen kleinen Glauben an die leise gesellschaftliche Veränderungsmacht der Kunst unterstellen, ohne das er diese naiv überschätzte. "In dem Stück geht es nicht nur um Liebe als egoistisches Element, in dem man sich persönlich entfalten will", erklärt Seidel, "sondern auch um Liebe als Energie und Basis für Offenheit, dafür, wie wir miteinander umgehen." Der allgemeinen gesellschaftlichen Negativität, die als Signum der Gegenwart, besonders auch in Deutschland gelten darf, will er also quasi auch etwas entgegenstellen. Szenen, die tief berühren, die vielleicht "Gänsehautmomente" schaffen. Liebe darf man ja verschwenden.

Die Premiere von "Spirit of Love- Hinter meiner Maske" ist am Samstag, 18. November, in Ottobrunn, Wolf-Ferrari-Haus (wfh-ottobrunn.de), Beginn 19.30 Uhr. Zudem gibt es Aufführungen am 24. November im Unterhachinger Kubiz (www.unterhaching.de/kultur) sowie am 1. Dezember im Pullacher Bürgerhaus (https://pullach.reservix.de/events) und vom 28. bis 30. November im Einstein Kultur, München.

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